Inforeihe Biosicherheit Teil 9 - Futtermittellieferungen
Tierseuchen, wie ASP und MKS, hängen wie ein Damoklesschwert über den Schweine haltenden Betrieben in Deutschland und Europa. Diese sehen sich einem großen Risiko einer möglichen Einschleppung von Tierseuchen ausgesetzt bzw. von Restriktionen im Rahmen der Seuchenbekämpfung getroffen zu werden. Biosicherheit und die Minimierung von betrieblichen Kontakten ist hierbei ein zentrales Thema. Die meisten Betriebe sind jedoch auf regelmäßige Futtermittelieferungen angewiesen.
Wir haben den Sprecher der Geschäftsführung des Deutschen Verbandes Tiernahrung e.V. (DVT), Herrn Dr. Hermann-Josef Baaken, gefragt, wie sich die Futtermittelindustrie auf diese Gefahrenlage vorbereitet hat und was von Seiten der Schweine haltenden Betriebe unbedingt beachtet werden soll.
Herr Baaken, bei der Auslieferung des Futters entstehen unausweichlich Betriebskontakte. Welche Vorsichtsmaßnahmen treffen die Futtermittelfirmen, um das Risiko einer Seuchenübertragung bei der Futtermittellieferung zu minimieren?
Die Futtermittelfirmen sind sich ihrer Verantwortung bewusst. Wir haben in einem Leitfaden auf die Wichtigkeit von Hygienemaßnahmen hingewiesen und gehen auch von der Einhaltung dieser Maßnahmen aus. Dies betrifft nicht nur Unternehmen, die direkt in der Viehhaltung involviert sind, sondern beispielsweise auch den Zulieferer- und Werkstattverkehr. Wir empfehlen allen unseren betroffenen Mitgliedsunternehmen die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen, sich entsprechend mit Desinfektionsmitteln, Schutzkleidungen etc. auszustatten und die jeweiligen Biosicherheitskonzepte für Schweine- und Rinderhaltung möglichst einzuhalten und diese auch weiterzuempfehlen. Für das Land Niedersachsen gibt es zudem aktuelle Biosicherheitsleitfäden.
Folgende Empfehlungen sind uns wichtig einzuhalten, soweit dies möglich ist:
- Physische Treffen in Online-Treffen umwandeln
- Sauberes Fahrzeug und Desinfektion der Räder/Radkästen/Trittbretter nach jedem Besuch
- Bei einem geschlossenen Tor dieses nach dem Verlassen wieder schließen
- Rückläufe (Bulkware und Stückware) nur nach Rücksprache mit der Qualitätsabteilung für eine Risikobewertung
Wie bereiten sich die Unternehmen in Friedenszeiten
auf mögliche Tierseuchen-Situationen vor?
Es gilt ganz klar: Die Biosicherheitsmaßnahmen sollte man immer einhalten, nicht erst, wenn die Gefahr konkret droht. Wenn aber die Situation soweit kommt wie sie jetzt in den vergangenen Monaten drohte, dann werden zusätzlich auch Flyer zu Tierseuchen zur Veröffentlichung oder zum Aushängen verteilt.
Allerdings haben sich die Futtermittelbetriebe ohnehin – auch auf der Basis der gesetzlichen Vorgaben – grundsätzlich zu allgemeinen Hygienemaßnahmen gemäß HACCP verpflichtet. Es gilt beim Mischfutter der Grundsatz: Safety first!
. Die Sensibilität ist groß und niemand hat – schon aus wirtschaftlichen Gründen – ein Interesse, Tierseuchen zu verschleppen.
Wir sind auch mit unserem Verband als Vertreter der Futtermittelindustrie stets im engen Austausch mit Behörden und wissenschaftlichen Institutionen, um neue Erkenntnisse zu identifizieren, in die Praxis umzusetzen und die Firmen selbst und die Landwirtschaft dabei zu unterstützen, die Risiken zu minimieren.
Welche behördlichen Auflagen kommen bei der Auslieferung hinzu, wenn die Betriebe z.B. in einer ASP-Sperrzone liegen?
Die Auflagen betreffen ja vor allem die schweinehaltenden Betriebe, die Viehtransporte, die Jägerschaft, freizeitliche Waldbesuche, aber es kommt auch zu Beschränkungen für den Handel mit Schweinen und Produkten aus Schweinefleisch sowie Schlachtungen, wenn entsprechende Sperrzonen festgelegt werden. Für die Futtermittellieferung entstehen dann als Folge entsprechende Einschränkungen für die Belieferung.
Allerdings sind basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen von den Landesministerien in Abstimmung mit verschiedenen Bundesbehörden Einschränkungen für die Nutzung verschiedener Grundfutterarten die Folge. Sie können leider länderspezifisch ganz unterschiedlich sein. So ist vielfach die Verwendung jeglichen Ernteguts (Stroh, Heu und Getreide) und daraus gewonnener Produkte aus der infizierten Zone, einschließlich der Kernzone, in Schweinehaltungsbetrieben ausgeschlossen, es sei denn, diese werden im Fall Stroh, Gras und Heu für mindestens 6 Monate und im Fall Getreide und sonstigem Erntegut mindestens 30 Tage vor der Verwendung für Wildschweine unzugänglich gelagert oder einer Hitzebehandlung für mindestens 30 Minuten bei 70°C unterzogen. Mischfutterbetriebe sind aber überwiegend nicht in Futterlieferungen von Stroh, Gras und Heu involviert. Hier ist der Landwirt selbst zur Sorgfalt gefordert. Aus unserer Sicht ist dieser Ausschluss jedoch kritisch zu sehen, weil es mittlerweile neue wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, dass eine solche Gefahr nicht besteht. Die Ergebnisse wurden aber noch nicht von den Behörden aufgenommen.
Denn nach einer aktuelleren EFSA-Bewertung (das ist die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) aus dem Jahre 2024 wird das Risiko der Übertragung von ASP durch Futter wesentlich geringer einschätzt. Die empfohlenen 30 Tage der europäischen ASP-Leitlinie sind als konservativer Ansatz mit einer Sicherheitsspanne zu werten.
Insgesamt zeigt das von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit generierte internationale Forschungsprojekt, dass eine Verbreitung von ASP-Viren über Futtermittel nur in besonderen Ausnahmefällen zu erwarten ist. Selbst nach der Zugabe großer Mengen des infektiösen Virus auf verschiedene Futtermittel- und Einstreumaterialien ist nach kurzer Zeit kein infektiöses Virus mehr nachweisbar gewesen. Dieser Passus wurde auch in diverse Allgemeinverfügungen übernommen.
Was müssen die Schweine haltenden Betriebe hinsichtlich des Futtermittelbezugs beachten? Was ist gewünscht und was ist zwingend notwendig?
Die Betriebe sollten in enger Abstimmung mit den Futtermittellieferanten bleiben und die Vorgaben der Behörden, auch zu eigenem Erntegut, wenn es aus Sperrzonen stammt, beachten. Die Beachtung der Biosicherheitsmaßnahmen und diverser Leitfäden ist begründet und unverzichtbar, um die Risiken zu vermindern. Auch wenn es manchmal etwas spitzfindig wirkt, aber aus Eigeninteresse sollte jeder Verständnis für die strenge Auslegung haben. Weil die Futtermittelfirmen ja auch andere Betriebe beliefern, erhöhen sich dadurch die Gefahren der Übertragung, und deshalb ist stets Sorgfalt geboten.
Eine letzte Frage: Für wie groß halten Sie die Gefahr einer Übertragung der ASP über das Futter selbst ein? Wie schließen die Futtermittelunternehmen das aus?
Die Unternehmen müssen beim Roheinkauf bereits sehr sorgfältig auswählen und entsprechend den Vorgaben durch die Behörden bestimmte Ware ausschließen, was hoffentlich selten vorkommt. Die weit größere Gefahr eines Eintrags besteht über eine mögliche Verschleppung innerhalb der schweinehaltenden Betriebe durch Mensch, Material, (lebende) infizierte Tiere, kontaminierte (rohe Schweinefleisch-haltige) Lebensmittel.
Das Risiko der Übertragung durch Futter ist klein. Dies ist das Ergebnis eines internationalen Forschungsprojektes der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), an dem sich auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) beteiligt haben. Die Ergebnisse zeigen: Eine Verbreitung von ASP-Viren über Futtermittel ist nur in besonderen Ausnahmefällen zu erwarten. Selbst nach Zugabe großer Mengen des infektiösen Virus auf verschiedene Futtermittel- und Einstreumaterialien war nach kurzer Zeit kein infektiöses Virus mehr nachweisbar. Lediglich bei kalt gelagerten Futterrüben und Kartoffeln wurde in einigen Proben auch nach längerer Lagerdauer noch infektiöses Virusmaterial gefunden. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass ASP-Viren bei kalten Temperaturen und feuchten Umgebungen besonders stabil sind. Grundsätzlich sind nach Aussage von BfR-Präsident Prof. Dr. Andreas Hensel ASP-Viren nicht auf den Menschen übertragbar. Das sind doch gute Nachrichten!