10.10.2022rss_feed

Koalition einigt sich auf Anschubfinanzierung Für Umbau der Tierhaltung – ISN: Durchbruch? Von wegen!

Die Ampelkoalition hat sich auf eine Anschubfinanzierung für den Umbau der Tierhaltung geeinigt. Für einen echten Durchbruch fehlen aber noch zu viele Puzzleteile. ©ISN

Die Ampelkoalition hat sich auf eine Anschubfinanzierung für den Umbau der Tierhaltung geeinigt. Für einen echten Durchbruch fehlen aber noch zu viele Puzzleteile. ©ISN

Die Ampelkoalition hat sich in der Frage, wie der Umbau der Tierhaltung in Deutschland finanziert werden soll, auf eine Anschubfinanzierung über eine Milliarde Euro geeinigt, die nicht nur für die Investitionsförderung, sondern auch für die Deckung laufender Kosten in den tierhaltenden Betrieben verwendet werden soll. Die Bundestagsfraktionen der Grünen und der FDP werten dies als wichtige Weichenstellung, die den Betrieben Planungssicherheit bieten soll.

ISN: Von einem Durchbruch kann nicht die Rede sein! Erst wenn ein Gesamtpaket geschnürt ist und die Betriebe erkennen, dass sie von Seiten der Bundesregierung grundsätzlich gewollt sind und man sie nicht im Stich lässt, kann es Planungssicherheit und Perspektive geben.

 

In der seit langem in der Bundesregierung diskutierten Tierwohlfinanzierung scheinen die Ampelparteien endlich einen Schritt aufeinander zuzugehen. Wie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) am Freitag mitteilte, haben sich die Koalitionsfraktionen darauf verständigt, dass die Anschubfinanzierung für den Umbau der Tierhaltung in Höhe von einer Milliarde Euro ab 2023 nicht nur für Investitionen in den Umbau der Ställe verwendet werden kann, sondern auch für die Finanzierung laufender Mehrausgaben der tierhaltenden Betriebe, unter der Voraussetzung, dass weniger Tiere besser gehalten werden.

 

Grüne und FDP werten Einigung als Durchbruch

Laut Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir sei das ein wichtiges Signal an die Landwirtinnen und Landwirte, dass wir sie auf dem Weg zu einer zukunftsfesten Tierhaltung unterstützen. Mit der Unterstützung würden zugleich das Tierwohl gestärkt sowie Klima und Umwelt geschützt. Der Fraktionsvorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Dürr, bezeichnete die Einigung gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa) als Durchbruch nach langem Stillstand: Landwirte bekommen endlich Planungssicherheit, und die Koalition ist sich einig, dass bereits getätigte Investitionen in mehr Tierwohl rechtlich abgesichert werden müssen. Immer neue Auflagen seien eine Investitions- und Tierwohlbremse gewesen und hätten Landwirte gehindert, wirtschaftlich zu arbeiten. Mit der Anschubfinanzierung würden Landwirte unterstützt, die ihre Schweinehaltung oberhalb gesetzlicher Standards weiterentwickeln wollen.

 

Hürden im Bau- und Immissionsschutzrecht sollen abgebaut werden

Wie Agra Europe (AgE) berichtet, sehe die Verständigung nach Aussagen der stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion, Carina Konrad, auch die Beseitigung bau- und immissionsschutzrechtlicher Hürden vor: Wir sorgen jetzt dafür, dass Landwirte überhaupt erst die Möglichkeit bekommen, ihre Ställe umzubauen und bringen die dazu notwendigen Regelungen mit einem verlässlichen Zeitplan auf den Weg. Zeitgleich werde ein Haltungskennzeichen entwickelt, was sich an schon im Markt befindlichen Labels orientiert, dem Verbraucher Transparenz und auch die Möglichkeit an die Hand gibt, Tierwohl an der Ladentheke zu erkennen.

 

Die ISN meint:

Dass ein Umbau der Tierhaltung sehr hohe Mehrkosten mit sich zieht, ist wohl unbestritten – die Tierhalter benötigen dabei erhebliche finanzielle Unterstützung. Deshalb ist es gut, dass die Ampelparteien nach langen Diskussionen und gegenseitigen Blockaden endlich versuchen, sich auf eine Lösung der Finanzierungsfrage zu verständigen. Von einem 'Durchbruch' kann allerdings noch lange nicht die Rede sein, ordnet ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack, die Einigung ein. Mal davon abgesehen, dass der Finanzierungsbedarf, wie er unter anderem durch die Borchert-Kommission festgestellt wurde, um ein Vielfaches höher ist und die bereitgestellte Milliarde nur ein erster Schritt zur Finanzierung des Umbaus in der Tierhaltung sein kann, müssen wir den Aussagen von Grünen und FDP deutlich widersprechen. Die Gleichung enthält nach wie vor zu viele Unbekannte, um den Betrieben tatsächlich Sicherheit geben zu können. Deshalb ist davon auszugehen, dass es wohl genauso wie in der letzten Förderperiode ablaufen wird und Fördergelder zwar in Aussicht gestellt werden, faktisch aber nicht abgerufen werden können.

Nach unserem Kenntnisstand wird in dieser Woche im Bundeskabinett über das Tierhaltungskennzeichengesetz beraten. Bevor nicht endgültig geklärt ist, wie die Kennzeichnung ausgestaltet ist, wird aus mangelnder Planungssicherheit sicher keine Förderung abgerufen werden - der derzeitige Entwurf weist jedoch noch viele Mängel auf und muss deutlich nachgebessert werden. Darüber hinaus fehlen konkrete Hinweise auf eine Herkunftskennzeichnung. Auch die Hürden im Baurecht oder bezüglich der TA-Luft wurden trotz Ankündigung noch nicht abgebaut. Es hilft nichts, darüber zu reden, dass man die Hürden beseitigen will – man muss dies auch konkret umsetzen!, fordert Staack. Vor diesem Hintergrund ist es blanker Hohn, von Planungssicherheit und Perspektive zu sprechen. Die kann es nämlich erst geben, wenn ein Gesamtpaket – das wir im Übrigen schon lange fordern – geschnürt ist, und die Betriebe erkennen, dass sie von Seiten der Bundesregierung grundsätzlich gewollt sind und man sie nicht im Stich lässt. Staack betont: Die jüngsten ASP-Ereignisse in Niedersachsen haben vielen Bauern wieder einmal sehr deutlich gezeigt, dass sie von vielen Wirtschaftsbeteiligten und vor allem der Politik allein gelassen werden, wenn es hart auf hart kommt – wie soll man da das Vertrauen schaffen, damit die Bauernfamilien Zukunftsentscheidungen fällen können? Das muss doch auch der Bundeslandwirtschaftsminister verstehen!


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