07.08.2019rss_feed

Veredlung braucht Entscheidungen – Erst das Gesamtkonzept, dann die Einzelfragen

Beim runden Tisch zur Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit der niedersächsischen Ernährungswirtschaft kamen unter anderem Friedrich-Otto Ripke (NGW), Julia Klöckner (CDU), Uwe Bartels (AEF) und Heinrich Dierkes (ISN) zusammen (Bildquelle: NGW)

Beim runden Tisch zur Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit der niedersächsischen Ernährungswirtschaft kamen unter anderem Friedrich-Otto Ripke (NGW), Julia Klöckner (CDU), Uwe Bartels (AEF) und Heinrich Dierkes (ISN) zusammen (Bildquelle: NGW)

Fleischsteuer und andere existenzielle Teilfragen zur Veredlung füllen das mediale Sommerloch – ISN bemängelt Stückwerk statt Gesamtkonzept. Ein Runder Tisch zur Zukunft der Veredlungswirtschaft fand gestern mit Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner auf Einladung des niedersächsischen Wirtschaftsministers Althusmann in Hannover statt. Veredlungswirtschaft stellt Positionspapier mit konkretem Maßnahmenplan vor.

 

Die Fleischsteuer füllt das mediale Sommerloch. Anders als bei anderen Sommerlochthemen ist dieses Einzelthema aber Teil der Zukunftsfrage um die Veredlungswirtschaft. Verschiedene Umweltverbände und politische Parteien fordern höhere Steuern auf Fleisch, um mit dem Geld Tierwohl in den Ställen zu fördern. Dabei sollte es zunächst einmal um das Gesamtkonzept für die Tierhaltung gehen, bevor man sich mit der Teilfrage der Finanzierung beschäftigt. Aus Sicht der ISN ist das jedoch symptomatisch für die aktuelle politische Diskussion um die Tierhaltung: Hier wird Stückwerk betrieben, statt sich auf das durchdachte Gesamtkonzept zu konzentrieren. Wie entscheidend diese Fragen für die Agrar- und Ernährungswirtschaft und für den gesamten ländlichen Raum sind hat auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann erkannt. Er hatte nämlich gestern nach Hannover zu einem Runden Tisch zur Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit der niedersächsischen Ernährungswirtschaft eingeladen. Mit dabei waren u.a. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, der Staatssekretär im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium, Rainer Beckedorf, sowie Vertreter der Agrar- und Ernährungswirtschaft. Für die ISN nahm der Vorsitzende Heinrich Dierkes teil.

 

Agrar- und Ernährungswirtschaft unter Druck

Nach meiner Wahrnehmung befürchten die Unternehmen der Landwirtschaft und Ernährungsindustrie einen Strukturwandel, der sie durch die zahlreichen aktuell parallel auftretenden Herausforderungen vor große Schwierigkeiten stellen könnte, wird Althusmann in einer Pressemeldung seines Ministeriums zitiert. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner erläuterte, dass die gesellschaftlichen Erwartungen an Erzeuger und Erzeugung gestiegen seien. Die Verbraucher seien kritischer geworden mit Blick auf den Umwelt- und Klimaschutz, auf die Ressourcenschonung, auf den Verbraucher- und den Tierschutz. Klöckner erklärte weiter, Sie nehme die Branche in die Pflicht, den Wirtschaftssektor weiter zu entwickeln. Dabei unterstützen wir. Etwa mit unserer Nutztierstrategie, so Klöckner. Zugleich verwies sie auch auf die Verantwortung der Verbraucher und betonte die Bedeutung einer schnellen Einführung einer staatlichen Tierwohlkennzeichnung.

 

Zu viel Stückwerk

Der Druck ist in der Agrar- und Ernährungswirtschaft schon lange angekommen. Die Auswirkungen sind anhand der Betriebsaufgaben bereits erschreckend deutlich abzulesen. Und das hat erhebliche Folgen für die Wirtschaftskraft und die sozialen Strukturen im ländlichen Raum., fasst Heinrich Dierkes die Situation zusammen. Dass die Branche in der Lage ist, sich innovativ weiter zu entwickeln, hat sie schon oft genug gezeigt. Problematisch ist es aber, dass es trotz der schwierigen Situation kein erkennbares Gesamtkonzept – weder auf Landes- noch auf Bundesebene gibt. Stattdessen haben wir mehr und mehr den Eindruck, dass dieses zwischen den Einzelinteressen der Ministerien zerrieben werden. Augenscheinlich fehlt eine übergeordnete strategische Steuerung, erläutert Dierkes. In einem Positionspapier haben wir ein Maßnahmenpaket beschrieben, welches aus unserer Sicht sinnvoll und wichtig für den Erhalt der Strukturen in der Veredlungswirtschaft ist. Dieses haben wir gestern gemeinsam mit anderen Organisationen Ministerin Klöckner dargelegt.

 

Die im Positionspapier formulierten Maßnahmen

Im Positionspapier sind die folgenden Maßnahmen dargelegt:

Initiierung und Umsetzung eines zeitlich befristeten Dialogprozesses durch das Bundeskanzleramt mit dem Ziel, kurzfristig ein schlüssiges Gesamtkonzept in Form eines Vertrages mit der Gesellschaft zu etablieren. Dieser enthält – analog zur Energiewende – das Zielbild der in Deutschland gewünschten Nutztierhaltung und Veredlung sowie ein klares Umsetzungskonzept.

Der Vertrag/Fahrplan regelt auf Grundlage des Stabilitätsgesetzes alle Modalitäten, die zu einer stringenten und zeitlich determinierten Realisierung auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene nötig sind und bildet dabei die Leitplanken ab, die in Form von konkreten gesetzlichen Vorgaben ausgestaltet werden.

 

Dazu gehören:

- alle fachrechtlichen Belange in Bezug auf das Tierschutz- und Umweltrecht, inklusive des Baurechts, die zur Umsetzung des Zielbildes neujustiert werden müssen.

- alle Fragen rund um das Stabilitätsgesetz, auf dessen Basis ein schlüssiges Finanzierungskonzept aufgebaut wird.

(1) Wie groß ist der Gesamtfinanzbedarf bezogen auf die komplette Veredlungswirtschaft (d.h. inklusive der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Stufen)?

(2) Mit welchen finanzpolitischen Förderinstrumenten sollen landwirtschaftliche Betriebe und Unternehmen gefördert werden (z.B. Sonderinvestitionsprogramm und/oder Tierwohlbonus)?

(3) Wie kann die zu erwartende Finanzierungslücke aufgrund gestiegener Produktionskosten und weiterhin niedriger Markterlöse geschlossen werden?

(4) Mit welchen finanzpolitischen Instrumenten erfolgt eine Gegenfinanzierung dieses zusätzlichen Finanzbedarfs (z.B. MwSt.-Erhöhung)?

 

- flankierende Maßnahmen, die zu einer Beschleunigung des Transformationsprozesses und somit zu einer schnelleren Umsetzung des Zielbildes beitragen.

(1) Dies beinhaltet eine klar formulierte Innovationsstrategie

(2) und die Auflösung von Zielkonflikten und Genehmigungshürden

(3) sowie ein entsprechendes Planungs- und Beschleunigungsgesetz.

(4) Zudem sollte eine kontinuierliche Evaluierung des Umsetzungsprozesses erfolgen, um bei etwaigen Fehlentwicklungen Kurskorrekturen vornehmen zu können.


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