02.06.2022rss_feed

Tierwohl ohne ausreichende Finanzierung? – ISN: Dann auch ohne die deutschen Schweinehalter!

Die FDP lehnt eine Erhöhung der Steuern auf Fleisch oder eine Tierwohlabgabe ab. ©ISN/Jaworr, FDP, gero-hocker.abgeordnete.fdpbt.de, www.carinakonrad.de, www.tah.de, www.noz.de

Die FDP lehnt eine Erhöhung der Steuern auf Fleisch oder eine Tierwohlabgabe ab. ©ISN/Jaworr, FDP, gero-hocker.abgeordnete.fdpbt.de, www.carinakonrad.de, www.tah.de, www.noz.de

Wird die seit langem in der Bundesregierung diskutierte Tierwohlfinanzierung aufs Abstellgleis gestellt? Schon vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs gab es keine Einigkeit der Ampelparteien darüber, auf welchem Weg eine Honorierung der Tierwohlkosten bei den Landwirten ankommen soll. Nun hat sich die Lage weiter zugespitzt. Während Landwirtschaftsminister Cem Özdemir auf dem Deutschen Raiffeisentag bekräftigte, dass man ein Finanzierungsmodell auf die Beine stellen werde, lehnt die FDP eine Erhöhung der Steuern auf Fleisch oder eine Tierwohlabgabe in Zeiten steigender Lebensmittelpreise und in die Höhe schießender Inflation kategorisch ab. Der Verbraucher solle nicht noch zusätzlich belastet werden.

ISN: Tierwohl ohne ausreichende Finanzierung? Wer glaubt, dass tierhaltende Betriebe auf höhere Haltungsstufen umsteigen können, ohne dass es bezahlt wird, der glaubt auch an den Weihnachtsmann! Wenn das ganze Konzept von den politischen Akteuren jetzt so zerfleddert wird, dann gehen in der Diskussion die Hauptpersonen verloren – nämlich die deutschen Ferkelerzeuger und Schweinemäster!

 

Dass ein Umbau der Tierhaltung sehr hohe Mehrkosten mit sich zieht, ist wohl unbestritten – die Tierhalter benötigen dabei erhebliche finanzielle Unterstützung. Umso erbärmlicher ist, nach Ansicht der ISN, die Position, die nun die FDP einnimmt. Denn die Frage, wie die Mehrkosten beglichen werden sollen, bleibt nach wie vor unbeantwortet, obwohl mit den Empfehlungen der Borchert-Kommission schon lange konkrete Vorschläge auf dem Tisch liegen. In der Diskussion hat sich die FDP scheinbar zum größten Bremsklotz entwickelt, kritisiert ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack. Mehreren Medienberichten zufolge hat die Partei ihre Ablehnung einer Finanzierung durch höhere Steuern auf Fleisch oder eine Tierwohlabgabe noch einmal bekräftigt. In Zeiten steigender Lebensmittelpreise und in die Höhe schießender Inflation, wolle man den Verbraucher nicht noch zusätzlich belasten.

 

FDP lehnt Teuerung von Fleisch ab

Gero Hocker, agrarpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, warnte gegenüber dem Tagesspiegel davor, deutsches Fleisch zusätzlich zu verteuern. Damit würde man den Verbraucher nur dazu treiben, billigeres, ausländisches Fleisch zu kaufen. Ähnlich positionierte sich die Vize-Fraktionsvorsitzende der FDP, Carina Konrad, im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Eine weitere Belastung der Verbraucher darf es nicht geben, weder über eine Mehrwertsteuer noch über eine Abgabe, betonte Konrad und forderte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/ Die Grünen) auf, beim geplanten staatlichen Tierhaltungslabel für Fleisch auf weitere Finanzforderungen zu verzichten.

 

Finanzkonzept auf dem Abstellgleis?

Konrad verweist im Gegenzug auf den gewachsenen Etat des Bundeslandwirtschaftsministeriums, aus dem sich einiges bewältigen lasse. Es ist daher auch die Frage, wie dort die Finanzmittel priorisiert werden, zitiert das RND die FDP-Politikerin. Weiter bügelt Konrad das Thema mit der Aussage ab, es würden ja nicht alle Ställe gleich im ersten Jahr umgebaut werden. Es fehlt ohnehin gerade an Baumaterial und an Arbeitskräften am Bau, gießt Konrad noch mehr Öl ins Feuer. Die FDP nimmt damit jeglichen Diskussionsspielraum. Die Tierwohlfinanzierung hängt also weiterhin in der Luft oder steht sie gar vor dem vorläufigen Aus? In einem Bericht der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) heißt es – angeblich aus gut informierten Kreisen –, dass es innerhalb der Bundesregierung die Überlegung gebe, das Finanzkonzept hintenanzustellen. Offenbar soll sich Özdemir in den kommenden Tagen dazu äußern.

Die ISN meint:

Tierwohl ohne ausreichende Finanzierung? Wer glaubt, dass tierhaltende Betriebe auf höhere Haltungsstufen umsteigen können, ohne dass es bezahlt wird, der glaubt auch an den Weihnachtsmann! Wir haben uns immer zu den Zielen von Borchert bekannt und wir stehen auch weiter dazu, erläutert Dr. Torsten Staack. Wenn das ganze Konzept von den politischen Verantwortlichen jetzt so zerfleddert wird, dass am Ende des Tages nur noch Vorgaben und Erwartungshaltung in Richtung Tierhalter bleiben, aber das zentrale Thema Bezahlung rausfällt, müssen wir ganz klar sagen, dass wir die zentralen Akteure in der Diskussion verlieren – und das sind die deutschen Schweinehalter!, findet Staack deutliche Worte. Dass allein der Markt die hohen zusätzlichen Kosten tragen wird, ist ein berechtigter Wunsch, geht aber vollkommen an der Realität vorbei.

Staack fordert: Es braucht öffentliches Geld für öffentliche Leistung! Wer nun meint, einen Rückzieher machen zu können, muss sich nicht wundern, wenn die Betriebe den gesellschaftlich und politisch gewünschten Umbau nicht mehr mitgehen. Statt einen Eiertanz nach dem nächsten zu vollziehen, müssen die politischen Entscheidungsträger endlich klare Signale an die Tierhalter senden. Da hilft auch kein unverbindlicher Verweis auf Haushaltsmittel, aus denen sich schon ‚einiges bewältigen ließe‘. Ohne Planungssicherheit und Perspektive kann und wird sich das kein Schweinehalter antun, so Staack.

Wir müssen zudem feststellen, dass einige FDP-Politiker, wie Gero Hocker, das Prinzip der Finanzierung über die Erhöhung der Mehrwertsteuer oder über eine Tierwohlabgabe nicht verstanden haben. Denn diese müssten in Deutschland auf deutsches Schweinefleisch und Importware gleichermaßen erhoben werden und verändern hierzulande – anders als Gero Hocker es darstellt – nicht die Wettbewerbsfähigkeit zwischen hiesiger und importierter Ware. Im Gegenteil, die Wettbewerbsfähigkeit für Fleisch aus Deutschland verschlechtert sich hierzulande dann, wenn die ohnehin hohen hiesigen Standards ohne finanziellen Ausgleich der Mehrkosten weiter erhöht werden, erläutert Staack und stellt abschließend fest: Steht das Wahlversprechen ‚keine Steuererhöhungen‘ bei der FDP über allem? Sonst kann man sich nicht erklären, warum man hier so gegen die ohnehin finanziell gebeutelten Ferkelerzeuger und Schweinemäster agiert.

 

Wir werden dieses Thema auch ausführlich auf unserer Mitgliederversammlung am 14.06.2022 in Osnabrück diskutieren.

 


Einen lesenswerten Kommentar dazu finden Sie bei Top agrar:

Top agrar - Kommentar von Marcus Arden: Tierhaltung: Hat die FDP das Rechnen verlernt?


SPD-Kritik an unzureichendem Mittelabfluss im Agrarhaushalt – ISN: Politik muss Planungssicherheit schaffen

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