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Koalitionsvertrag in Niedersachsen: Was kommt auf die Schweinehaltung zu?

Die neue rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen hat gestern ihren Koalitionsvertrag vorgestellt.

Die neue rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen hat gestern ihren Koalitionsvertrag vorgestellt.

Die zukünftige niedersächsische Landesregierung will sich für Planungssicherheit in der Landwirtschaft einsetzen und dabei im Dialog mit allen Beteiligten gemeinsame Lösungen entwickeln. Schweinehaltern in Niedersachsen soll mit dem Zukunftsprogramm Diversifizierung der Umstieg in andere landwirtschaftliche Bereiche erleichtert werden. Das geht unter anderem aus dem Koalitionsvertrag von SPD und Grünen hervor, den die ISN näher unter die Lupe genommen hat.

ISN: Der rot-grüne Koalitionsvertrag in Niedersachsen ist ein durchaus hoffnungsvoller Start, aber er enthält auch kritische Punkte für die Schweinehaltung, die im gemeinsamen Dialog angegangen werden müssen – am Ende kommt es auf die Ausgestaltung an.

 

Nur drei Wochen nach der Landtagswahl in Niedersachsen sind die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Bündnis90/ Die Grünen abgeschlossen und der Koalitionsvertrag vorgestellt. Dem müssen die beiden Parteien auf den Parteitagen am Wochenende noch zustimmen. Die designierten Minister sollen dann nächste Woche vereidigt werden.

 

Das steht im Koalitionsvertrag für die Landwirtschaft

Die Koalitionspartner wollen die Themen gemeinsam mit der Landwirtschaft anpacken. Wir werden Landwirtschaftspolitik gemeinsam mit den Landwirtinnen und Landwirten gestalten und dabei für faire Handelsbeziehungen mit dem vor- und nachgelagerten Bereich eintreten. Betont wird der Einsatz für mehr Planungssicherheit, mehr Wertschätzung, eine stabile Einkommenssituation und für effektiven Klimaschutz. Im Dialog mit allen Beteiligten sollen gemeinsame Lösungen entwickelt werden, um die niedersächsische Landwirtschaft zu stärken und zukunftsfest aufzustellen.

 

Umbau der Tierhaltung

Die zukünftige Koalition bekennt sich zu den Zielen der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL), sowie zu den Ansätzen und den Finanzierungsinstrumenten der Borchert-Kommission. Der Umbau der Tierhaltung könne nicht allein von der Landwirtschaft finanziert werden, sondern müsse gesellschaftlich getragen werden. Auf Bundesebene will die neue niedersächsische Landesregierung die planungs- und genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen für den Umbau der Tierhaltung zu tiergerechteren Haltungsformen vorantreiben und sich für wirksame, gut ausgestattete Finanzierungsinstrumente einsetzen.

 

Tierschutz

Der Tierschutzplan Niedersachsen soll evaluiert und weiterentwickelt sowie die Umsetzung der im Tierschutzbereich getroffenen Regelungen, die unter anderem das Kupieren der Ringelschwänze betreffen, vorangetrieben werden. Die Fachaufsicht über die Veterinärämter soll im Ministerium gestärkt werden. Die Überführung des Tierschutzstrafrechts in das Strafgesetzbuch wird unterstützt sowie eine Novellierung des bestehenden Tierschutzgesetzes.

 

Tiertransporte

In Sachen Tiertransporte gibt es eine klare Aussage. Hier sollen strengere Voraussetzungen geschaffen und stärkere Kontrollen durchgesetzt werden. Es soll das Ziel verfolgt werden, dezentrale Schlachtkapazitäten zu schaffen, diese aufrechtzuerhalten und in Bezug auf eine tierschutzkonforme Schlachtung nachzubessern. Wir streben an, dass die Schlachtstätten für alle Tiere aus Niedersachsen innerhalb einer maximalen Transportdauer von vier Stunden zu erreichen sein sollten, und setzen uns für eine bundeseinheitliche Begrenzung von Tiertransporten auf vier Stunden ein, lautet es im Koalitionsvertrag.

 

Antibiotikaeinsatz

Weiter fortgeführt werden soll die Umsetzung der Antibiotika-Reduzierungsstrategie. Die designierte Koalition will sich beim Bund dafür einsetzen, dass Reserveantibiotika für die Humanmedizin einheitlich definiert werden und diese Stoffe der Humanmedizin vorbehalten bleiben. Wirksame Sanktionen bei Verstößen gegen eine solche Regelung werden angestrebt, bis dahin soll die Abgabe anzeigepflichtig werden. Darüber hinaus sollen Kontrolle und Beratung zum Einsatz von Antibiotika wieder beim LAVES angesiedelt werden.

 

Stallbrände

Eingeführt werden soll eine zentrale Statistik zu Stallbränden und deren Ursachen und Auswirkungen. Wir werden den vorbeugenden baulichen, anlagentechnischen und organisatorischen Brandschutz für den Neubau, die Nutzungsänderung oder Erweiterung von Tierhaltungsanlagen rechtlich verbessern, so die Koalitionspartner.

 

Schweinehaltung im Blick

Laut Koalitionsvertrag soll in Niedersachsen konkret für die Schweinehalter ein Zukunftsprogramm Diversifizierung zur Förderung der Reduzierung der Tierbestände und des tiergerechten Stallumbaus finanziert werden, um veränderungsbereiten Betrieben eine Möglichkeit zum Einstieg in andere landwirtschaftliche Bereiche zu ermöglichen. Weiter heißt es, dass zum Schutz von Anwohnenden und der Umwelt Maßnahmen zur Emissionsminderung aus Ställen unter Berücksichtigung eines verbesserten Tierwohls angestrebt werden. Darüber hinaus sollen bei Stallbauten Maßnahmen für einen besseren Seuchenschutz etabliert und gefördert sowie eine Steuerung gemeinsam mit der Tierseuchenkasse erarbeitet werden.

 

Die ISN meint:

Wie erwartet sind die Themen, die zur Tierhaltung beschrieben werden, nicht neu und es gibt wenig überraschendes. Und trotzdem liest sich der Koalitionsvertrag aus Niedersachsen komplett anders, als der der Berliner Ampelregierung. Obwohl es unter dem Strich an vielen Stellen um die gleichen Themenkomplexe wie auf Bundesebene geht, fallen die beiden Papiere in Bezug auf die Weiterentwicklung der Tierhaltung grundverschieden aus. Während man in Berlin fast ausschließlich auf die ordnungsrechtliche Keule setzt, wird in Niedersachsen ausdrücklich der Dialog mit der Wirtschaft betont. Damit ist längst nicht alles gut, aber der Ton macht eben die Musik. Insofern stimmt es uns durchaus zuversichtlich, dass es in Niedersachsen mit der Weiterentwicklung der Tierhaltung und der Schaffung von Planungssicherheit für die Tierhalter endlich vorangehen kann. Der angekündigte Politikstil klingt vielversprechender als in Berlin, wo Entscheidungen komplett über die Köpfe der Landwirte hinweg getroffen werden, resümiert ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack.

Natürlich werden wir auch mit der neuen Landesregierung mit Sicherheit um jede Lösung hart ringen müssen. Das wird ohne Frage kein Zuckerschlecken und teilweise dürften die Positionen da sehr weit auseinanderliegen! so Staack weiter. So dürfen die designierte Koalitionäre zum Beispiel bei den geplanten Verschärfungen der Auflagen für Tiertransporte nicht aus dem Blick verlieren, dass Transporte von Schlachtschweinen und Ferkeln in der Praxis auch zukünftig noch möglich sein müssen. Schweinehalter in marktfernen Regionen dürfen nicht vom Marktgeschehen und jeglichen Handelsmöglichkeiten abgehängt werden. Weiterhin stehen Aussagen im Koalitionsvertrag zur Emissionsminderung bei gleichzeitiger Verbesserung des Tierwohls im deutlichen Widerspruch zueinander. Mit Bezug auf die Schweinehaltung sind die zu bohrenden Bretter wohl noch nie dicker gewesen, so Staack. Wie bei jeder Bewertung einer neu antretenden Landesregierung bleibt zunächst die Schlussfolgerung: Nicht an den Worten, sondern an den Taten wird man sie messen. Insofern werden wir sehen, wie die Arbeit anlaufen wird. Die erste Tat, die Hand auszustrecken, passt aber in jedem Fall schonmal!


SPD und Grüne stellen Koalitionsvertrag in Niedersachsen vor

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