Antibiotikaeinsatz: Kabinett beschließt Änderung des Tierarzneimittelgesetzes
Das Bundeskabinett hat eine Gesetzesänderung der Tierarzneimittelgesetz beschlossen. Die Änderung implementiert die Aktualisierung und Erweiterung des nationalen Antibiotika-Minimierungskonzepts und regelt die Datenerfassung zur Antibiotikaverwendung bei Nutztieren ab 2023 neu.
ISN: Die nun zügig durchgewunkenen Änderungen des Tierarzneimittelgesetzes lassen Bürokratiealarm schrillen. Schweinehalter haben zusammen mit ihren Hoftierärzten längst eine beeindruckende Minimierung des Antibiotikaeinsatzes erreicht. Die Luft für eine weitere Minimierung wird zunehmend dünner – weitere Reduktionsziele dürfen nicht zu Lasten des Tierschutzes gehen.
Antibiotikaverwendung besser erfassen
Eine weitere Verringerung des Einsatzes von Antibiotika in der landwirtschaftlichen Tierhaltung hat sich die Bundesregierung auf ihre Fahnen geschrieben. Wie das Bundeslandwirtschaftsministerium mitteilte, hat das Bundeskabinett dazu gestern einen Gesetzentwurf zur Änderung des Tierarzneimittelgesetzes beschlossen. Im Wesentlichen wird damit die Aktualisierung und Erweiterung des nationalen Antibiotika-Minimierungskonzepts implementiert, um den wirkstoff- und anwendungsbezogenen Einsatz von Antibiotika in landwirtschaftlichen Betrieben besser zu erfassen und dauerhaft zu senken, berichtet Agra Europe (AgE).
Antibiotika-Minimierungskonzept auch für säugende Sauen
Wie das Berliner Agrarressort erläuterte, soll das derzeit ausschließlich für den Bereich der Tiermast geltende Minimierungskonzept künftig auch um Betriebe mit Milchkühen, Jung- und Legehennen, Sauen mit Saugferkeln sowie mit Kälbern, die im Haltungsbetrieb geboren sind, erweitert werden. Die Verwendung von Antibiotika soll bei allen Betrieben mit diesen Nutzungsarten erfasst und systematisch reduziert werden, wobei die Vorschriften zur Antibiotika-Minimierung gelten.
Kritische Antibiotika erhalten Gewichtungsfaktor
Zudem werden dem Gesetzentwurf zufolge die zuständigen Überwachungsbehörden gestärkt. Neu ist, dass die Behörden vor Ort künftig gesetzlich verpflichtet sind, Anordnungen und Maßnahmen zu treffen, wenn dies zur Verringerung des Antibiotikaeinsatzes in einem tierhaltenden Betrieb erforderlich ist. Für Colistin, Fluorchinolone und Cephalosporine der dritten und vierten Generation wird außerdem ein Gewichtungsfaktor in das Antibiotika-Minimierungskonzept aufgenommen. Für Tierärzte und Tierhalter soll damit ein Signal gesetzt werden, die Anwendung dieser Antibiotika mit kritischer Bedeutung für die Humanmedizin auf das unvermeidbare Minimum zu reduzieren.
Zudem werden laut Ministerium Regelungen zur Durchführung von EU-Recht erlassen, wie der EU-Tierarzneimittelverordnung. Demnach müssen die Mitgliedstaaten ab 2024 jährlich umfassende Daten zur Anwendung von Antibiotika bei Tieren an die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) übermitteln.
Die ISN meint:
Die nun zügig durchgewunkenen Änderungen des Tierarzneimittelgesetzes lassen den Bürokratiealarm schrillen. Außerdem entsteht durch die Gesetzesänderung und dessen Ziele der Eindruck, dass Tierhalter bzw. Tierärzte flächendeckend viel Antibiotika einsetzen. Tatsächlich konnte der Antibiotikaeinsatz in den letzten Jahren mithilfe komplexer Hygiene- und Tiergesundheitskonzepte in der Nutztierhaltung auf ein sehr niedriges Level reduziert werden. Verschiedene Monitoring-Programme belegen vor allem in der deutschen Schweinehaltung, dass die eingesetzten Antibiotikamengen in den vergangenen Jahren bereits auf ein Minimum massiv reduziert wurden. Ein beeindruckender Erfolg der Schweinehalter und ihrer Hoftierärzte. Diese verschiedenen Punkte hatten wir auch in unseren Stellungnahmen zu den Änderungsentwürfen gegenüber dem Bundeslandwirtschaftsministeriums sehr nachdrücklich dargelegt .
Natürlich muss es weiterhin Ziel sein, den Einsatz zu reduzieren, allerdings wird die Luft für eine weitere Minimierung zunehmend dünner, denn die Anwendung hat sich auf einem Niveau eingependelt, das dem therapeutisch erforderlichen Minimum entsprechen dürfte. Weitere Reduktionsziele, die zu Lasten des Tierschutzes gehen könnten, sind nicht akzeptabel.