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TRAIN-Studie: Rückgang der Viehhaltung wirkt sich massiv auf die Agrar- und Ernährungswirtschaft in Nord-West-Niedersachsen aus

Wie wirkt sich der Transformationsprozess in der Landwirtschaft auf die Agrar- und Ernährungswirtschaft im ländlichen Raum aus? Diese Frage beantwortet die TRAIN-Studie für den Raum Nord-West-Niedersachsen.

Wie wirkt sich der Transformationsprozess in der Landwirtschaft auf die Agrar- und Ernährungswirtschaft im ländlichen Raum aus? Diese Frage beantwortet die TRAIN-Studie für den Raum Nord-West-Niedersachsen.

Auf die Agrar- und Ernährungswirtschaft in Nord-West-Niedersachsen kommen durch starke Rückgänge in der Tierhaltung erhebliche strukturelle Veränderungen sowie Wertschöpfungs- und Beschäftigungsverluste zu. Das zeigen die Ergebnisse der kürzlich veröffentlichten Studie Transformationsszenarien der Agrar- und Ernährungswirtschaft in Nord-West-Niedersachsen (TRAIN), die von Akteuren aus Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Wissenschaft angestoßen und durchgeführt wurde. Die Studie bewertet erstmals die möglichen ökonomischen Auswirkungen des Transformationsprozesses auf die Land- und Ernährungswirtschaft der Region und des gesamten ländlichen Raums.

ISN: Die Auswirkungen sind bereits zu spüren, denn der Strukturbruch in der Tierhaltung ist in vollem Gange. Um diese dramatische Entwicklung abzuschwächen, brauchen die Schweinehalter endlich auskömmliche Preise für Ferkel und Mastschweine sowie von Seiten der Politik ein Handeln mit Augenmaß und ein Auflagenmoratorium, das weitere Nachteile im EU-Wettbewerb verhindert.

 

Hintergrund

Im Rahmen des Projektes Transformationsszenarien der Agrar- und Ernährungswirtschaft in Niedersachsen (TRAIN) wurden gemeinsam mit Akteuren aus Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Wissenschaft Transformationsszenarien der Agrar- und Ernährungswirtschaft im Nordwesten Niedersachsens entwickelt. Vor dem Hintergrund aktueller Herausforderungen wurden die regionalwirtschaftlichen Konsequenzen ausgewählter Szenarien qualitativ und quantitativ bewertet.

Die Studie wurde von der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer im Verbund mit den Landkreisen Cloppenburg, Emsland und Vechta sowie der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und der Handwerkskammer Oldenburg in Auftrag gegeben. Aktiv daran mitgearbeitet haben das Agrar- und Ernährungsforum Oldenburger Münsterland (AEF OM) sowie das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) und die Scenario Management International AG.

 

Ökonomische Auswirkungen durch Reduktion der Viehhaltung

Das HWWI hat in verschiedenen Szenarien untersucht, welche Auswirkungen eine Reduktion der Viehhaltung auf die regionale Bruttowertschöpfung und Beschäftigung im Betrachtungszeitraum 2020 bis 2030 hätte. Das Ergebnis: In jedem Szenario kommt es zu – teils erheblichen – Einbußen.

Schon im Szenario geringer Rückgang (Reduktion der Viehhaltung um ca. 13 %) geht die Bruttowertschöpfung in der Agrarwirtschaft um 20 Prozent und in der Nahrungs- und Futtermittelindustrie um 11 Prozent zurück. Die Beschäftigungsverluste sind mit 20 bzw. 12 Prozent fast ebenso hoch.

 

Einbrüche bei der Bruttowertschöpfung und Beschäftigungsverluste

Im Szenario starker Rückgang (Reduktion der Viehhaltung um ca. 37 %) bricht die Bruttowertschöpfung in der Agrarwirtschaft um 54 Prozent und in der Nahrungs- und Futtermittelindustrie um 30 Prozent ein. Die Beschäftigungsverluste liegen bei 55 bzw. 32 Prozent. Durch Verflechtungen mit weiteren Branchen addieren sich die Gesamtverluste bei der Bruttowertschöpfung je nach Szenario auf 1,1 bis 3,0 Milliarden Euro, bei der Beschäftigung auf 8.900 bis 23.900 Arbeitsplätze.

 

Auswirkungen für Nord-West-Niedersachsen fatal

Die prognostizierten Entwicklungen wären laut den Studienbeteiligten aus mehreren Gründen für die Region Nord-West-Niedersachsen fatal, denn geschlossene Wertschöpfungsketten und intensive wirtschaftliche Verflechtungen mit dem vor- und nachgelagerten Bereich zählen zu den wesentlichen Erfolgsfaktoren und bilden ein regionales Alleinstellungsmerkmal. Die Rolle des Ernährungssektors als Wirtschafts- und Jobmotor wäre akut gefährdet. Außerdem würden regionale Produktionseinbußen in der Agrar- und Ernährungswirtschaft mit zunehmenden Importen und Betriebsverlagerungen ins Ausland einhergehen. Dort gelten in der Regel niedrigere Standards für Umweltschutz und Tierwohl. Bemühungen der Branche und der Politik für mehr Nachhaltigkeit würden damit zunichte gemacht.

 

Lösung: Transformation durch Innovation und Abbau von Zielkonflikten

Die Agrar- und Ernährungswirtschaft befindet sich schon seit mehreren Jahren in einem umfassenden Transformationsprozess. Nachhaltigkeit in ökologischer, sozialer und ökonomischer Hinsicht ist dabei das Ziel. Laut der Studie kann dieses Ziel nur erreicht werden, wenn die Rahmenbedingungen so gestaltet sind, dass die Branche weiterhin zu wettbewerbsfähigen Konditionen vor Ort produzieren und investieren kann. Transformation durch Innovation sollte dabei die Marschrichtung sein: Durch mehr Rechts- und Planungssicherheit, den Abbau widersprüchlicher Vorgaben, mehr Freiräume für Forschung und Entwicklung und gezielte Förderung nachhaltiger Projekte sollte der Agrar-Ernährungssektor in die Lage versetzt werden, die Problemlösungen praxisnah und effektiv anzugehen. Politische Vorgaben, die das Konsumverhalten und Finanzierungsfragen außer Acht lassen, sind dabei nicht zielführend.

Die gesamten Ergebnisse der Studie sowie abgeleitete Handlungsempfehlungen für die EU-/Bundesebene, Landesebene und kommunale Ebene finden Sie in der Kurzfassung der Studie oder im ausführlichen Gesamtbericht. (siehe unten)

 

Die ISN meint:

Die Ergebnisse des Projekts zeigen eindrücklich, welch erhebliche Auswirkungen ein Rückgang der Tierhaltung nicht nur auf die Agrarwirtschaft an sich, sondern auch auf die vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereiche bis hin zu den örtlichen Strukturen im ländlichen Raum hat. Und diese Auswirkungen sind bereits zu spüren, denn der Strukturbruch in der Tierhaltung ist in vollem Gange. Der Schweinebestand in Deutschland befindet sich auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung in Deutschland 1990 – allein im vergangenen Jahr ist jeder zehnte Schweinehalter ausgestiegen. Hohe finanzielle Verluste gepaart mit mangelnder Perspektive und Planungssicherheit, dazu immer neue Auflagen, die zu allem Überfluss zum Teil im Alleingang in Deutschland umgesetzt werden, zwingen die Betriebe regelrecht in die Knie. Gleichzeitig stocken Schweinehalter in anderen EU-Staaten, wie Spanien, immer weiter auf. Um diese dramatische Entwicklung abzuschwächen, brauchen die Schweinehalter endlich auskömmliche Preise für Ferkel und Mastschweine sowie von Seiten der Politik ein Handeln mit Augenmaß und ein Auflagenmoratorium, das weitere Nachteile im EU-Wettbewerb verhindert. Wie das TRAIN-Projekt in aller Deutlichkeit aufzeigt, brauchen wir nicht nur im Sinne der Landwirte, der Tiere, der Versorgungssicherheit und von Klima- und Umweltschutz die Haltung vor Ort, sondern auch zum Erhalt des ländlichen Raumes und der Regionalwirtschaft!

Wir sind an vielen Dialogformaten beteiligt und setzen uns für praxistaugliche und machbare Lösungen für die Schweinehaltung in Deutschland ein. Die Ergebnisse der TRAIN-Studie und die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen werden wir zukünftig in die Gespräche mit einfließen lassen.


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