29.03.2022rss_feed

Schulze fordert Reduktion der Tierhaltung – ISN: Mit pauschalen Stammtischparolen

Weniger Fleisch essen und Tierbestände abbauen - das fordern Entwicklungsministerin Svenja Schulze und die Umweltorganisation Greenpeace. ©BPA/Steffen Kugler, Greenpeace, ZDF, Canva

Weniger Fleisch essen und Tierbestände abbauen - das fordern Entwicklungsministerin Svenja Schulze und die Umweltorganisation Greenpeace. ©BPA/Steffen Kugler, Greenpeace, ZDF, Canva

Nach Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) rät nun auch Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) zum geringeren Fleischkonsum und rechnet vor, damit den Hunger in der Welt zu verhindern. Im Chor mit der Umweltorganisation Greenpeace fordert sie die Reduktion der Tierhaltung in Europa, um die ausfallende Getreideerzeugung in der Ukraine zu ersetzen.

ISN: Pauschale Stammtischparolen bringen keine Lösungen. Im Gegenteil diese ideologisch geprägte Politik gegen die Tierhaltung ist kontraproduktiv. Man sollte sich besser darauf konzentrieren, die verfügbaren Effizienzpotenziale gemeinsam zu nutzen, statt immer weiter zu extensivieren – im Ackerbau, in der Tierhaltung und auch bei der Energiegewinnung.

 

Nachdem vor gut einer Woche bereits Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir mit dem einer Stammtischparole vergleichbaren Satz Weniger Fleisch zu essen wäre ein Beitrag gegen Herrn Putin im Magazin Der Spiegel für Aufmerksamkeit sorgte, folgte ihm nun seine Kabinettskollegin Svenja Schulze (SPD).

So forderte die Entwicklungshilfeministerin nun die Verbraucherinnen und Verbraucher ebenfalls auf, weniger Fleisch zu essen. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) begründete die Ministerin ihren Appell damit, dass 60 Prozent des weltweit produzierten Maises an Tiere verfüttert werde, in der EU sei es bei Weizen ähnlich. Es würde der Getreideversorgung in Entwicklungs- und Schwellenländern mittel- und langfristig sehr helfen, wenn wir in den reichen Ländern weniger tierische Produkte essen würden, zitiert das RND die Ministerin. Wenn wir in Deutschland die Schweinefleischproduktion um 30 Prozent reduzieren würden, wäre eine Ackerfläche von einer Million Hektar frei – etwa ein Zehntel der Ackerfläche in Deutschland. Darauf könnte man fünf Millionen Tonnen Getreide anbauen. Längerfristig würde sich so weltweit die Versorgungslage verbessern. Rund ein Viertel der weltweiten Weizen- und Maisexporte kommen aus Russland und der Ukraine. Seit Kriegsbeginn in der Ukraine sind insbesondere die Weizenpreise stark gestiegen. Zudem könnten als Folge des Ukraine-Krieges Versorgungsengpässe drohen. Getreide gehört zuallererst auf den Tisch – und zwar ohne den Umweg über den Futtertrog, so die Forderung Schulzes.

Greenpeace fordert Reduktion der Tierhaltung in Europa

In die gleiche Kerbe schlägt die Umweltorganisation Greenpeace. Nach einem Bericht des ZDF forderte der Greenpeace-Experte für Landwirtschaft, Martin Hofstetter, gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe, dass deutlich weniger Getreide als Tierfutter, sondern als Nahrungsmittel verwendet werden solle. Zudem könnte Europa laut Greenpeace die ausfallenden Getreideexporte aus der Ukraine bereits in diesem Jahr vollständig ersetzen, wenn Getreide mehr als Nahrungsmittel statt als Tierfutter verwendet würde. Wenn wir in Europa zehn Prozent weniger Tiere hätten, stünde uns automatisch so viel Weizen zur Verfügung, dass wir die gesamten Getreide-Exportausfälle der Ukraine ersetzen könnten, wird Hofstetter zitiert. Die EU produziere 160 Millionen Tonnen Getreide, die als Futtermittel eingesetzt würden. 10 Prozent davon sind 16 Millionen Tonnen - genau so viel Getreide exportiert die Ukraine derzeit in die Welt.


Die ISN meint:

Der Entwicklungsministerin scheint wohl jedes Mittel Recht, um die Nutztierhaltung in Deutschland in Misskredit zu bringen und ihr Steine in den Weg zu legen. Schon in der vergangenen Legislaturperiode hat sie den Eindruck erweckt, alles dafür zu tun, um die Tierhaltung zurückzudrängen und jegliche Entwicklungsperspektiven für Schweinehalter zunichte zu machen. Dass nun Ministerin Schulze und Greenpeace mal wieder quasi im Chor singen, verwundert uns nicht, so ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack. Dabei ist die nun in den Vordergrund gestellte Diskussion um Teller oder Trog viel zu kurz gesprungen. Denn das Thema ist weitaus komplexer. Die Annahme, dass das, was an Getreide im Trog der Schweine landet, auch direkt auf dem Teller landen würde, ist falsch, erklärt Staack. In der Regel handelt es sich hierbei entweder um Nebenerzeugnisse, die für die menschliche Ernährung nicht geeignet sind, um reines Futtergetreide (z.B. Gerste und Triticale) oder wie beim Weizen um speziell auf die Fütterung ausgerichtete Getreidesorten, die zwar im Anbau einen höheren Ernteertrag, aber nicht die entsprechenden Backqualitäten und Inhaltsstoffe mit sich bringen. Aufgrund unterschiedlicher Bodenqualitäten und Witterungsbedingungen funktioniert es auch gar nicht auf allen Standorten, wo derzeit Futter angebaut wird, qualitativ hochwertigere Brotgetreide zu erzeugen.

Staack ergänzt: War es nicht die ehemalige Umweltministerin Schulze, welche durch eine neue Düngegesetzgebung und damit verbundenen Einschränkungen bei der Düngung, den Anbau von Brotgetreide deutlich erschwert hat? Es bräuchte für den Brotgetreideanbau nämlich unter anderem bei der Düngung einen deutlich größerer Spielraum – aber das ist politisch nicht gewollt und wird wohlwissend verschwiegen. Und einen weiteren Aspekt spricht Staack an: Die Bedeutung der Tierhaltung für den Pflanzenbau. Tierhaltung ist ein wichtiger Teil der Kreislaufwirtschaft. In Zeiten, da Energie knapp und teuer ist, sollten wir froh sein, dass wir mit den Wirtschaftsdüngern aus der Tierhaltung einen größeren Teil der Mineraldünger, die mit sehr hohem Energieaufwand hergestellt werden müssen, ersetzen können.


Seit 2013 hat die Anzahl der gehaltenen Sauen in Deutschland deutlich abgenommen, im Gegensatz dazu baut Spanien in gleichem Maß seinen Sauenbestand weiter aus.

Seit 2013 hat die Anzahl der gehaltenen Sauen in Deutschland deutlich abgenommen, im Gegensatz dazu baut Spanien in gleichem Maß seinen Sauenbestand weiter aus.

Abgesehen davon darf in der Diskussion um den Abbau von Tierbeständen nicht unter den Tisch fallen, dass die Reduktion des Schweinebestandes in Deutschland längst massiv an Fahrt aufgenommen hat – allein im vergangenen Jahr um 10 Prozent! Inzwischen werden in Deutschland so wenig Schweine gehalten, wie seit 25 Jahren nicht mehr. Auf der anderen Seite wurde die Schweinehaltung in Spanien um eine ähnliche Größenordnung aufgebaut – Es erfolgt also eine Verlagerung der Schweinehaltung ins Ausland. Ohne Frage sind die Kriegssituation und deren Folgen äußerst bedrückend. Natürlich muss alles dafür getan werden, um die Auswirkungen der russischen Invasion in der Ukraine abzufangen. Aber mit solchen pauschalen Stammtischparolen, wie sie nun wieder formuliert wurden, wird das nicht gelingen. Im Gegenteil diese ideologisch geprägte Politik gegen die Tierhaltung ist kontraproduktiv. Statt die Tierhaltung unter Beschuss zu nehmen, sollte man sich besser darauf konzentrieren, die verfügbaren Effizienzpotenziale gemeinsam zu nutzen, statt immer weiter zu extensivieren – im Ackerbau, in der Tierhaltung und auch bei der Energiegewinnung,, fordert Staack.


Fleischverzicht gegen Putin? – ISN: Nicht mehr als eine Stammtischparole

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