31.03.2022rss_feed

Bericht zur niedersächsischen Nutztierhaltung macht historischen Strukturbruch in der Schweinehaltung deutlich

Bericht zur niedersächsischen Nutztierhaltung 2021 ©ML Niedersachsen

Bericht zur niedersächsischen Nutztierhaltung 2021 ©ML Niedersachsen

Die Situation der Schweinehaltung ist desaströs. Welche Entwicklungen gibt es und wie könnten Wege und Lösungen für eine zukunftsfähige Nutztierhaltung aussehen? Antworten auf diese Fragen stehen im Mittelpunkt des ersten Berichtes zur niedersächsischen Nutztierhaltung, der gestern in Hannover vorgestellt wurde. Zentraler Punkt: Seit 2010 findet ein deutlicher Abbau der Tierbestände statt. Allein im letzten Jahr gaben 10 % der Schweinehalter ihren Betrieb auf. Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast forderte die Bundesregierung auf, endlich zu handeln und den Tierhaltern eine Perspektive zu bieten.
ISN: Die Zahl der schweinehaltenden Betriebe, die allein im vergangenen Jahr ausgestiegen sind, zeigt den dramatischen Strukturbruch und macht deutlich, dass Versorgungssicherheit auch hierzulande keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Neben der Tatsache, dass die aktuellen Schweinepreise nach wie vor nicht reichen, ist nun auch besonderes Augenmaß im Bund und den Bundesländern gefragt. Am Ende braucht es machbare und finanziell auskömmliche Lösungen für Tierhalter – und dabei müssen Bund und Länder an einem Strang ziehen.

 

Niedersachsens Tierhaltung befindet sich im Umbruch. Das sagte Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast heute bei der Vorstellung des ersten Berichts zur niedersächsischen Nutztierhaltung in Hannover. Im Bericht werden die bisherigen Entwicklungen der niedersächsischen Nutztierhaltung dargestellt, die mit einem Produktionswert von 7,4 Mrd. Euro eine große wirtschaftliche Bedeutung für das Bundesland hat. Gleichzeitig soll das große Spannungsfeld gezeigt werden, in dem sich die Tierhaltung heute bewegt – geringere Erzeugerpreise und globalisierte Märkte auf der einen Seite, Erwartungen der Verbraucher nach mehr Tierschutz und mehr Klimaschutz auf der anderen – und der Frage nachgegangen werden, wo die Politik gefordert ist und an welchen Stellschrauben sie drehen könnte. Künftig soll der niedersächsische Bericht zur Nutztierhaltung alle vier Jahre erstellt werden – immer dann, wenn mit den statistisch erfassten Ergebnissen der Landwirtschaftszählung in Niedersachsen neue Zahlen vorliegen.

 

Tierbestände deutlich abgebaut

Konkret bestätigt der Bericht für Niedersachsen die bundesweiten Viehzählungsergebnisse. Seit 2010 findet ein deutlicher Abbau der Tierbestände statt – und zwar nicht nur bei den Haltungen an sich, sondern auch bei den Tierzahlen. In Niedersachsen gaben allein im letzten Jahr etwa 500 Betriebe die Schweinehaltung auf, das entspricht einem Rückgang von fast 10 %. Ähnlich stark war die Reduktion der Tierzahlen. Hier wurden im Vorjahresvergleich etwa 0,78 Mio. bzw. rund 9 % weniger Schweine gehalten. Seit 2010 zeichnet sich der aktuelle Trend bereits ab; im Vergleich zu 2020 hat sich die Anzahl der schweinehaltenden Betriebe nahezu halbiert: von 10.990 Betriebe (2010) auf 6.203 (2020). Insgesamt hielten die Betriebe im Vergleich 2016 zu 2020 345.393 Schweine weniger; im gleichen Zeitraum gaben 1.273 Betriebe die Schweinehaltung auf.

Otte-Kinast erklärte, dass diese Entwicklung einem historischen Bruch gleichkomme. Viele Betriebe würden sich inzwischen zunehmend nur aus der Tierhaltung verabschieden und nicht mehr wie bisher grundsätzlich aus der Landwirtschaft. Die Nutztierhaltung befindet sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess, der gesteuert werden muss – in Richtung einer zukunftsfähigen Nutzierhaltung, die Ökonomie, Ökologie, Tierwohl und Soziales vereint, so die Ministerin und betonte, dass Tierwohl mehr Geld koste – Geld, das nicht über die Ladenkasse bei den Landwirtinnen und Landwirten ankomme.

 


Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast forderte bei der Pressekonferenz am Mittwoch den Bund zum Handeln auf ©Screenshot PK ML Niedersachsen, 30.03.22

Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast forderte bei der Pressekonferenz am Mittwoch den Bund zum Handeln auf ©Screenshot PK ML Niedersachsen, 30.03.22

Otte-Kinast fordert mehr Unterstützung aus Berlin

Das Landwirtschaftsministerium in Niedersachsen habe bereits diverse Initiativen auf den Weg gebracht, vermisse allerdings bei den enormen Herausforderungen die Unterstützung aus Berlin, betonte Otte-Kinast. Für die Umsetzung der nötigen Tierwohlmaßnahmen sind im Bundeshaushalt nur eine Milliarde Euro bis 2026 vorgesehen. Das ist viel zu wenig, um vernünftig in das Tierwohl zu investieren. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und der Bund sollten ihr Stillschweigen jetzt aufgeben und den Borchert-Plan endlich umsetzen, lautete der deutlich Appell der Ministerin während der Pressekonferenz. Diese Forderung vertrete Niedersachsen auch bei der heute beginnenden Agrarministerkonferenz mit einem eigenen Antrag. Denn, so bekräftigte Otte-Kinast: Wenn in diesem Jahr keine Zeichen aus Berlin kommen, wie es mit der Tierhaltung weitergeht, werden wir viele Tierhalter in Niedersachsen verlieren.

 

Die ISN meint:

Der erste niedersächsische Bericht zur Nutztierhaltung spiegelt die desaströse Situation, in der sich Tierhaltung und insbesondere die Schweinehaltung in Niedersachsen befindet, wider. Ministerin Barbara Otte-Kinast spricht mit Bezug auf die Schweinehaltung richtigerweise von einem historischer Bruch. Denn dass 10 % der niedersächsischen Schweinehalter im vergangenen Jahr in Niedersachsen diesen Betriebszweig aufgeben haben ist dramatisch und beispiellos und ist ein Ausdruck der katastrophal schlechten Lage, in der sich die Schweinehaltung befindet. Die Stimmung ist auf dem Tiefpunkt. Auch wenn die Schweinepreise zuletzt deutlich angezogen sind, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schweinehaltung durch parallel geradezu explodierender Kosten u.a. für das Futter immer noch weit in der Verlustzone liegt. Während also weiter Betriebe aussteigen, sollte inzwischen jedem klar sein, dass die Versorgungssicherheit keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Hier ist also besonderes Augenmaß der Politik im Bund und den Ländern gefragt, um diese Entwicklung nicht noch zusätzlich zu befeuern. Auch wenn die Betriebsentwicklung für die meisten Schweinehalter in der aktuellen finanziellen Notsituation kaum vorstellbar ist, müssen sich schweinehaltende Betriebe, die das wollen, weiterentwickeln können und dürfen. Vor diesem Hintergrund sind die Forderungen der niedersächsischen Landwirtschaftsministerin in Richtung Berlin, den Borchert-Plan endlich umzusetzen, dies stärker finanziell zu unterstützen und dabei nicht nur auf eine Finanzierung der Mehrkosten über die Ladentheke zu setzen absolut richtig. Eine Nutztierstrategie darf, wie man zuweilen den Eindruck durch Äußerungen aus der Bundesregierung gewinnen kann, nicht nur aus Bestandsabbau bestehen. Aber nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die Bundesländer stehen in ihrer Verantwortung jeglichen Spielraum zu nutzen, um die Betriebe zu unterstützen und um Entwicklung in den Betrieben zu ermöglichen – das gilt ganz besonders auch für das Agrarland Nummer 1. Am Ende braucht es machbare und finanziell auskömmliche Lösungen für Tierhalter – und dabei müssen Bund und Länder an einem Strang ziehen.


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