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EU-Agrarkommissar: EU-Sonderhilfen für Schweinehalter nicht zu erwarten

EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski ©European Union, 2019

EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski ©European Union, 2019

EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski hat beim derzeitigen EU-Agrarrat Sondermaßnahmen zur Unterstützung der Schweinehalter abgelehnt, wie beispielsweise Beihilfen zur Privaten Lagerhaltung (PLH).

ISN: Mit Unterstützungsmaßnahmen, wie z.B. der Privaten Lagerhaltung, wären auch aus unserer Sicht negative Effekte in puncto Produktion oder auch falsche Marktsignale zu erwarten. Völlig deplatziert ist hingegen die pauschale Aussage des EU-Agrarkommissars, die Landwirte hätten bisher nicht reagiert und die Produktion nicht angepasst. In Bezug auf Spanien unterschreiben wir das sofort, die nackten Zahlen sprechen für sich. Genau diese zeigen für Deutschland aber auch das komplett gegenteilige Bild: Hier ist bereits ein deutlicher Rückgang der Schweinebestände zu verzeichnen. Und nicht nur das: Ein radikaler Strukturbruch steht bevor!

 

Bei der aktuellen Sitzung des EU-Agrarrats in Luxemburg sprach sich EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski heute gegen EU-Sonderhilfen für Schweinehalter aus. Er wies bei dem Treffen in Luxemburg darauf hin, dass mit Unterstützungsmaßnahmen auch negative Effekte, wie eine anhaltende Überproduktion, einhergehen könnten, berichtet Agra Europe (AgE).

 

Hintergrund: Belgien fordert Hilfen

Anlass für die Absage des EU-Agrarkommissars war eine Erklärung Belgiens, die von 18 weiteren Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, Frankreich und Polen unterstützt und in der auf die dramatische Lage auf dem EU-Schweinefleischmarkt hingewiesen wurde.

Der Erklärung zufolge liegen die Preise für Schlachtschweine auf dem niedrigsten Niveau seit rund einem Jahrzehnt. Daher seien Hilfen geboten, erklärte die belgische Delegation bei dem Luxemburger Ministertreffen. Gründe für den Verfall der Preise seien unter anderem die Corona-Krise und der damit einhergehende Einbruch beim Außer-Haus-Verzehr. Auch der Rückgang der Schweinefleischexporte nach China sowie die Afrikanische Schweinepest (ASP) gehörten zu den Hauptfaktoren.

 

Beihilfen verzögern notwendige Marktanpassung

Wojciechowski verwies indes darauf, dass die Landwirte bisher nicht mit einer Verringerung der Schweineproduktion reagiert hätten und das trotz sinkender Preise. Sondermaßnahmen, wie beispielsweise Beihilfen zur Privaten Lagerhaltung (PLH), erforderten nicht nur erhebliche Mittel aus dem EU-Haushalt, sie könnten auch kontraproduktiv sein und falsche Signale an den Markt senden. Der Brüsseler Agrarchef gab außerdem zu bedenken, dass Stützungsmaßnahmen die notwendige Marktanpassung verzögern und die Krise so noch verlängern würden. Er empfehle stattdessen, mit gezielten nationalen und regional passgenauen Beihilfeprogrammen den Schweinefleischsektor zu entlasten.

 

Die ISN meint:

Einerseits hat EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski Recht, dass die Gefahr groß ist, mit Unterstützungsmaßnahmen, wie z.B. der Privaten Lagerhaltung, negative Effekte in Richtung Produktion oder auch falsche Signale an den Markt zu senden.

Entschieden widersprechen müssen wir hingegen der pauschalen Aussage, dass die Landwirte bisher nicht auf die Krise reagiert hätten und die Produktion nicht angepasst hätten. In Deutschland ist dies ausdrücklich nicht der Fall. Hier muss man nur auf die nackten Zahlen schauen, dann sieht man sehr deutlich die bereits in erheblichem Umfang erfolgte Drosselung der Erzeugung – sehr oft verbunden mit dem bitteren Weg vieler Schweinehalter, den Schlüssel ganz umzudrehen. Allein in der bisherigen Corona-Pandemie haben wir über 10 % der Sauenhalter verloren! Dass auch die deutsche Schweinemast deutlich zurückgefahren wurde, zeigt die Zahl der Schweineschlachtungen in Deutschland, welche inzwischen auf dem niedrigsten Stand seit 2007 liegt.


Seit 2013 hat die Anzahl der gehaltenen Sauen in Deutschland deutlich abgenommen, im Gegensatz dazu baut Spanien in gleichem Maß seinen Sauenbestand weiter aus. ©ISN nach Eurostat

Seit 2013 hat die Anzahl der gehaltenen Sauen in Deutschland deutlich abgenommen, im Gegensatz dazu baut Spanien in gleichem Maß seinen Sauenbestand weiter aus. ©ISN nach Eurostat

Wie unterschiedlich allerdings die Lage in der EU ist, wird deutlich, wenn man nach Spanien blickt. Die Spanier haben seit 2013 in annähernd gleichem Umfang die Zahl der Sauen aufgestockt, wie die Sauenzahlen in Deutschland abgestockt wurden.

Vollkommen richtig ist es daher, dass die Schweinehalter mit nationalen Hilfspaketen unterstützt werden müssen. Hier sind aus unserer Sicht die einzelnen Staaten gefordert, um den Betrieben mit kurzfristigen Maßnahmen zu helfen, die Krise zu überstehen. Die Überbrückungshilfe III hierzulande ist sicher ein gutes Instrument, muss aber deutlich ausgeweitet werden.

Gleichzeitig muss mittelfristig endlich für Planungs­sicherheit und Perspektive für die Schweinehalter gesorgt werden, um dem Strukturbruch entgegenzuwirken - zum Beispiel mit einer differenzierten Zukunftsprämie, mit der vorrangig die zukünftig weiter aktiven Schweinehalter finanziell unterstützt werden.

Die Ergebnisse unserer Umfrage zur Zukunft der Schweinehaltung in Deutschland haben gezeigt, dass angesichts einer Vielzahl von Auflagen und mangelnden Perspektiven ohnehin schon ein massiver Ausstieg vieler Betriebe aus der Schweinehaltung in den kommenden Jahren droht.


ISN-Umfrage zur Zukunft der Schweinehaltung: Überforderung der Betriebe - Ausstiegswelle zeichnet sich ab - Strukturbruch wird konkret

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