Tönnies ändert FOM-Klassifizierung und –abrechnung – Wirrwarr in der Branche zu befürchten
Klassifizierer, die am Band stehen und die Schweine mit der "Nadel" stechen, wird es bei Tönnies im Normalbetrieb in Zukunft nicht mehr geben.
In einem Schreiben an die Lieferanten hat der Branchenprimus Tönnies angekündigt, ab dem 18.02.2016 die angelieferten Schlachtschweine ausschließlich mit dem AutoFOM -Gerät zu klassifizieren. Die Abrechnung nach einer FOM-Maske soll aber auf Wunsch auch weiterhin möglich sein, die Muskelfleischanteile (MFA) werden dann jedoch mit dem Auto-FOM III-Gerät geschätzt. Im Klartext: Klassifizierer, die am Band stehen und die Schweine mit der Nadel
stechen, wird es bei Tönnies im Normalbetrieb in Zukunft nicht mehr geben.
Das Unternehmen begründet die Umstellung mit der stark veralteten Technik der FOM-Geräte, die seit beinahe 40 Jahren unverändert im Einsatz sei und jetzt nicht mehr angewendet werden soll. Ein überraschendes Agieren, das die Frage aufwirft, wie die Mitwettbewerber reagieren werden. Denn das Gros der Betriebe dürfte noch keine AutoFOM III – Geräte im Einsatz haben.
Alte Nadeltechnik
hat ausgedient
Auch wenn die Umstellung wieder einmal sehr kurzfristig umgesetzt wird, ist das alte FOM-Nadelgerät aus Sicht der ISN tatsächlich nicht mehr auf dem Stand der Technik. Vertreter der landwirtschaftlichen Seite weisen seit Jahren darauf hin, dass der Bedienereinfluss der neutralen Klassifizierer beim Stechen
der Schweine deutlich zu groß ist. Nicht nur die Durchschnittswerte passen in der Praxis nicht mir den Laborwerten
überein, immer wieder kommt es auch zu unerklärlichen Ausschlägen einzelner Tiere oder Partien mit viel zu schlechten MFA-Werten.
Mit dem FOM II-Gerät gibt es eine neuere Generation, bei dem der Bediener nicht nur einen deutlich geringeren Einfluss auf die Ergebnisse ausüben kann, auch der MFA wird genauer und besser geschätzt. Grundsätzlich ist die Beibehaltung der Abrechnung nach MFA wichtig, da insbesondere die dänische Genetik, die im Norden Deutschlands weit verbreitet ist, nach dieser Abrechnungsmethode meist zu einer besseren Bezahlung kommt. Einige Mäster möchten zudem lieber auf FOM-Basis abrechnen, da sie diese Methode für transparenter halten.
Umstellung bringt höhere MFA-Werte
Die bei Tönnies mit dem AutoFOM III-Gerät ermittelten Werte stimmen nicht mit den Ergebnissen der bisherigen Nadelklassifizierung überein. Aber auch mit den Ergebnissen der ersten Generation der AutoFOM-Geräte sind sie nicht vergleichbar. Das liegt daran, dass insbesondere die neue Technik und neue Schätzformeln deutlich genauere Werte ermitteln. Das heißt also: Die alte FOM - Technik, die jetzt bei Tönnies nicht mehr zum Einsatz kommen soll, unterschätzt im Praxiseinsatz grundsätzlich die MFA-Werte. Der zukünftig ermittelte MFA-Wert der AutoFOM III Geräte liegt nach Aussagen von Tönnies etwa 2 Prozentpunkte höher als der manuell ermittelte.
Auch bisherige Berechnungen der ISN haben immer wieder eine deutliche Unterschätzung der alten FOM – Geräte aufgezeigt.
Die jetzige Umstellung bedeutet aber nicht automatisch, dass sich auch die Bezahlung verbessert, da Tönnies eine Maskenänderung angekündigt hat. Anstatt eines Basispreises, der sich auf 57 % MFA bezieht, wird die neue Basis bei 59 % MFA liegen. Die neuen FOM-Masken bei Tönnies sollen also um 2 Prozentpunkte nach oben verschoben werden, andere Anpassungen sind nach Unternehmensangaben nicht geplant.
Branchenwirrwarr bei der FOM – Klassifizierung zu erwarten
Mit der jetzt angekündigten Umstellung bei Tönnies stellt sich die Frage, wie andere Unternehmen reagieren werden. Für die landwirtschaftliche Seite muss eine Vereinheitlichung der Systeme das Ziel sein. Das betrifft insbesondere die Unternehmen, die noch mit der alten Nadeltechnik
arbeiten. Auch wenn zunächst die Verwirrung unter den Landwirten und Viehvermarktern groß sein dürfte, hat Tönnies mit der Umstellung die Forderung der landwirtschaftlichen Seite nach einer neutraleren Klassifizierung umgesetzt.
Spätestens seit Einführung von AutoFom III gibt es in Deutschland einen unüberschaubaren Wildwuchs an Klassifizierungssystemen mit technischen Unterschieden von über 40 Jahren! Um wieder vergleichbare Werte zu bekommen, sollten Landwirte und Vermarkter den Druck auf die übrigen Schlachtunternehmen erhöhen, ebenfalls die Technik in ihren Unternehmen auf den neuesten Stand zu bringen. Das ist im Sinne der Transparenz wichtig, um die Vergleichbarkeit der Schlachtergebnisse nicht weiter zu erschweren. Hier gibt es auch für kleinere Schlachtunternehmen finanzierbare Lösungen im Markt.
Aufpassen bei der Vermarktung
Die ISN wird in den kommenden Wochen die derzeit vorhandene Klassifizierungstechnik der jeweiligen Schlachtstandorte erfassen und bewerten. Hieraus wird sich dann, exklusiv für ISN-Mitglieder, eine Empfehlung ableiten, welche MFA-Basis der Maske zugrunde gelegt werden sollte. Wichtig ist aber auch die einzelbetriebliche Betrachtung der Klassifizierungsergebnisse. Erste Berechnungen zeigen, dass die alten und neuen MFA-Werte nicht unbedingt bei jedem Betrieb den gleichen Abstand von rund 2 Prozentpunkten haben werden.
Ob die Aussagen von Tönnies stimmen, dass die Ergebnisse im Schnitt erlösneutral sein werden, wird die ISN kritisch beleuchten. Sicher ist schon jetzt, dass es Gewinner und Verlierer der Umstellung geben wird. Landwirte sollten also unbedingt überprüfen, wie sich die Auszahlungsbeträge sich im Vergleich zu vorher verändert haben.
Um in diesem Masken- und Klassifizierungswirrwarr den Überblick zu behalten, wird die ISN in diesem Frühjahr wieder Vermarktungsseminare mit dem Schwerpunkt Masken und Klassifizierung
anbieten. Sie haben Interesse an einem ISN-Vermarktungsseminar teilzunehmen? Dann senden Sie uns einfach die folgende (Fax-)Vorlage: