24.10.2011rss_feed

Beratertagung: Mit gesunden Schweinen mehr Erfolg haben

Am 11. und 18. Oktober fanden die diesjährigen Beraterfortbildungen der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen und der Fachschule Osnabrück statt. Mitausrichter war wie in jedem Jahr die Firma Boehringer Ingelheim. Die an beiden Tagen mit über 140 Teilnehmer gut besuchten Tagungen zeigen das große Interesse der Fachberater an dieser Fortbildung.

 

Dr. Friedhelm Adam von der LWK Nordrhein-Westfalen stellte die neuen Masken der Schlachter vor und leitete daraus Konsequenzen für die Beratung ab. Er betonte jedoch, dass sich alles wieder ändern könne, sollten die großen Schlachtunternehmen ihre Masken erneut berichtigen, so wie es die Westfleisch am vergangenen Freitag (16.10) bereits tat. Die Westfleisch reagierte mit diesem Schritt, weil die auf Basis der – von den tatsächlichen Messwerten abweichenden – Erwartungswerte kalkulierten Masken die Schweine teurer machen. Westfleisch und Toennies hatten deshalb vorübergehend Geld einbehalten (2 bzw. 1 Cent je kg SG), bis sich die Ungleichmäßigkeiten bei der Messung aufklären. Diese Vorgehen verärgerte die Marktteilnehmer sehr. Dieses Hin und Her ist untragbar, äußerte Dr. Adam denn auch Kritik am Verhalten der Unternehmen. Die neue Schätzformel ist seit Februar 2011 bekannt, da sollte eine Umsetzung im Herbst doch eigentlich kein Problem sein.

 

Zuchtfortschritt macht neue Maske nötig

Das sich die Unternehmen insgesamt für eine neue Schätzformel und damit neue Masken entschieden haben, sei an sich nachvollziehbar, denn der züchterische Fortschritt müsse berücksichtigt werden. Und mit der neuen AutoFOM- und -FOM-Formel und der Änderungen der Teilstückwertigkeiten seien auch neue Abrechnungsmodelle nötig. Der Schinken wird nun im Vergleich zum Lachs wertvoller. Würde man nichts ändern, würden die Schweine um ca. 1 Euro teurer als bisher. Doch woran die aktuellen Probleme genau liegen, weiß wohl noch niemand. Möglicherweise liege es nicht nur an der neuen Formel, sondern auch am Einbau neuer elektronischer Bauteile in allen Auto-FOM-Geräten. Das werde derzeit geprüft.

Für die Beratung ist zu berücksichtigen, dass die Systemgrenze Bauch entfällt, magere Bäuche werden nun etwas besser bewertet. Der Schlachtgewichts-Korridor liegt zwischen 88 und 102 kg, außerhalb des Korridors sind die Abzüge gestuft, teilweise gestaffelt. Systemobergrenzen und Preisabsicherungen wirken vor allem in den Randbereichen. Die Modelle geben nur dann Signale zu einem niedrigeren Schlachtgewicht, wenn der Handelswert des Schlachtkörpers stimmt. Speck muss vermieden werden, weiterhin sind fleischreiche Schweine gefragt. Die Teilstückgewichte lassen sich über die Steuerung des Schlachtgewichtes optimieren, so Dr. Adam. Zu erwarten sei, dass der Wettbewerb Westfleisch nachzieht und ebenfalls noch einmal die Maske ändert. Die neue Wertigkeit der Teilstücke sei aber kein Hinweis für die Zucht, sofort darauf zu reagieren, betonte Dr. Adam, zumal die Zucht bereits großen Wert auf eine gute Ausbildung der wertvollen Teilstücke achte.

 

Schlachtdaten online

Peter Schwaer, IQ Agrarservice, stellte das Projekt Schlachtdaten online vor. Derzeit seien bereits 8.000 Schweinemastbetriebe sowie 4.100 Ferkelerzeuger (ca. 25 % der dt. Schweineproduktion) Kunden dieses Service, mit dem die Schlachtprotokolle ausgewertet werden. Mit dem Wissen um die Rohdaten aus der Schlachtung – gewonnen mit einer sogenannten Blackbox, die direkt hinter den Messgeräten steht - sei es möglich, erstens die Abrechnungen der Schlachtunternehmen zu überprüfen und zweitens die Schwachstellen der eigenen Schweineproduktion aufzudecken und zu optimieren. Man kann die Mastleistung in Verbindung zu den Schlachtbefunddaten darstellen, oder es lässt sich so das optimale Schlachtgewicht in Abhängigkeit von den Futterkosten, den Schweinetypen hinsichtlich Bemuskelung oder Geschlecht sowie von den Abrechnungsmasken bestimmen. Es wird klar, wo man welche Indexpunkte verliert und man kann dadurch seinen Gewinn steigern. Hier sehe ich großes Potential für die Beratung, so Schwaer, denn Sie können Ihren Kunden über die Auswertung der Schlachtdaten einen Erlösvorteil ermöglichen. Steht ein Indexpunkt für etwa 1,50 € pro Tier, sind das aufs Jahr gesehen für einen 3.000er Maststall schnell 10.890 € mehr. Mit den Informationen sei es auch möglich, einen Vergleich zu anderen Schweinepartien des gleichen Schlachttages anzustellen, um zu erfahren, wie gut oder schlecht die eigenen Schweine im Vergleich zu anderen sind. Sehr interessant sei auch die Information, wie lange es von der Ablieferung der Schweine an den Viehhändler dauere, bis die Schweine tatsächlich geschlachtet seien. Daraus könne man die Nüchterungszeiten besser ableiten.

 

Organbefunde richtig interpretieren

Herbert Heger, Boehringer Ingelheim, erklärte, wie Organbefunde richtig zu interpretieren und als Chance zur Optimierung der Tiergesundheit zu nutzen sind. Liefere ich als Landwirt z.B. viele Schweine mit Untergewicht ab, kann eine Krankheit die Ursache sein. Dann muss ich genauer hinschauen, hier bieten sich die Befunddaten des Schlachthofs an, ob als Einzelauswertung einer Gruppe oder als Langzeitauswertung über einen bestimmten Zeitraum, sagte Heger. In der Schlachthofabrechnung seien die Organbefunde aufgeführt, denn viele Schlachtunternehmen geben Rückmeldung, weil sie gesunde Schweine ohne Befunde wünschen. Organbefunde am Schlachthof seien jedoch mit Vorsicht zu genießen, da jeder Schlachthof anders arbeite. Deshalb sollte man die Befunde mit dem Hoftierarzt durchsprechen. Trotzdem seien Schlachthofbefunde gut, um einen Überblick über die Gesundheit des Bestandes zu erhalten. Es sollten immer mindestens zwei, besser noch drei geschulte Personen die Befundung am Schlachtband durchführen. Vor allem Lunge, Herz und Leber sind interessant, denn hier zeigen sich häufig krankhafte Veränderungen. Allerdings muss man wissen, dass Organbefunde an der Lunge oder dem Brustfell nur selten eine exakte Diagnose zulassen, eine weitergehende Diagnostik ist erforderlich. Schließlich gibt es viele Erreger, die die Lunge schädigen, so Heger. Um eine sichere Diagnose stellen zu können, sollten mindestens drei Lungen untersucht werden. Neben der Sektion werden dann mikrobiologische Untersuchungen durchgeführt, das kostet alles in allem etwa 150 Euro je Lunge. Laut Heger sollten Landwirte das Geld aber investieren, damit sie die Ursache der Atemwegserreger erfahren und die richtige Therapie einleiten können.

 

Husten mittlerweile ganzjährig

Speziell bei Mycoplasmen herrsche derzeit große Unsicherheit, da viele geimpfte Schweine trotzdem husten und Veränderungen an den Lungen zeigen. Doch die Spitzenlappen der Lungen sind immer als erstes betroffen, wenn die Lunge in Mitleidenschaft gezogen wird. Ursache dafür können aber auch das Stallklima oder andere Erreger sein, erklärte Heger. Impfstoffe, egal ob gegen Mykoplasmen oder gegen andere Erreger, verhindern nicht die Infektion, sondern mildern nur die Krankheitszeichen. Insofern ist es trotz Impfung möglich, Mykoplasmen nachzuweisen sowie auch Lungenveränderungen. Heger erläuterte, dass aus dem früher eher saisonal auftretendem Husten mittlerweile ein ganzjähriges Phänomen geworden sei. Tierärzte berichten mir, dass dies u.a. am guten Gesundheitsstatus der Jungsauen liege, die eben auch ein extrem gutes Eingliederungsmanagement erfordern. Zudem sei die Ferkelversorgung bei sehr großen Würfen nicht immer optimal und die Flatdeck-Kapazitäten seien zu gering, dadurch komme es zu einer Erregervermehrung und dem sogenannten Kindergarteneffekt.

 

Ursache für Schwanzbeißen unklar

Ulrich Averberg, LWK Nordrhein-Westfalen, informierte die Zuhörer über die Einflussfaktoren auf das Schwanzbeißen. Es gehe darum, Stress bei den Schweinen zu verringern, denn Stress führe zu Kannibalismus. Interessant sei, dass Großgruppen in Umfragen unter Landwirten deutlich besser abschneiden als kleinere Gruppen in engeren Abteilen. Haben die Schweine Spielzeug, wirkt sich das auch vermindernd auf das Schwanzbeißen aus. Averberg empfahl, das Fressplatzverhältnis bei der Sensorfütterung auf mindestens 1:4 zu halten, tagsüber zu füttern, wenn die Schweine aktiv sind und auf regelmäßige Fütterungszeiten zu achten, da die Schweine sich sehr an Abläufe gewöhnen. Der Wasserdruck in der Tränke sollte nicht zu hoch sein, damit die Schweine auch wirklich trinken können und die Luftrate im Stall sollte dem Tierwachstum angepasst werden. Beim Einstallen von Läufern sollte der Stall ausreichend lange aufgeheizt werden, damit sich auch die Spaltenböden erwärmen. Ansonsten würden die Schweine kalt und feucht liegen und Erkrankungen seien vorprogrammiert. Ebenso schädlich wirke Falschluft, die als kalte Zugluft durch die Abteile ziehe. Hier sollten die Eintrittslöcher gefunden und verschlossen werden. Doch Averberg räumte ein: Eigentlich wissen wir noch gar nicht, warum die Schweine sich gegenseitig die Schwänze abbeißen. Sicherlich ist die hohe Belegungsdichte in den Ställen ein Grund, denn würden die Schweine jeweils einen Hektar Platz haben, würden sie sich gar nicht treffen. Doch es spielen noch mehr Faktoren eine Rolle. Das Stallklima, Fliegen, die Lüftung, Krankheiten, Genetik, die Fütterung – all das müssen wir untersuchen und optimieren.

 

Schließlich stellte Karl-Heinz Schulze zur Wiesch, Vizepräsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV), das Clusterprojekt Gesunde Tiere – Gesunde Lebensmittel vor. Das Programm ist auf drei Jahre angelegt, derzeit sind die teilnehmenden Betriebe ausgewählt und die erste Bestandsaufnahme der Tiergesundheit ist erfolgt. Mehr dazu unter http://www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/tiergesundheit/sgd/clusterprojekt-tiergesundheit.htm.



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