22.06.2020rss_feed

NRW schlägt Kompromiss mit Gruppenhaltung im Deckzentrum vor – Tierschutzorganisationen mit realitätsfernen Forderungen

Ein Kernpunkt des neuen Kompromissvorschlags ist der Ausstieg aus der Kastenstandhaltung im Deckzentrum in spätestens 8 Jahren.

Ein Kernpunkt des neuen Kompromissvorschlags ist der Ausstieg aus der Kastenstandhaltung im Deckzentrum in spätestens 8 Jahren.

NRW bringt erneut einen Kompromissvorschlag zur Tierschutznutztierhaltungsverordnung auf den Weg und will die Gruppenhaltung im Deckzentrum in spätestens 8 Jahren. Im Abferkelbereich soll die Fixierungsdauer in spätestens 15 Jahre auf 5 Tage reduziert werden. Verschiedene Tierschutzorganisationen fordern weit deutlich kürzere Fristen und die freie Abferkelung.

ISN: Die bevorstehenden Neuregelungen sind dicke Brocken für die deutschen Sauenhalter. Trotzdem ist richtig, dass NRW noch einmal einen Kompromissanlauf unternimmt, denn die Ferkelerzeuger brauchen endlich Planungssicherheit und Perspektive. In wie weit der Kompromiss tragfähig ist, hängt aber von den noch unbekannten wichtigen Details ab. Forderungen der Tierschützer nach freier Abferkelung sind jedenfalls realitätsfern und ein No-Go für konventionelle Schweinehalter. Die von den Tierschützern vorgebrachten Fristen sind angesichts der Genehmigungspraxis in Deutschland eine Lachnummer.

 

Nordrhein-Westfalen unternimmt einen neuen Anlauf, um im Streit über eine Neuregelung der Kastenstandhaltung von Sauen einen Kompromiss zu finden. Kernpunkte des neuen Kompromissvorschlags sind ein Ausstieg aus der Kastenstandhaltung im Deckzentrum innerhalb einer Übergangsfrist von acht Jahren sowie eine Konzentration der Umbauförderung auf Maßnahmen, die über die Vorgaben der Verordnung hinausgehen. Sollte sich eine Ländermehrheit abzeichnen, soll in der Bundesratssitzung am 3. Juli über die Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung abgestimmt werden, schreibt Agra Europe (AgE).

Schnellere Umsetzung soll gefördert werden

Laut dem vorliegendem Kompromissvorschlag wäre nach acht Jahren eine Fixation der Sauen im Deckzentrum nur noch für einen kurzen Zeitraum um den Zeitpunkt der Besamung zulässig. Außerhalb dieses Zeitraums sollen die Sauen in Gruppen gehalten werden müssen. Innerhalb der achtjährigen Übergangsfrist soll eine Haltung in vorhandenen Kastenständen unter der Voraussetzung zulässig sein, dass dem Schwein beim Ausstrecken der Gliedmaßen in Seitenlage kein bauliches Hindernis entgegensteht. Im Abferkelbereich soll es mit der Verkürzung der Verweildauer im Ferkelkorb auf fünf Tage, einer Vergrößerung der Abferkelbuchten auf 6,5 m2 sowie der Übergangsfrist von 15 Jahren bei den bereits bisher geplanten Regelungen bleiben, heißt es in der AgE-Meldung weiter. In der von der Bundesregierung in Aussicht gestellten Protokollerklärung sollen die Forderungen der sogenannten G-Länder (Bundesländer mit Regierungsbeteiliung der Grünen) zur Umbauförderung berücksichtigt werden. Danach sollen sowohl Betriebe gefördert werden, die in bereits innerhalb vorgesehenen Frist umrüsten, als auch solche, die über die Anforderungen der Verordnung hinaus Umrüstungen vornehmen.

 

Tierschützer wollen in fünf Jahren zur freien Abferkelung

Unterdessen legten elf Tierschutzorganisationen laut einer Pressemeldung ein Konzeptpapier vor. Nach ihren Vorstellung sollen zunächst alle Betriebe im Deckbereich nach Abschluss von zwei Jahren auf die Gruppenhaltung - ohne jeglichen Kastenstand - umgestellt haben. Die Organisationen wollen, dass Sauenhalter innerhalb der ersten sechs Monate ein Umbaukonzept und innerhalb des ersten Jahres einen Bauantrag vorlegen. Die maximale Fördermöglichkeit sollten laut Pressemeldung diejenigen Betriebe erhalten, die noch vor Ablauf der Frist von einem Jahr einen Bauantrag einreichen. Nach spätestens fünf Jahren müssen alle Betriebe auch auf freie Abferkelsysteme umgestellt haben, wenn es nach dem Willen der Tierschützer ginge. Deshalb solle hier nach zwei Jahren ein Umbaukonzept und nach einem weiteren Jahr ein Bauantrag vorgelegt werden. Die maximale Fördermöglichkeit sollten den Tierschützern zu Folge diejenigen Betriebe erhalten, die noch vor Ablauf der Frist von drei Jahren einen Bauantrag eingereicht haben.

 

ISN meint:

Die bevorstehenden Neuregelungen sind dicke Brocken für die deutschen Sauenhalter. Trotzdem ist richtig, dass NRW noch einmal einen Kompromissanlauf unternimmt, denn die Ferkelerzeuger brauchen endlich Planungssicherheit und Perspektive. In wie weit dieser neue Vorschlag nun mehrheitsfähig ist, werden die nächsten Tage bis zur Bundesratssitzung am 3. Juli zeigen. Denn nun laufen – wie schon vor den letzten Terminen – die Telefondrähte heiß.

Eine umfassende fachliche Beurteilung des NRW-Kompromisses ist aus unserer Sicht erst dann möglich, wenn auf die vielen noch nicht bekannten, aber entscheidenden Details klar sind. Wichtig ist es, dass insbesondere auch die Betriebe, die bereits im Deckzentrum und Abferkelstall nach bestem Wissen und Gewissen und mit viel Geld ihre Sauenhaltung angepasst haben, eine angemessene Übergangszeit bekommen. Und auch, wenn Gruppenhaltung im Deckzentrum das erklärte Ziel in der Gesetzgebung werden sollte, so muss Einzelhaltung im Deckzentrum zukünftig ebenso noch möglich sein, wenn entsprechende Vorgaben eingehalten werden.

Aus Tier- und Arbeitsschutzgründen ist die freie Abferkelung, so wie sie von den Tierschützern gefordert wird, ein No-Go für die konventionellen Schweinehalter. Diesen Schritt wurden die meisten von Ihnen nicht mitgehen, auch wenn der Umsetzungszeitpunkt noch weit in der Zukunft liegen würde. Nicht nur die eigenen Erfahrungen, sondern auch verschiedene wissenschaftliche Projekte wie InnoPig in Deutschland und ProSau in Österreich haben jüngst eindeutig belegt, dass die Fixierungsmöglichkeit der Sau für mindestens wenige Tage um die Geburt herum zwingend erforderlich ist, um explodierende Ferkelverluste zu vermeiden. Deshalb dürfen sich die Bundesländer von den realitätsfernen Vorschlägen der Tierschutzorganisationen blenden lassen. Realitätsfern kann man die von ihnen in den Raum geworfenen Fristen auch nur nennen. Derartige Fristen sind allein schon angesichts der Genehmigungspraxis in Deutschland eine Lachnummer.



arrow_upward