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Russland: Auf dem Weg zur Exportnation für Schweinefleisch?

2017  Russland Russischer Selbstversorgungsgrad Mit Schweinefleisch

Über Jahre war Russland der wichtigste Absatzmarkt außerhalb Europas für deutsches Schweinefleisch. Sind diese Zeiten endgültig vorbei? Wohl in kaum einem anderen Land der Welt entwickelt sich die Schweinehaltung so dynamisch wie in Russland. Politisch unterstützt und angefeuert durch die Sanktionspolitik mit dem Westen wächst die heimische Lebensmittelproduktion in Russland rasant und schickt sich an, zunehmend auch internationale Handelsstrukturen zu verschieben.

 

Selbstversorgung annähernd bei 100 %

Trotz der wirtschaftlich angespannten Lage in Russland und der dort grassierenden afrikanischen Schweinepest konnte die Produktion in den vergangenen fünf Jahren um 800.000 Tonnen (+24 %) gesteigert werden. Im gleichen Atemzug verringerten sich die Importe auf etwa ein Viertel der ursprünglichen Mengen. Der Selbstversorgungsgrad liegt bei einer leicht rückläufigen Nachfrage mittlerweile bei fast 100 %.

Haupttreiber dieser Entwicklung ist der russische Staat gemeinsam mit russischen und ausländischen Investoren. Trotz WTO-Zugehörigkeit hat Russland die politische Krise nach der Krim-Annexion instrumentalisiert und sich von westlichen Agrarimporten gelöst. Verstärkt wurde diese Entwicklung zudem durch die enorme Rubel-Abwertung, welche die Importe verteuerte.

 

Top 2: Miratorg und Rusagro

Der größte Schweinehalter in Russland ist mit einem Marktanteil von rund 12 % das Unternehmen Miratorg. Nach eigenen Angaben wurden im Jahr 2015 rund 300.000 Tonnen Schweinefleisch (also über 3 Mio. Schlachtschweine) verarbeitet. Auch weiterhin will man stark expandieren und hat dabei insbesondere die Exportmärkte im Blick. Bis 2020 will das Unternehmen nach Medienberichten die Fleischexporte auf 250.000 Tonnen verzehnfachen.

Auch die Nummer zwei auf dem russischen Markt wächst rasant. Rusagro konnte die Produktion seit 2012 von ca. 70.000 Tonnen Lebendgewicht der produzierten Schweine auf ca. 200.000 Tonnen fast verdreifachen. Der Marktanteil wuchs damit von 3,2 % auf etwa 5,3 %. Aktuell muss das Unternehmen jedoch einen herben Rückschlag hinnehmen. Eine Farm mit etwa 15.000 Schweinen wurde durch die afrikanische Schweinepest getroffen und musste geräumt werden. Die übrigen Betriebe sollen bislang nicht betroffen sein. Nach Medienberichten war es der erste Ausbruch in der Region Belgorod, in der etwa 25 % der kommerziell gehaltenen Schweine in Russland stehen. Nicht nur Rusagro befürchtet gravierende Auswirkungen auf die Möglichkeiten des Exports von Schweinefleisch, z.B. auf den asiatischen Markt. Der Zugang zum chinesischen Markt dürfte damit zunächst einmal in weite Ferne gerückt sein.

 

Weitere Integrationen folgen

Den Marktführern folgen eine Reihe weitere Integrationen, u.a . Cherzikovo, Agro-Belogorie und Velikoluksky. Allen Unternehmen gemeinsam sind die beachtlichen Wachstumspläne. Das Muster ist dabei immer ähnlich: Die Ställe werden in einfacher Bauweise aber mit solider Technik errichtet. Oft liefern deutsche, dänische oder niederländische Firmen die Technik und das Know-How. Zunehmend kommt westliche Genetik in den Ställen zum Einsatz, die den europäischen Leistungen kaum nachsteht. Tierwohl ist kein Thema und damit kein Kostentreiber. Auch der Einsatz von antibiotischen Leistungsförderern kommt erst in jüngster Zeit und mit zunehmenden Exportwillen in die Diskussion.


Tönnies-Standort in Russland

Tönnies-Standort in Russland

Auch Tönnies investiert kräftig in Russland

Auch deutsche Investoren sind auf dem russischen Markt aktiv. Allen voran Tönnies, der in den vergangenen Jahren eine integrierte Schweineproduktion inkl. Ackerbau, Futtermühle, Farmen und Schlachthof aufgebaut hat. Bis zum Jahr 2020 sollen nach Medienberichten Schlachtkapazitäten für 1,04 Mio. Schweine/Jahr fertiggestellt sein. Mehrere Farmen wurden in den vergangenen Jahren fertiggestellt, einige sind noch in der Planung.

 

Fazit: Konkurrenzdruck auf dem Weltmarkt wächst

Die russische Schweinefleischproduktion entwickelt sich rasant und Investoren haben durch die geographische Nähe längst die Exportmärkte in Asien im Blick. Ohne Risiko ist diese Strategie nicht. Die afrikanische Schweinepest ist in dem riesigen Flächenland und mit den zahlreichen Hinterhofhaltungen kaum in den Griff zu bekommen, gleichzeitig haben die Veredelungszentren eine hohe Schweinedichte. Der direkte Export von russischem Schweinefleisch nach China dürfte nicht zuletzt durch den Ausbruch der Schweinepest in einer Großanlage von Rusagro zunächst in weite Ferne gerückt sein.

Selbst wenn die Sanktionspolitik mit dem Westen aufgehoben würde, wird Russland kaum noch auf den Import von europäischem Schweinefleisch angewiesen sein. Die Zeiten, als Russland Preisstütze für die europäischen Schweinenotierungen war, sind längst vorbei. Im Gegenteil: Durch die Produktionssteigerungen in Russland verschieben zunehmend Handelsbeziehungen. So müssen die Handelsmengen, z.B. aus Brasilien, andere Absatzmärkte finden. Das wiederum kann die Preise in Asien unter Druck setzen.

Die Produktionskosten in den russischen Neubauprojekten liegen – ein entsprechendes Leistungsniveau vorausgesetzt - deutlich unter dem mitteleuropäischen Niveau. Deutsche Schweinehalter sind also gut beraten, sich auf ihre Stärken zu konzentrieren. Dazu zählen eine hohe Produktqualität, die Lebensmittelsicherheit, Rückverfolgbarkeit und nicht zuletzt die weltweit höchsten Tierwohlstandards. Dieses Knowhow dürfte nicht nur in Europa, sondern weltweit zunehmend gefragt sein.


Tönnies treibt Aktivitäten in Russland und Serbien voran - auch weitere Übernahmen in Deutschland geplant

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