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NIRS-Sensor bei der Gülleausbringung – was kann er leisten?

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Angesichts der explodierenden Düngerpreise lohnt es sich mehr denn je Ausbringungsverluste bei der organischen Düngung zu vermeiden und die Nährstoffe zielgerichtet dort auszubringen, wo sie benötigt werden. Seit einigen Jahren kommen dafür auch NIRS (Nahinfrarotspektroskopie)-Sensoren zum Einsatz. Sie helfen die relevanten Inhaltsstoffe in den organischen Düngern berührungslos und in Echtzeit zu bestimmen.

Im Rahmen des Erfahrungsaustausches im Praktikernetzwerk Wirtschaftsdünger haben wir Dr. Harm Drücker, Leiter des Fachbereiches Landtechnik, Energie, Bauen, Immissionsschutz bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, um eine aktuelle Einschätzung gebeten.

 

Herr Drücker, wie genau funktionieren die NIRS-Sensoren und wo werden die eingesetzt?

Harm Drücker: NIRS ist eine physikalische Analysetechnik auf Basis der Spektroskopie. Sensoren ermöglichen eine berührungslose Abschätzung enthaltener Nährstoffe an vorbeifließenden Medien wie flüssigen Wirtschaftsdüngern, aber auch Getreide, Silomais und Grünfutter. Die zu analysierenden Stoffe werden dabei mit kurzwelligem Infrarotlicht bestrahlt, die Reflexionsspektren aufgenommen und die jeweiligen Charakteristiken mit Spektren von den gleichen Stoffen mit bekannten Nährstoffgehalten (Referenz) abgeglichen.

NIRS-Sensoren werden in der Landwirtschaft in erster Linie zum Ermitteln der enthaltenen Nährstoffe in flüssigen Wirtschaftsdüngern eingesetzt. Hierzu werden sie an Ausbring- und Transportfahrzeugen, aber auch mobil, z.B. auf KFZ-Anhängern, eingesetzt. Zum Schätzen der Qualitäten von Erntegütern ist eine Montage auf Häckslern oder Mähdreschern möglich.

Wo liegen die Stärken und Schwächen der Sensoren – auch im Vergleich zu den Laboruntersuchungen?

Harm Drücker: NIRS-Sensoren werden anhand nasschemischer Analysedaten kalibriert, d.h. die Messgenauigkeit kann sich den Ergebnissen nasschemischer Verfahren höchstens nähern, diese aber niemals übertreffen. Allerdings ermöglichen sie eine permanente Messung quasi nebenbei ohne großen Aufwand, z.B. beim Befüllvorgang von Transport- oder Ausbringfahrzeugen und damit eine Mittelung einer sehr großen Anzahl von Messwerten über einen längeren Zeitraum. Der Einfluss von z.T. nicht unerheblichen Fehlern bei der Entnahme einzelner Gülleproben, wie sie bei einer nicht ausreichenden Homogenisierung der Gülle auftreten, wird dadurch vermieden. Außerdem liegen die Analysedaten von NIRS-Messungen unmittelbar vor, was besonders bei der bedarfsgerechten Düngung ein großer Vorteil ist, da dann gegebenenfalls Analysedaten der tatsächlichen Charge in Echtzeit verfügbar sind.

Wichtig ist auch, dass die in den NIRS-Sensoren der verschiedenen Hersteller hinterlegten Kalibrationen nicht alle Güllequalitäten abbilden können, d.h. ist die Gülle z.B. extrem dick oder extrem dünn kann eine Schätzung nur mit unzureichender Güte erfolgen. Die Systeme geben dann aber einen Hinweis.

Wo liegen die Kosten der Sensoren? Wird die Technik auch gefördert?

Harm Drücker: Die Kosten belaufen sich bei NIRS-Sensoren für Wirtschaftsdünger im Bereich von ca. 35.000,- € für die Sensoren und etwa 55.000,- € für mobile Komplett-Systeme. Für die Wartung sowie Software- und Kalibrations-Updates können nochmal Kosten im Bereich von ca. 1000,- € bis 2.500,- € im Jahr veranschlagt werden.

NIRS-Sensoren sind durch verschiedene Förderprogramme auf Bundes- und Landesebene bereits gefördert worden. 2020 gab es in Niedersachsen das Programm Investitionen zur Verbesserung des Nährstoffeinsatzes (IVN) welches 35 % des zuwendungsfähigen Investitionsvolumens förderte. Im Investitionsprogramm Landwirtschaft können Landwirte und auch landwirtschaftliche Dienstleister vermutlich ab dem Sommer wieder Anträge bei der Rentenbank stellen und Investitionszuschüsse von bis zu 40 % erhalten. Die förderfähigen NIRS-Systeme (DLG-Anerkennung erforderlich) sind in der entsprechenden Positivliste aufgenommen.

In einigen Bundesländern (z.B. in NRW) sind die NIRS-Sensoren auch in der Dokumentation anerkannt – in Niedersachsen nicht. Was ist der Hintergrund?

Harm Drücker: Zunächst einmal muss man festhalten, dass die jeweiligen Sensoren in den betreffenden Bundesländern, wie z.B. in NRW, immer nur für die Nährstoffe zur Dokumentation zugelassen sind, für die auch eine DLG-Anerkennung vorliegt. Von einer pauschalen Anerkennung von NIRS-Sensoren kann man also auch dort nicht sprechen.

In Niedersachsen müssen nach der DüMV beim Inverkehrbringen oder der Abgabe von Wirtschaftsdüngern die Nährstoffgehalte deklariert werden. Das ist auch bereits jetzt mittels NIRS möglich. Der Abgeber muss jedoch die deklarierten Nährstoffgehalte eigenverantwortlich gegenüber dem Aufnehmer zusichern.

Beim Aufbringen von im eigenen Betrieb erzeugten Wirtschaftsdüngern müssen die Nährstoffgehalte nach der DüV entweder mittels der Standardwerte der nach Landesrecht zuständigen Stelle oder anhand von wissenschaftlich anerkannten Messmethoden für die Analyse von Wirtschaftsdüngern ermittelt werden. Zu diesen Messmethoden gehört NIRS derzeit nicht. Offene Fragen gibt es weiterhin im Bereich der Qualitätssicherung. Derzeit ist nicht geregelt, wie die Funktions- und auch Manipulationssicherheit sowie Sicherstellung der dauerhaften Messgüte im laufenden Praxisbetrieb gewährleistet werden kann.

Gibt es noch Forschungsbedarf für den weiteren Einsatz der Sensoren und wie sieht der weitere Verlauf der Anerkennung in allen Bundesländern aus?

Harm Drücker: Ja, es gibt noch Forschungsbedarf! Derzeit laufen zwei bedeutende bundesweite Verbundvorhaben, an denen auch die LWK Niedersachsen beteiligt ist. Im BLE-Projekt 'MUD-NIRS' soll der Einsatz von NIRS-Sensoren unter praktischen Gesichtspunkten sowohl beim Abgeber, als auch beim Aufnehmer beleuchtet und begleitet werden. Ziel ist hier, die Effekte des Einsatzes im ganzen Verfahrensablauf zu bewerten. Auf der alleinigen Gegenüberstellung NIRS-Messung vs. nasschemische Analyse, liegt hier nicht das Hauptaugenmerk. Hierzu arbeiten wir, und auch die bundesweiten Partner, eng mit zuvor ausgewählten landwirtschaftlichen MUD (Modell- und Demonstrations-) Betrieben zusammen.

Im BLE-Projekt 'NIRS-QS' geht es um die Entwicklung und Validierung eines Qualitätssicherungssystems für mobile NIRS – Systeme (siehe Frage 4). Die Ergebnisse können dann eine Grundlage für eine mögliche Zulassung von NIRS-Sensoren nach der DüV werden."

 

Über das Praktikernetzwerk Wirtschaftsdünger

Das Wissen um die Möglichkeiten verschiedener Separations- und Aufbereitungsmethoden sowie über weitere Aspekte rund um das Thema Wirtschaftsdünger zu mehren, hat sich das Praktikernetzwerk Wirtschaftsdünger auf die Fahnen geschrieben. Nach drei Jahren intensivem Austausch von Fachexperten, Wissenschaftlern und natürlich Landwirten ist es Zeit Bilanz zu ziehen. Wo stehen wir? Was bringt die Zukunft? In den nächsten Wochen werden wir in loser Folge im schweine.net wesentliche Erkenntnisse aus dem Praktikernetzwerk Wirtschaftsdünger aufgreifen.

Das Praktikernetzwerk Wirtschaftsdünger wird durch das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz gefördert und durch die Stiftung Gewässerschutz Weser-Ems unterstützt. Projektpartner sind das Landvolk Vechta, das Landvolk Cloppenburg, das Agrar- und Ernährungsforum Oldenburger Münsterland und die ISN-Projekt GmbH.

 

Ausführliche Informationen zum Praktikernetzwerk, den Veranstaltungen sowie zur Gülleaufbereitung und Separationstechnik finden Sie unter: www.wirtschaftsduenger.info


Termine:

  • Am 19.05.2022 um 19 Uhr stellt Heinz Hermann Wilkens von der LWK Niedersachsen in einer Online-Veranstaltung die aktuellen Ergebnisse aus dem Nährstoffbericht 2020/21 vor.
  • Am 30.05.2022 um 13:00 Uhr referiert Prof. Dr. Carsten Herbes von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen online zum Thema Aufbereitung und Vermarktung von Wirtschaftsdüngern außerhalb der Landwirtschaft – Wirtschaftlichkeit und Verbraucheranforderungen am Beispiel Gärprodukte
  • Am 09.06.2022 bietet die Terrawater GmbH die Besichtigung ihrer Terra Organic FFT & HEF (50%/100%) vor Ort in Bakum an.

 

Eine Anmeldung ist unter www.wirtschaftsduenger.info über den Menüpunkt Veranstaltungen möglich. Hier werden auch regelmäßig weitere Termine veröffentlicht.


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