Schweinestau durch neue Corona-Geschehen wieder gewachsen – Behörden reagieren mit Augenmaß
Der Schweinestau ist durch erneute Einschränkungen bei den Schlachtkapazitäten aufgrund von positiven Corona-Tests unter Schlachthofmitarbeitern wieder angewachsen. So wurde in der vergangenen Woche ein Überhang von nunmehr 650.000 schlachtreifen Schweinen erreicht.
ISN: In den nächsten Wochen ist gerade wegen der umfangreichen Präventionsmaßnahmen immer wieder mit dem Auflodern einzelner Infektionsgeschehen in Schlachtbetrieben zu rechnen. Schließlich bilden die Unternehmen mit ihren Reihentestungen immer das Gesamtinfektionsgeschehen einer ganzen Region ab. Jetzt heißt es: Nicht nachlassen, um eine Eskalation über die Feiertage zu verhindern. Positiv: Behörden reagieren mit Augenmaß, um die Schlachtkapazitäten nicht mehr als notwendig und so kurz wie möglich einzuschränken.
Nachdem sich in den letzten Wochen andeutete, dass sich die Lage beim Schweinestau nicht noch weiter verschärft und sogar ein Abbau der Überhänge in greifbarer Nähe schien, ist der Schweinestau nun doch auf 650.000 Schweine angewachsen.
Ursache hierfür sind hauptsächlich neu aufflackernde Corona-Geschehen unter Schlachthofmitarbeitern und in der Folge erneute Einschränkungen bei den Schlachtkapazitäten. In der vergangenen Woche wurden 82 der 300 Mitarbeiter bei Vion in Vilshofen positiv auf Corona getestet. Eine behördliche Schließung wurde nicht angeordnet. Dennoch stand der Betrieb ab Montag, 23.11.2020 still. Seit letztem Dienstag, 01.12.2020 steht wieder ausreichend Personal zur Verfügung und der Betrieb wurde mit ca. 50 % der üblichen Kapazität wieder aufgenommen. Normalerweise werden in Vilshofen etwa 20.000 Schweine pro Woche geschlachtet.
Auch bei Tönnies in Weißenfels sind im Laufe der letzten zwei Wochen bei regelmäßigen Tests 172 der etwa 2.200 Beschäftigten positiv auf Corona getestet worden. Die Kapazität, die üblicherweise ca. 90.000 Schweine pro Woche beträgt, war laut Unternehmensangaben bisher nur leicht beeinträchtigt
, wie auch die amtlichen Schlachtzahlen in der Region Nord-Ost zeigen. Bundesweit wurden in der vergangenen Woche nur 850.000 Schweine geschlachtet. Ein Minus im Vergleich zur gleichen Kalenderwoche des Vorjahres von gut 100.000 Schweinen. Auf der anderen Seite wurden aber auch über 35.000 Schlachtschweine weniger importiert und rund 15.000 Schweine mehr lebend exportiert. Auch wurden deutlich weniger Ferkel importiert (in den vergangenen 10 Wochen allein ca. 350.000 Ferkel weniger), was sich erst zeitversetzt im neuen Jahr am Schlachtschweinemarkt bemerkbar machen wird.
ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack bewertet die Situation daher wie folgt: Der Schweinestau hält sich hartnäckig. Immerhin: Dadurch, dass alle – also Behörden und Unternehmen gleichermaßen - konsequent am Ball bleiben, sehen wir schon eine andere Lage, als im Sommer oder Herbst. Nach unserem Eindruck sind alle Beteiligten bemüht und gewillt, die Schlachtkapazitäten nicht mehr als notwendig und so kurz wie möglich einzuschränken. Trotz dieses Dämpfers sollte es möglich sein, ein weiteres Anschwellen des Schweinestaus bis und über die Feiertage möglichst weit abzufangen.
Besonnenes Agieren der Behörden
Die positiven Aspekte im Umgang mit neuen Corona-Infektionen an Schlachthöfen zeigen sich sowohl in Vilshofen als auch in Weißenfels: Es ist zu beobachten, dass alle Beteiligten besonnen reagieren. Schnell wurden Maßnahmen ergriffen, um die weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern. Ebenso sind aber alle Beteiligten inklusive der Behörden vor Ort auch bemüht, die Kapazitätseinschränkungen so gering wie möglich zu halten. Dazu kommentiert Staack: Es sieht so aus, als könne sowohl in Vilshofen als auch in Weißenfels ein angemessenes Maß zwischen Infektionsschutz und Kapazitätserhaltung erreicht werden. Die Zusammenarbeit zwischen Schlachtunternehmen und Behörden scheint gut zu funktionieren.
Unter anderem äußert sich das darin, dass der Betrieb in Vilshofen seit Dienstag wieder mit halber Kapazität laufen kann und auch in Weißenfels zeigt man sich optimistisch. Im Gegensatz zu zurückliegenden Corona-Geschehen an anderen Schlachtstandorten macht dies Hoffnung, dass vermehrte Infektionen an einem Schlachthof auch in Zukunft mit entsprechendem Augenmaß bewältigt werden können. Das ist ein wichtiger Hinweis, denn angesichts der bundesweiten Corona-Zahlen ist es nur realistisch davon auszugehen, dass solche Fälle auch in den nächsten Wochen und Monaten wieder auftreten können
, so Staack weiter.
Mit Arbeitsquarantäne und mehr Arbeitszeit für Entspannung sorgen
Entscheidend für die nächsten Wochen ist, dass Kapazitätsbeschränkungen z. B. durch die Arbeitsquarantäne möglichst gering gehalten werden sollten. Diesbezüglich gibt es bereits Landkreise, die die entsprechenden Voraussetzungen dafür schaffen. Laut Nord-West-Zeitung (NWZ) haben das Niedersächsische Sozialministerium und der Landkreis Cloppenburg bestätigt, dass die jetzige Gesetzes- und Verordnungslage es ermögliche, dass Mitarbeiter an Schlachthöfen nach einem Weihnachtsurlaub in ihren Heimatländern eine häusliche Quarantäne mit der Gewährung einer Arbeitsquarantäne umgehen können. Über Weihnachten und den Jahreswechsel werden viele Mitarbeiter zum Urlaub in ihre Heimatländer fahren. Im Normalfall müssten sie als Urlaubsrückkehrer eine zehntätige häusliche Quarantäne einhalten. Im Zuge der weiterhin geltenden Arbeitsquarantäne kann das vermieden werden und es darf direkt nach der Rückkehr der Arbeitsplatz aufgesucht werden. Staack bewertet dies folgendermaßen: An Schlachthöfen käme es ohne diese Möglichkeit zu einer erheblichen Verschärfung des Personalmangels. Gepaart mit den feiertagsbedingten fehlenden Schlachttagen käme es dann zu einem sprunghaften Anstieg des Schweinestaus auf tatsächlich rund 1 Million Schweine! Das wäre eine Katastrophe. Daher begrüßen wir ausdrücklich die Unterstützung der Behörden, eine höchstmögliche Auslastung aller Schlachtkapazitäten durch die Genehmigung der Arbeitsquarantäne zu ermöglichen. Und ergänzt:
Gut ist auch, dass nun ebenfalls die vorübergehende Flexibilisierung der Arbeitszeit in Angriff genommen wird, um mehr Schlachtungen zu erreichen." Gemeint ist die laut verschiedener Medien getätigte Zusage des Bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger anlässlich eines Besuches des Vion-Schlachthofes in Vilshofen, sich für eine Allgemeinverfügung mit Ausnahmeregeln zur Ausweitung der Arbeitszeit einzusetzen. Sein Ziel ist es hierbei, den Schlachtbetrieb aufrecht zu erhalten und das Anwachsen des Schweinestaus zu verhindern. Ähnliche Ausnahmen hatte es zuvor z.B. auch schon in Schleswig Holstein gegeben.