28.05.2019rss_feed

Wie könnte der Schweinestall der Zukunft aussehen?

Die Zwischenergebnisse sind in einem ersten, öffentlich verfügbaren Bericht zusammengestellt

Die Zwischenergebnisse sind in einem ersten, öffentlich verfügbaren Bericht zusammengestellt

Anspruch und Realität liegen bei der Vorstellung, wie ein Schweinestall in der Zukunft aussehen sollte, weit auseinander. Wie groß die Lücke tatsächlich ist und ob sie sich schließen lässt, daran haben aktive Landwirte, Fachleute und Verbraucher sich in einem Experiment herangetastet. Die ersten Ergebnisse aus dem Projekt Virtueller Stall der Zukunft wurden gestern im Bundeslandwirtschaftsministerium vorgestellt.

ISN: Die Ergebnisse zeigen zwar deutliche Kontroversen, machen aber auch Hoffnung. Die Lücke zwischen gesellschaftlichem Anspruch und Realität im Schweinestall der Zukunft scheint überbrückbar. Gelingen wird das aber nur, wenn die wesentlichen offen Fragen zur Auflösung von Zielkonflikten und der Finanzierung endlich beantwortet werden.

 

Gestern wurden im Bundeslandwirtschaftsministerium die (Zwischen-)Ergebnisse zum Projekt Virtueller Stall der Zukunft vorgestellt. Zum Teil sehr weit auseinander liegen die Vorstellungen zwischen Schweinehaltern und anderen Fachleuten auf der einen und gesellschaftliche Gruppen und Verbrauchern auf der anderen Seite, wenn es darum geht, wie die Ställe der Zukunft aussehen könnte. Mit dem Projekt haben sich die beteiligten Projektpartnern, u.a. der ISN-Projekt GmbH, unter der Projektleitung der Universität Göttingen zum Ziel gesetzt, die unterschiedlichen Vorstellungen, Argumente zusammenzuführen und in den direkten Diskurs der Beteiligten einzusteigen.

 

Was geht und was geht nicht?

Die Kernfrage im Projekt ist: Wie lassen sich die Erwartungen der Gesellschaft, wirtschaftliche und fachliche Gesichtspunkte sowie dabei möglicherweise auftretende Zielkonflikte miteinander vereinbaren? Diese Kernfrage ist eine Zukunftsfrage für die Schweinehalter und Hauptgrund für uns, dass wir uns an dem Projekt beteiligt haben, so Dr. Karl-Heinz Tölle, Geschäftsführer der ISN-Projekt GmbH. Traumvorstellungen über die zukünftige Schweinehaltung, die aus den verschiedensten Gründen nicht realisierbar sind, sind schnell geäußert. Aber was davon ist aus dem Blickwinkel der Schweinehaltung überhaupt realisierbar bzw. macht überhaupt Sinn? Wir wollten mit dem Projekt alle Beteiligten zusammen mit Schweinehaltern an einen Tisch bringen und diskutieren und versuchen die Vorstellungen zusammenzubringen. Und bevor diese Vorstellungen irgendwo in der Praxis umgesetzt und der Betonmischer angeworfen wird, sollten Sie virtuell mit einem Stallplaner visualisiert und aus den verschiedenen Blickwinkeln bewertet.


Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) versprach während der Vorstellung der Ergebnisse Förderung. Die anwesenden Landwirte, wie die ISN-Beiratsmitglieder Carsten Spieker, Friedrich-Wilhelm Temme und Thomas Asmussen, mahnten aber an, dass vorab endlich Planungssicherheit geschaffen werden müsste! (Bild: BMEL)

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) versprach während der Vorstellung der Ergebnisse Förderung. Die anwesenden Landwirte, wie die ISN-Beiratsmitglieder Carsten Spieker, Friedrich-Wilhelm Temme und Thomas Asmussen, mahnten aber an, dass vorab endlich Planungssicherheit geschaffen werden müsste! (Bild: BMEL)

Virtuell planen bevor der Betonmischer angeht?

Der Wunsch nach mehr Tierwohl steht bei allen betrachteten und virtuellen Konzepten im Fokus. Dabei wurde versucht, die folgenden Punkte zumindest ansatzweise zu berücksichtigen

  • mehr Platz und Bewegungsfreiheit für Sauen, Ferkel und Mastschweine,
  • getrennte Funktionsbereiche, unbegrenztes Angebot von Raufutter, Stroheinstreu oder anderem organischen Beschäftigungsmaterial,
  • Möglichkeiten zum Duschen und Wühlen für Mastschweine,
  • Zugang zu einem Außenklimabereich für alle Tiere ab 30 kg Gewicht und
  • Stallbau aus Holz als nachwachsender Rohstoff.

Nicht alles, was gewünscht ist macht aber auch fachlich Sinn – beispielsweise, wenn es um den kompletten Verzicht auf das Fixieren der Sau oder auch die Platzvorgaben im Abferkelbereich geht. Dieses wurde entsprechend im Projektbericht dargelegt und erörtert, in dem auch einige Skizzen und Modelle exemplarisch für verschiedene Haltungssysteme dargestellt sind.

 

Fragen der Zielkonflikte und Ökonomie erst einmal klären

Klar herausgestellt wurde auch, dass Schweinehalter sich Veränderungen in ihren Betrieben zu mehr Tierwohl stellen, aber durch genehmigungsrechtliche Hürden daran gehindert werden. Denn in dem Moment, in dem sie ihren bestehenden Stall anfassen und umbauen, greifen verschiedenste gesetzliche Regelungen, die den Umbau des Stalles verhindern. Somit entsteht ein Auftrag aus dem Projekt an diejenigen, die von Seiten der Politik mehr Tierwohl vorantreiben wollen, diese Zielkonflikte erst einmal zu lösen. Das gilt auch für die ökonomische Frage. Wer bezahlt das Ganze? Die Schweinehalter können das nicht sein. Denn es wird teuer, das hat das Projekt gezeigt. Die verschiedensten angedachten Haltungssysteme verursachen Kosten, die bei nahezu allen Varianten am Ende deutlich über 30 € je Schwein liegen. Das werden auch die Landwirte bestätigen, die das einmal für ihren Betrieb durchkalkulieren. Um die Kalkulation für einen ersten Einblick zu vereinfachen, haben die Projektpartner ein Excel-Tool vorbereitet, mit dem interessierte Landwirte verschiedenste Varianten für Ihren Betrieb durchspielen können.

 

Die ISN meint:

Die gute Nachricht vorweg: Die Lücke zwischen gesellschaftlichem Anspruch und Realität im Schweinestall der Zukunft scheint überbrückbar.

Erwartungsgemäß wurde im Projekt viel und zum Teil auch kontrovers über den Stall der Zukunft diskutiert. Auch wenn einige gute Ideen und Ansätze dabei herausgekommen sind, ist klar, den einen Stall der Zukunft wird es nicht geben. Die Resultate sind ein Zwischenergebnis in der Diskussion um die Weiterentwicklung der Schweinehaltung. Entscheidende Antworten fehlen aber nach wie vor – nämlich, wie können die Weiterentwicklungen vor dem Hintergrund der bislang unüberwindbaren genehmigungsrechtlichen Hürden und Zielkonflikte umgesetzt werden und natürlich die Frage, wie das Ganze überhaupt bezahlt werden kann. Dass diese Hürden bestehen und dass es teuer wird, hat das Projekt deutlich gezeigt. Das hat auch Bundesministerin Klöckner deutlich erkannt und Maßnahmen versprochen.

 

Auch muss in der Diskussion klar sein: Es darf in der Diskussion nicht allein um Neubauten gehen. Viel wichtiger ist, wie die bestehenden – meist noch lange nicht abgeschriebenen Schweineställe – für die Zukunft weiterentwickelt werden können. Die Schweinehalter brauchen klare Antworten auf diese Fragen und ganz besonders auch die entsprechende Planungssicherheit, wenn es nicht allein bei der virtuellen Weiterentwicklung bleiben soll.


Hier können Sie den Zwischenbericht zum Projekt "Virtueller Stall der Zukunft" herunterladen...

Hier finden Sie die Pressemeldung des Bundeslandwirtschaftsministeriums...

arrow_upward