Preisfindung am Schweinemarkt: gestern – heute – morgen
Wer oder was bestimmt den Schweinepreis? Gelten die alten marktwirtschaftlichen Faustregeln auch noch in 2018? Ist die Notierung der Vereinigung der Erzeugergemeinschaften noch zeitgemäß? Diese und andere Fragen bewegten die Schweinebranche im Rahmen der Podiumsdiskussion auf der ISN-Mitgliederversammlung.
Wandelnde Märkte, wichtiger Export
Gut 300 Zuhörer konnten am vergangenen Montag in Osnabrück eine lebhafte Podiumsdiskussion unter der Moderation des Topagrar-Chefredakteurs Dr. Ludger Schulze-Pals verfolgen. Auf dem Podium diskutierten Matthias Frieß, Vorsitzender der Vereinigung der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch (VEZG), Steen Sönnichsen, geschäftsführendes Vorstandsmitglied bei der Westfleisch, Frans Stortelder, Geschäftsführer der Schweinesparte bei der VION, und Andreas Stärk, Geschäftsführer der ISW GmbH.
Dass Märkte sich verändern und entwickeln, darin waren sich zumindest die vier Teilnehmer der Podiumsdiskussion einig. Auch die Bedeutung des Exportmarktes stellte keiner der geladenen Experten in Frage. Sehr unterschiedliche Ideen traten allerdings in Bezug auf die ideale Preisfindung und -gestaltung zu Tage.
Neues Abrechnungskonzept bei VION
Derzeit biete der Schlachtschweinemarkt zu wenig Vielfalt, stellte Frans Stortelder gleich zu Beginn fest. Verschiedene Absatzmärkte erfordern verschiedene Lösungen. So sei für die niederländische Fleischbranche beispielsweise der japanische Markt außerordentlich wichtig. Dort würden speziell kleine Filets verlangt werden und die dafür geforderten Schweine seien am Markt nicht verfügbar. Mit dem in den Niederlanden eingeführten Konzept Good Farming Balance wolle VION dem Wunsch nach mehr Vielfalt nachkommen. Neben der Wahlmöglichkeit zwischen Wochen-, Garantie- und Festpreis sei deshalb beispielsweise eine Maske hinsichtlich des Gewichtskorridors deutlich offener gestaltet. Das sei insbesondere für Rein-Raus-Mäster vorteilhaft und eine Chance in Sachen Tiergesundheit ein gutes Stück voranzukommen, wie ein Zuhörer anmerkte. Den kalkulierten Mehrerlös für die niederländischen Landwirte bezifferte Stortelder auf beachtliche 3 bis 5 Euro je Schwein. Er appellierte, den Fokus stärker auf den Deckungsbeitrag als auf den Wochenpreis zu legen.
Kurz- oder langfristige Preisbildung
Dem Vereinigungspreis in der Gegenwart maßen alle Podiumsteilnehmer eine große Bedeutung bei. Die Vereinigung
bleibe Marktmeister
, so bezeichnete es Stortelder treffend. Dass der VEZG-Preis als Preisbasis auch zukünftig benötigt werde, war sich VEZG-Vorsitzender Matthias Frieß sicher – auch, dass der Wochenpreis als wichtiger Pfeiler Bestand haben werde. Zugleich warf er aber auch die Idee in den Raum, zukünftig einen Teil der Schweine über Kontrakte zu verkaufen. Dieses Instrument sei beispielsweise auch im Futtermittelbereich bekannt und habe auch dort neben den Tagespreisen Bestand. Dass zukünftig eine derartige Kombination aus kurz- und langfristiger Preisbildung eine stärkere Rolle spielen werde, davon zeigte sich der VION-Mann Stortelder überzeugt. Bei der Westfleisch, so Sönnichsen würde bereits heute ein großer Teil der Schweine über mehrwöchige Preissysteme abgerechnet. Dadurch würden zum Teil Preisschwankungen abgefangen, was eine gewisse Stabilität bringe.
Genug freie
Schweine?
Frieß zeigte sich überzeugt, dass freie
Schweine in Deutschland nicht weniger werden. Diesen Wehrmutstropfen für die Preisbildung sieht jedoch ISW-Geschäftsführer Andreas Stärk bei einem immer weiter steigenden Anteil in unterschiedlicher Weise in der Vermarktung gebundener Schweine. Deshalb müsse auch über mögliche Formen einer Einbeziehung von Lieferverträgen bei der Preisbildung der Zukunft nachgedacht werden. Zwar bilde die VEZG-Notierung eine sehr gute Basis, dennoch müsse der Preis weiterentwickelt werden. Er empfahl, den Fleischmarkt in die Preisbildung einzubeziehen. Dafür müssten sich jedoch die Schlachtunternehmen stärker öffnen und der Erzeugerseite Einblick gewähren. Auch Sönnichsen forderte dazu auf, neue Wege zu gehen und beispielsweise den Lebensmitteleinzelhandel in eine gemeinsame Preisbildung direkt einzubeziehen.
Preissprünge begrenzen?
Die Begrenzung der Preissprünge nach oben und unten müsse außerdem ernsthaft in Betracht gezogen werden, so Stärk. Damit zeigte sich sofort Steen Sönnichsen von der Westfleisch einverstanden, immerhin sei der dänische Markt mit einer Begrenzung bislang gut gefahren. Jo-Jo-Effekte schaden allen Beteiligten mehr, als dass sie nutzen. Gewinner sei dann nur der Fleischkunde, berichtete Sönnichsen. Die Branche müsse näher zusammenrücken, so seine zentrale Forderung. Dass die Erzeugerseite sich oftmals nicht fair behandelt fühlt, wurde dann in der offenen Diskussion, an der sich alle beteiligen konnten, deutlich. Der Stein des Anstoßes waren dabei die Abrechnungsmasken der Schlachtunternehmen, die in den letzten Jahren immer wieder angepasst wurden.
Das ISN-Fazit:
Die Diskussion hat einmal mehr sehr deutlich gezeigt, dass sich die Voraussetzungen für die Schweinepreisbildung ändern. Verträge, Kontrakte, Tierwohlprogramme u.v.m. führen zu stärkeren Bindungen in der Kette Schweinefleisch. Deshalb ist die Branche gut beraten, gemeinsam die bestehenden Instrumente rechtzeitig anzupassen und auszubauen und somit zu stärken.