22.11.2017rss_feed

Zum Umgang mit kranken und verletzten Schweinen

Im Interview: Dr. Friedrich Delbeck, Leiter des Schweinegesundheitsdienstes der Landwirtschaftskammer Niedersachsen

Im Interview: Dr. Friedrich Delbeck, Leiter des Schweinegesundheitsdienstes der Landwirtschaftskammer Niedersachsen

In der vergangenen Woche sind Ergebnisse einer Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover an Schweinen in Tierkörperbeseitigungsanstalten veröffentlicht worden. Hier sind laut der Studie Defizite beim Umgang mit kranken und verletzten Tieren zu Tage getreten. Wir haben den Leiter des Schweinegesundheitsdienstes der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Dr. Friedrich Delbeck, einige Fragen zur Einschätzung der aktuellen Situation und zum weiteren Vorgehen gestellt.

 

Herr Delbeck, sehen Sie ebenfalls Handlungsbedarf beim Umgang mit kranken und verletzten Tieren in schweinehaltenden Betrieben?

Ja, denn wir müssen festhalten, dass jedes Schwein, welches länger als notwendig leidet und nicht bzw. nicht rechtzeitig notgetötet wird eines zu viel ist.
Dass bei diesem Thema Handlungsbedarf besteht, haben wir bereits vor gut zwei Jahren im Rahmen eines Projektes gesehen. Es fiel auf, dass die Anzahl an Ordnungswidrigkeiten bei Schweinen, die zur Schlachtung angeliefert wurden, anstieg. Deshalb haben wir einen Leitfaden Transport- und Schlachtfähigkeit von Schlachtschweinen erstellt. Mit diesem kann der Schweinehalter aber auch der Tiertransporteur besser erkennen, wann ein Tier nicht mehr transportfähig und / oder schlachtfähig ist.

 

Wie wurde dieser Leitfaden Transportfähigkeit von den Landwirten angenommen?

Sehr gut – viele waren dankbar hier ein Stück weit mehr Klarheit und Sicherheit zu bekommen. Das zeigt sich auch daran, dass dieser Leitfaden deutschlandweit Beachtung fand und bis heute über 9.500 Mal gedruckt wurde. In mehr als 60 Fachvorträgen wurde er von den Beteiligten vor Schweinehaltern, praktischen Tierärzten und anderen Gremien vorgestellt.

 

Sind damit die Fragen zur Nottötung geklärt?

Nur ein Stück weit. Der Leitfaden Transportfähigkeit wurde so entwickelt, dass er für ca. 90% der auftretenden Fälle eine klare Definition für die Transport- und Schlachtfähigkeit vorgibt. Damit sind auch gleichzeitig die Aufzucht- und Schlachttiere benannt, bei denen eine Nottötung zu erfolgen hat.

Wir haben aber festgestellt, dass bei vielen Schweinehaltern bezüglich des Nottötens Fragen zum Vorgehen bestehen. Die meisten Unsicherheiten treten dazu auf, wie lange ein Schwein behandelt werden muss bzw. soll und wann der Zeitpunkt gekommen ist, es notzutöten. Die Tierhalter müssen ausschließen, Tiere zu töten, bei denen kein vernünftiger Grund zum Nottöten vorliegt.

Ferner bestehen bei der Rechtsauslegung zur Durchführung von Betäubungs- und Tötungsmethoden Punkte, die nicht eindeutig benannt sind. Die Vorgaben zum Nottöten leiten sich aus der Schlachttierverordnung ab, dabei ist das Nottöten weder eine gewerbliche noch eine private Schlachtung. Es ist das Betäuben und Töten von verletzten Tieren oder Tieren mit einer Krankheit, die große Schmerzen oder Leiden verursacht, wenn es keine andere praktikable Möglichkeit gibt, diese Schmerzen oder Leiden zu lindern. Und das ist immer eine Einzelfallentscheidung.


Dem Leitfaden "Transportfähigkeit" folgt in Kürze der Leitfaden "Nottötung"

Dem Leitfaden "Transportfähigkeit" folgt in Kürze der Leitfaden "Nottötung"

Deshalb ein weiterer Leitfaden?

Ja, diese offenen Fragen und Gedanken haben wir in einer Arbeitsgruppe diskutiert und sind zu dem Schluss gekommen, auch hier einen Leitfaden zu entwickeln, der klare Arbeitsanweisungen zu den Betäubungs- und Tötungsmethoden beinhaltet. Es müssen darin auch kritische Punkte bei der Durchführung benannt und Vorgehensweisen zu deren Vermeidung beschrieben werden. Das Ganze wird jeweils mit Bildern anschaulich gestaltet. Dieser Leitfaden soll noch im Dezember erscheinen.

 

Muss sich in der Aus- und Weiterbildung der Tierhalter und Tierärzte zu dem Thema etwas ändern?

Es geht um den kontinuierlichen Wissenstransfer. Bis jetzt werden Landwirte innerhalb ihrer Ausbildung mit dem Thema Nottöten vertraut gemacht bzw. Tierärzte im Rahmen des Studiums.

Wichtig ist aber, den aktuellen Stand der Methoden zur Betäubung und Tötung zu vermitteln und deren Umsetzung regelmäßig in den Betrieben zu begleiten. Hierbei sind besonders die Hoftierärzte gefragt, die Landwirte zu unterstützen. Darum sind wir auch bei der Erstellung des Leitfadens mit den praktischen Tierärzten im Austausch.

 

Gibt es zur zukünftigen Aus- und Weiterbildung sowie deren Durchführung konkrete Planungen?

Ja, es gibt konkrete Planungen. Wir wollen mit Hilfe des genannten Leitfadens zum Nottöten von Schweinen mittels Arbeitsanweisungen, Bilddokumentationen und Videos die Landwirte schulen. Die Tierärzte werden hier mit eingebunden, weil wir sie als diejenigen sehen, die die Nottötung auf den landwirtschaftlichen Betrieben mitbegleiten. Sie vermitteln dem Landwirt anhand von praktischen Beispielen im Bestand, wann ein vernünftiger Grund vorliegt, ein Tier notzutöten. Zudem ist es wichtig, dass sich die Hoftierärzte die technischen Geräte zeigen lassen, mit denen die Nottötung durch den Landwirt erfolgt. Auch die Durchführung der Nottötung sollten sie sich – falls dies möglich ist – vorführen lassen. Das Ganze sollte regelmäßig erfolgen, zum Beispiel analog zur Bestandsbetreuung nach Schweinehaltungshygiene - also alle 6 Monate.

 

Noch eine Frage zu den Nottötungsverfahren: Reichen die derzeitigen Methoden oder sehen Sie Entwicklungsbedarf?

Theoretisch reichen die derzeitigen Verfahren zwar aus, Nottötungen durchzuführen. Es hapert aber oftmals an der Praktikabilität und an Alternativen für die Schweinehalter. Beispielsweise wäre es wünschenswert, auch die elektrische Betäubung und Tötung von Saugferkeln bzw. Ferkeln bis 5 kg Körpergewicht zur Praxisreife zu bringen. Auch bei anderen Verfahren besteht Forschungsbedarf, um für alle Schweinehalter eine gute und praktikable Lösung anbieten zu können.


Lesen Sie auch: Handkungsbedarf - Studie sieht Hinweise auf Tierschutzdefizite bei der Nottötung

Hier können Sie den "Leitfaden zur Transportfähigkeit von Mastschweinen" herunterladen

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