18.01.2019rss_feed

Nur geringe Aufpreisbereitschaft für Tierwohl-Ware beim Fleischkauf

Die Bereitschaft der Verbraucher für Tierwohlfleisch mehr Geld auszugeben wird überschätzt

Die Bereitschaft der Verbraucher für Tierwohlfleisch mehr Geld auszugeben wird überschätzt

Die Bereitschaft der Verbraucher, für Fleisch von Tieren, die tiergerechter als üblich gehalten worden sind, mehr Geld auszugeben, wird offenbar spürbar überschätzt. Darauf lassen Praxistests im Rahmen einer Studie schließen, die die Hochschule Osnabrück unter Leitung von Prof. Ulrich Enneking durchgeführt hat; unterstützt und finanziell gefördert wurde die Studie von der Initiative Tierwohl (ITW). Demnach sind lediglich 16 % der Einzelhandelskunden tatsächlich bereit, an der Selbstbedienungstheke das teurere Tierwohl-Fleisch anstatt konventionell erzeugte Ware zu kaufen.

 

Laut Hochschulangaben hatten bei den Tests in den Supermärkten die Tierwohl-Siegel nicht durchgängig einen positiven Einfluss auf die Kaufbereitschaft der Verbraucher. Zudem seien lediglich Preisaufschläge von etwa 30 Cent für einen mittelpreisigen Schweinefleischartikel akzeptiert worden, der nach Tierwohlstandards produziert worden sei. Das entspreche einer Preiserhöhung von 9 % bis 13 % je nach Ausgangspreis des Artikels, fasst Agra Europe zusammen.

 

Widersprüchliches Kaufverhalten

Enneking zeigte sich überrascht von den Ergebnissen. Er verwies hierzu auf bisherige Umfragen, denen zufolge die Verbraucher grundsätzlich bereit seien, deutlich mehr Geld für Fleisch auszugeben, wenn es nach höheren Tierwohlstandards produziert worden sei. Wir wissen jetzt, dass die beobachtete Realität beim tatsächlichen Kaufverhalten differenzierter und komplexer ist, erklärte der Hochschullehrer. Die grundsätzliche Bereitschaft, im Test mehr Geld für solches Fleisch auszugeben, sei nur bedingt ausgeprägt. Enneking wies aber auch darauf hin, dass dieses geringe Kaufinteresse dabei im Widerspruch zu den Ergebnissen der parallel durchgeführten Befragung im Kassenbereich stehe. Dort hätten die Kunden angegeben, Tierwohlprodukte zu bevorzugen.

 

Mehr Forschung nötig

Enneking unterstrich die Komplexität der Thematik und widersprach pauschalen Aussagen zu einer grundsätzlichen und immer vorhandenen Aufpreisbereitschaft. Man muss diese sehr differenziert betrachten, da immer zahlreiche Faktoren wie zum Beispiel die Kaufkraft oder das Produkt einen Einfluss auf das Kaufverhalten haben, erläuterte der Wissenschaftler. Er forderte weitere Forschungsanstrengungen, insbesondere unter Einbezug des realen Kaufverhaltens. Nach Ennekings Einschätzung könnte sich die ermittelte Kaufbereitschaft beispielsweise durch die Einführung eines staatlichen Tierwohllabels durchaus positiver entwickeln, sofern es eine hohe Verbraucherbekanntheit und -akzeptanz aufbaue.

 

Die ISN meint:

Worte und Taten laufen spätestens dann auseinander, wenn es ums Geld geht. Das hat diese Studie einmal mehr bestätigt. Die Verbraucher überschätzen ihre wahre Zahlungsbereitschaft für Tierwohlprodukte, wenn sie öffentlich danach gefragt werden. Dass lediglich eine Preiserhöhung von 9% bis 13% akzeptiert worden ist und nur 16% der Einzelhandelskunden in der Hochschulstudie tatsächlich teureres Tierwohl-Fleisch einkaufen, unterstreicht auch unsere immer wieder angebrachte Warnung, bei der Haltungskennzeichnung mit den Kriterien nicht zu überziehen. Denn die Einstiegsstufe muss sowohl für die Schweinehalter machbar sein, als auch – wie jetzt die Studie zeigt – für die Verbraucher. Angebot und Nachfrage müssen zusammen passen, sonst kann sich ein System nicht tragen. Einfach nur höchste Anforderungen setzen und darauf zu hoffen, dass der Verbraucher das dann schon freiwillig bezahlt, funktioniert jedenfalls nicht.


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