27.09.2019rss_feed
Die Abluft gelangt durch eine Wurzelholzschüttung ins Freie.

Die Abluft gelangt durch eine Wurzelholzschüttung ins Freie.

Abluftreinigung: Die meisten Systeme arbeiten wie eine Waschmaschine

Emissionsarme Geflügel- und Schweinehaltung: Abluftwäscher gehen Ammoniak, Gerüchen und Staub an den Kragen

Die Geflügel- und Schweinehaltung sind wichtiger Bestandteil der Nutztierhaltung in Deutschland. 147 Mio. Tiere leben in Deutschlands Geflügelställen, während sich die Anzahl der Schweine auf knapp 27 Mio. beläuft. Da die Tierbestände in einigen Regionen Deutschlands ein hohes Niveau erreicht haben, sind Landwirte besonders an hoch belasteten Standorten gehalten, die Emissionen zu senken. Als fester Bestandteil einer weitgehenden und sicheren Emissionsminderung hat sich die Abluftreinigung etabliert.


Seit vielen Jahren begleitet Big Dutchman den Trend zur emissionsarmen Tierhaltung mit eigenen Abluftreinigungsystemen. Dazu zählt auch die 2016 erfolgte Übernahme des niederländischen Unternehmens Inno+, eines führenden Anbieters von Abluftreinigungs- und Wärmerückgewinnungssystemen. Wir haben unser technisches Know-how gebündelt, um noch intensiver an praxistauglichen Lösungen zu arbeiten, erläutert Roland Tapken, Big Dutchman-Experte für Abluftreinigung.


In einem Interview erzählt der Fachmann, warum der Emissionsschutz eine wichtige Rolle in der Landwirtschaft spielt, wie Abluftwäscher funktionieren und mit welchen Lösungen der Calveslager Stalleinrichter aufwartet.


Warum brauchen wir in Deutschland Abluftreinigung?

Roland Tapken: Wir haben hierzulande hohe regionale bzw. lokale Konzentrationen an Geflügel- und Schweineställen. Gutes Beispiel ist Niedersachsen. Hier leben mehr als 50 Prozent des gesamten Geflügelbestandes im Land, während 58 Prozent aller Schweine in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gehalten werden. Diese Cluster haben ihre Ursache in historisch gewachsenen Strukturen, zu denen auch Futtermühlen und Schlachthöfe gehören. Aber auch der Strukturwandel hin zu größeren Einheiten spielt eine Rolle.


Entsprechend viel Ammoniak, Gerüche und Stäube werden regional in die Umwelt emittiert. Daher prüfen Behörden standortbezogen die Emissionen, so dass heute acht von zehn Neubaugenehmigungen an den Einbau einer Abluftreinigungsanlage gekoppelt sind.


Die Luft ist rein.

Die Luft ist rein.

Wie schaffen es Abluftreinigungsanlagen, Stoffe aus der Luft abzuscheiden?

Roland Tapken: Das Funktionsprinzip ist im Grunde genommen einfach. Die meisten Systeme arbeiten wie eine Waschmaschine. Sprich die Abluft wird gewaschen und so vom Schmutz befreit. Am Ende des Waschgangs verlässt gereinigte Abluft den Schweinestall.


Gib es Ausnahmen von der Regel?

Roland Tapken: Ja, die gibt es. Bei Biofiltern wird die Abluft durch befeuchtetes Filtermaterial geleitet, also nicht gewaschen. Diese Filter eignen sich hervorragend zur Abscheidung von Gerüchen und Stäuben. Für die Entfernung von Ammoniak sind sie allerdings nur eingeschränkt einsetzbar. Mechanische Filter wiederum arbeiten ganz ohne Wasser. Ein Beispiel sind Staubfilter.


Und wie sieht die Regel aus?

Roland Tapken: Am meisten nachgefragt sind Abluftwäscher. Es gibt einstufige Bio- und Chemowäscher sowie mehrstufige Wäscher. Das Grundprinzip basiert bei allen auf Reinigungswänden, die mit Füllkörpern bestückt sind und durchgängig von Waschwasser berieselt werden. Dies wäscht die Inhaltsstoffe aus der Abluft heraus.


Normalerweise werden Abluftwäscher wie alle Abluftreinigungsanlagen nur bei Ställen mit Zwangsbelüftung eingesetzt.


Normalerweise heißt, dass die Wäscher bei Outdoor-Ställen nicht verwendet werden können? Oder funktionieren sie bloß anders?

Roland Tapken: Letzteres. Das Funktionsprinzip der Wäscher besteht ja darin, dass die gesamte Abluft zentral gesammelt wird, um sie dann mit Ventilatoren durch die Reinigungsanlage leiten zu können. Dazu müssen die Ställe zwangsbelüftet sein. Bei Schweineställen mit Auslauf ins Freie werden Gleichdrucksysteme an eine Abluftreinigung gekoppelt. Dieses Verfahren erfasst zwar nicht den Auslauf, scheidet aber den Großteil der Stall-Emissionen ab.


Welche Anlagen hat Big Dutchman im Programm?

Roland Tapken: Wir führen verschiedene Reinigungssysteme. Mit dem Pollo-L und dem Pollo-M bieten wir jeweils einen einstufigen Chemowäscher für die Abscheidung von Ammoniak- und Staubemissionen aus Legehennen- und Hähnchenställen an. In Schweineställen setzen wir mehrstufige Abluftwäscher ein.


Was heißt Chemo?

Roland Tapken: Chemo bedeutet, dass das Wasser mit Schwefelsäure versetzt wird, um den pH-Wert des Waschwassers zu senken. Dies bindet den Ammoniak.


Was bietet Ihr Geflügelhaltern noch an?

Roland Tapken: Landwirten, die gezielt der Staubentwicklung zu Leibe rücken möchten, empfehlen wir unseren Staubfilter. Der StuffNix ist ein Trockenfilter, das heißt, er kommt ganz ohne Wasser aus. Damit werden 50 – 70 % der Stäube abgeschieden. Man kann ihn sowohl in der Legehennenhaltung als auch der Geflügelmast einsetzen.


StuffNix hört sich plattdeutsch an. Kommt der Name aus dem Platt?

Roland Tapken: Ja. Hier in der Gegend wird immer noch viel Platt gesprochen, da blieben Anleihen nicht aus. In Stuff steckt die Wurzel Staub. StuffNix müsste also entweder Staubt nicht heißen oder kein Staub. Der Filter ist seit Jahren fester Bestandteil der Produktpalette.


Wie sieht es mit Abluftreinigungsanlagen für die Schweinehaltung aus?

Roland Tapken: Für Schweinehalter haben wir mehrstufige Abluftwäscher im Programm. Sie vereinen das Beste aus allen Welten. Um mit den Worten des Persil-Mannes zu sprechen: Mehr können Sie für Ihre Wäsche nicht tun.


Kannst Du das Funktionsprinzip der mehrstufigen Wäscher erläutern?

Roland Tapken: Zweistufig heißt, dass wir es mit zwei Waschgängen zu tun haben. Ein Beispiel ist unser IUS-P. Die erste Stufe ist eine Chemo-Wäsche, bei der Staubpartikel und Ammoniak gebunden werden. Bei der zweiten Reinigungsstufe handelt es sich um eine Biofilterwand mit Wurzelholzschüttung. Sie dient der Geruchsreduzierung.


Abluftwäscher IUS-P: Die linke Filterwand wäscht Ammoniak und Staub aus der Abluft. Rechts ist ein Tropfenabscheider zu sehen, der die mit den Inhaltsstoffen versetzte Luft zurückhält.

Abluftwäscher IUS-P: Die linke Filterwand wäscht Ammoniak und Staub aus der Abluft. Rechts ist ein Tropfenabscheider zu sehen, der die mit den Inhaltsstoffen versetzte Luft zurückhält.

Nach der Wäsche wird die Luft durch die Biofilterwand gefördert und der Schweinestallgeruch so signifikant reduziert.

Nach der Wäsche wird die Luft durch die Biofilterwand gefördert und der Schweinestallgeruch so signifikant reduziert.

Eignet sich der IUS-P auch für Geflügelställe?

Roland Tapken: Nein. Aber für Kälberställe.


Kälber? Big Dutchman ist Geflügel- und Schweinestalleinrichter!

Roland Tapken: Ich weiß, das hört sich kurios an. Aber der IUS-P wurde seinerzeit für die Schweinehaltung und Kälbermast entworfen. Wir haben damit noch letztes Jahr einen Kälberstall in der Nachbarschaft ausgerüstet.


Neben dem zweistufigen Abluftwäscher hat Big Dutchman ein System mit drei Stufen im Programm. Was hat es damit auf sich?

Roland Tapken: Bei dem MagixX-P+ handelt sich um eine chemisch-biologischen Wäscher mit drei Filterwänden. Die Vorderseite der ersten Reinigungswand wird mit Wasser besprüht. Die Abluft strömt in die Filterwand ein, und Staub und Ammoniak werden in das erste Becken ausgewaschen. Da am Staub Geruchsstoffe gebunden sind, filtert die Anlage an dieser Stelle bereits einen Teil der Geruchsemissionen heraus. Bei der zweiten Reinigungsstufe wird Schwefelsäure hinzugefügt. Dies steigert die Abscheidung von Staub und Ammoniak deutlich. Die dritte Reinigungsstufe besteht aus einer Wurzelholzschüttung. Sie übernimmt den mikrobiellen Abbau der Geruchsstoffe.


MagixX-P+-Funktionsprinzip

MagixX-P+-Funktionsprinzip

Lassen sich die Abscheideleistungen der Wäscher quantifizieren?

Roland Tapken: Ja, da die Abluftwäscher zertifiziert sind, ist das natürlich möglich.


Wie schauen die Zahlen aus?

Roland Tapken: Bei Ammoniak und Gerüchen erreichen die Landwirte mit dem IUS-P und dem MagixX-P+ Abscheideleistungen von bis um die 90 Prozent. Beim Gesamtstaub geht es teils sogar über 90 Prozent hinaus. Mit den Ergebnissen der Geruchsminderung sind wir auch sehr zufrieden.


Der Pollo-M ist gleichfalls zertifiziert, und zwar für die Minderung von Staub- und Ammoniak-Emissionen. In der Prüfung hat er eine Ammoniakabscheidung von bis zu 91 Prozent erreicht, die Gesamtstaubabscheidung waren es bis zu 89 Prozent. Auch die Ergebnisse der Feinstaubabscheidung waren erfreulich. Beim Pollo-L kommen wir bei Ammoniak auf bis zu 85 Prozent und bei Gesamtstaub auf bis zu 81 Prozent.



Ein System ist noch gar nicht thematisiert worden. Kannst Du bitte erläutern, warum der Porcus ein Sonderfall ist?

Roland Tapken: Der Porcus ist ein einstufiger Abluftwäscher für die Schweinehaltung. Das System kann als biologischer oder chemischer Rieselbettreaktor eingesetzt werden. Wir vertreiben ihn nur im Ausland, und zwar vor allem auf asiatischen Märkten.


Der Unterschied zu den anderen Wäschern ist, dass wir aus zollrechtlichen Gründen kein Wurzelholz verwenden. Chinesische Behörden etwa befürchten, dass mit dem Holz Parasiten eingeschleppt werden und schreiben deshalb eine aufwändige Behandlung vor. Aus diesem Grund bieten wir unserer Kundschaft einen auf die Bedingungen vor Ort zugeschnittenen Abluftwäscher an.


Was heißt biologisch?

Roland Tapken: Bei Biowäschern werden die Inhaltsstoffe aus der Abluft zuerst in die Wasserphase überführt und anschließend von Mikroorganismen, die sich auf den Füllkörpern ansiedeln, aufgenommen bzw. umgewandelt. Bei Staub und Ammoniak erzielt der Porcus übrigens Abscheideleistungen von über 80 %. Auch mit der Reduzierung von Geruchsemissionen sind wir sehr zufrieden.


Noch eine Frage generell zu den Abluftwäschern. Können Landwirte ihre Ställe damit nachrüsten? Wenn ja – was ist einfacher, einen neuen Stall inklusive Abluftreinigung zu bauen oder nachträglich eine Anlage anzupassen?

Roland Tapken: Natürlich ist eine Nachrüstung machbar. Voraussetzung ist, dass die Ställe zwangsbelüftet sind.


Was die zweite Frage betrifft würde ich sagen, es ist tendenziell einfacher, einen Neubau auf eine Abluftreinigung zuzuschneiden statt eine Abluftreinigung in einen bestehenden Stall einzupassen. Was allerdings nicht heißt, dass nachträgliche Einbauten kompliziert wären. Mit etwas Kreativität und ohne die Kosten aus dem Blick zu verlieren lassen sich normalerweise optimale Lösungen finden.


Was ist bis jetzt das beeindruckendste Projekt, das Big Dutchman auf die Beine gestellt hat?

Roland Tapken: Das richtige Know-how braucht man für jedes Projekt. Kein Stall oder Standort ist wie der andere und die individuellen Ansprüche der Landwirte müssen im Rahmen des Machbaren umgesetzt werden.


Was natürlich heraussticht, sind Projekte wie der Sauenbetrieb eines südkoreanischen Kunden. Er hatte vor einigen Jahren einen Standort für 3.600 Tiere hochgezogen. Nun muss man wissen, dass Südkorea eines der am dichtesten besiedelten Länder der Welt ist. Da dem Kunden ein gutes Verhältnis mit seinen Nachbarn wichtig war, durften wir ihm 16 MagixX-Abluftwäscher liefern und montieren.


Aktuell ist ein Projekt in Ostdeutschland in Planung mit 26 IUS-P-Wäschern.


Auch optisch ein ansprechender Standort: Sauenanlage mit 16 MagixX-Abluftwäschern in Südkorea.

Auch optisch ein ansprechender Standort: Sauenanlage mit 16 MagixX-Abluftwäschern in Südkorea.

Zum Schluss interessiert natürlich: Woran arbeitet Ihr gerade bzw. wie sehen Eure Zukunftspläne aus?

Roland Tapken: Wir haben einige Eisen im Feuer. Unsere Unternehmenstochter Inno+ beispielsweise hat ein Verfahren entwickelt, das es Landwirten ermöglicht, bei der Abluftwäsche verfügbare Energie für die Beheizung ihrer Schweineställe zu nutzen. Das spart signifikant Energiekosten. Geplant ist, diese Triple EEE genannte Form der Wärmerückgewinnung als Standardverfahren an unsere Systeme zu koppeln.


Mit welchen Projekten beschäftigt Ihr euch sonst noch?

Roland Tapken: Aktuell entwickeln wir eine Steuerung mit Features, die weit über die in der Branche geläufige Ampelkennzeichnung hinausgehen. Anstatt lediglich die Funktionstüchtigkeit ihrer Anlage zu überprüfen, können Betriebsleiter ihre Anlage managen sowie eine Vielzahl von Daten erfassen und vor allem auch auswerten.


Mittelfristig arbeiten wir auf Anlagen hin, mit denen Landwirte einen Beitrag leisten können zu Umweltschutz und einer klimaneutralen Intensivtierhaltung. Parallel zur Nachhaltigkeit ist Effizienz ein weiteres Leitmotiv, heute und in Zukunft, schließlich rechnen unsere Kunden mit spitzem Bleistift.


Das hört sich nach einem ehrgeizigen Unterfangen an! Wie wollt Ihr das angehen?

Roland Tapken: Zwei wichtige Stellschrauben sind die Energie- und Wasserverbräuche. Ein Beispiel ist das weiter oben angesprochene Triple EEE-Verfahren.


Beim Thema Emissionsminderung ist aktuell einiges im Fluss, und das nicht nur in Deutschland. Die Entwicklungen verfolgen wir ganz genau und richten daran unsere Arbeit aus. Tierhalter müssen erfolgreich in die Zukunft investieren können. Im Grunde genommen ist das unser wichtigster Zukunftsplan!



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