28.10.2022rss_feed

Was nun, Herr Özdemir?

ISN-Vorsitzender Heinrich Dierkes

ISN-Vorsitzender Heinrich Dierkes

Ein Kommentar des ISN-Vorsitzenden Heinrich Dierkes.

Die aktuellen Statistiken belegen es erneut – Die Schweinehaltung in Deutschland schrumpft in Rekordgeschwindigkeit. Wir erleben aktuell den Kahlschlag in unserer gesamten Branche. Schlimm dabei: Wie bei einem großer Tanker, der einmal in Fahrt ist, wird sich die Richtung nicht kurzfristig drehen lassen. In unserer deutschen Schweinehaltung und damit auch in den vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereichen wird gerade viel abgerissen, was so schnell nicht mehr wieder aufgebaut werden kann. Ich bin inzwischen seit über vier Jahrzehnten aktiv in der Schweinehaltung unterwegs, aber noch nie habe ich eine derart lange und schwierige Krisenphase erlebt. Noch nie habe ich aber auch eine solche Ignoranz einen Bundesministers für Landwirtschaft gegenüber den Tierhaltern – eigentlich der Landwirtschaft insgesamt – erlebt, wie bei Cem Özdemir: Probleme werden ausgesessen, wir Schweinehalter werden als direkt Betroffene kaum gehört und unsere Bemühungen zum Beispiel im Bereich Tierwohl finden so gut wie keine Beachtung. Der Frust darüber unter uns Landwirten, bei unseren Wirtschaftspartnern aber auch in unseren Dörfern ist riesig und wird immer größer.

 

Ist es wirklich das, was man in der deutschen Agrarpolitik will? Unsere Schweinehaltung und damit einen ganzen Wirtschaftsbereich abschaffen? Den Eindruck muss man gerade in jüngster Zeit gewinnen, denn da wird immer lauter gefordert: Die Tierhaltung muss reduziert werden. Mir sind die Aussagen von Staatssekretärin Silvia Bender auf unserer Mitgliederversammlung im Juni noch ganz genau im Ohr, die eine Halbierung der Tierhaltung quasi als Ziel formulierte. Wie passt das aber zu den Aussagen des Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir der ebenso klar geäußert hat, dass wir auch zukünftig noch gutes Fleisch aus Deutschland haben wollen? Und mit seiner Aussage Mein Gemüse braucht Tiere hat er deutlich gemacht, dass Tierhaltung auch ein wichtiger Baustein im Nährstoffkreislauf ist – in diesem Fall als Düngerlieferant. Auch in der Trog/Teller-Diskussion haben wir gute Argumente für das Schwein als Resteverwerter in der Hand. Gerade in der aktuellen Zeit dürfte der Sinn einer Eigenversorgung doch wohl kaum in Zweifel gestellt werden – die wird aber gerade beim Schweinefleisch aufs Spiel gesetzt. Vergessen wird dabei nicht: Schon heute werden rund 9 Mio. Ferkel importiert und schon heute ist der deutsche Bedarf an Filets, Schnitzeln und anderen hierzulande nachgefragten Teilstücken vom Schwein nur durch erhebliche Importe zu decken.

 

Der rasante Sinkflug unserer deutschen Schweinehaltung muss deshalb auch in der Politik und allen voran bei Cem Özdemir alle Alarmglocken schrillen lassen. Für die langanhaltende finanzielle Krise in der Schweinehaltung trifft den Bundeslandwirtschaftsminister wohl kaum eine Schuld – hier haben uns die Corona-Pandemie, die Afrikanische Schweinepest (ASP) und die Kostenexplosion bei den Rohstoffen und der Energie stark zugesetzt und tun das immer noch. Was uns aber mindestens genauso trifft, ist das wirtschaftsfeindliche Handeln der Politik, das immer weiter hochgeschraubte Ordnungsrecht sowie die stetigen Vorwürfe und die fehlende Wertschätzung, die uns Schweinehaltern immer stärker entgegen gebracht werden. Betriebsentwicklungen waren und sind für uns in der Schweinehaltung kaum noch möglich, dabei bedeutet Betriebsentwicklung in der Regel auch Verbesserung für Mensch und Tier. Es ist politisch leider nicht gelungen, eine klare Nutztierstrategie auf den Weg zu bringen, die den Namen auch verdient und die echte Lösungen für uns Schweinehalter gebracht hätte. Wie sollen wir bei dieser Planungsunsicherheit, der fehlenden Perspektive und dem fehlenden Vertrauen in die Politik in die Schweinehaltung investieren?

 

Natürlich trifft hier nicht allein Cem Özdemir die Schuld, denn auch seine Vorgänger bzw. Vorgängerinnen sind daran bereits kläglich gescheitert. Trotzdem muss sich unser aktueller Bundeslandwirtschaftsminister aber sehr wohl und sehr deutlich an die eigene Nase fassen, denn wie schon gesagt, ist seine Ignoranz kaum zu übertreffen. Trotz stetiger verbaler Bekundung der Unterstützung und vieler warmer Worte – hat er nicht für den notwendigen Vertrauensschutz von Seiten der Politik gesorgt. So fühlen sich beispielsweise meine Berufskollegen, die von ASP-Restriktionen betroffen waren oder es noch sind, vollkommen von Cem Özdemir im Stich gelassen. Da muss einfach sehr viel mehr Initiative und eigenes Engagement des Bundeslandwirtschaftsministers und seines Ministeriums kommen. Ein weiteres Beispiel ist die aktuelle Diskussion um die Tierhaltungskennzeichnung. Ich habe kein Verständnis dafür, dass ein Gesetz durchgedrückt werden soll, dass von fast allen Seiten auf das Schärfste kritisiert wird, weil es massive Mängel aufweist – zum Nachteil von uns deutschen Schweinehaltern aber auch zum Nachteil der Transparenz für den Verbraucher. Weitere Beispiele ließen sich nennen.

 

Ich richte mich abschließend direkt an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir: Wir müssen reden – Herr Minister! Das ist der beste Weg, damit wir endlich zu echten Lösungen kommen. Denn die sind der einzige Weg und um den Sinkflug der deutschen Schweinehaltung zu stoppen. Die Zeit dafür ist extrem knapp. Treten Sie deshalb endlich mit uns Schweinehaltern als direkt Betroffene in einen lösungsorientierten Dialog ein!


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