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Kastration: Anpassung der VEZG-Ferkelpreisnotierung ab 2021

Anpassung Ferkelnotierung VEZG

Mit Blick auf das Ende der betäubungslosen Ferkelkastration will die VEZG die Ferkelnotierung ab 2021 anpassen und einen Zuschlag von 2 € je Ferkel bei Kastration ausweisen. Wir haben Ferkelerzeuger und Mäster nach ihrer Meinung gefragt und auch in Dänemark nachgehakt.
ISN: Die Notierungsanpassung ist ein Signal – ist es auch das richtige Signal zur richtigen Zeit? Am Ende wird der Markt und nicht politisch gesetzte Werte darüber entscheiden, welche Preise für Ferkel gezahlt werden.

 

In einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Pressemeldung gab die VEZG bekannt, dass die Vereinigung der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch (VEZG) sowie der Fachbeirat der Landwirtschaftskammern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen eine Anpassung der Ferkelpreisnotierung nach dem Ende der betäubungslosen Ferkelkastration ab dem 01. Januar 2021 beschlossen haben.

 

2 € mehr pro Ferkel bei Kastration

Die Preisangaben werden sich künftig auf 200er Gruppen unkastrierter Eber- und Sauferkel beziehen, die in Deutschland geboren und aufgezogen wurden. Gesetzeskonform kastrierte Ferkelpartien deutscher Herkunft im ausgeglichenen biologischen Geschlechtsverhältnis erhalten einen Zuschlag von 2 Euro je Tier. Mit der Veröffentlichung der ab 2021 geltenden Notierungsanpassung soll bereits jetzt begonnen werden, damit die Sauenhalter ein Marktsignal erhalten, dass es spätestens zum Jahreswechsel zu einer Preisdifferenzierung kommen wird. Dies sei wichtig, da im Hinblick auf die betriebliche Umsetzung bereits jetzt erhebliche Investitionsentscheidungen zu treffen seien, heißt es in der Pressemeldung der VEZG. Sauenhalter müssten sich darüber im Klaren sein, dass Eber aufgrund der eingeschränkten Vermarktungssituation und der abweichenden Schlachtkörperqualität auch weiterhin von den Schlachthöfen preislich abgestraft werden. Daher geht die VEZG davon aus, dass auch ab 2021 die Mehrzahl der in Deutschland gemästeten Ferkel kastriert werden müssten.

Die ISN meint:

Über die Entscheidung der VEZG wurde in diesen Tagen bereits viel diskutiert. Klar ist: die Notierungsanpassung ist ein starkes Signal an die Branche. Doch ist es auch das richtige Signal zur richtigen Zeit? Wir haben Ferkelerzeuger und Mäster zu ihrer Meinung befragt und auch in Dänemark nachgehakt. Dabei gehen die Meinungen z.T. weit auseinander, aber eines wird dennoch sehr klar: Entscheiden wird der Markt, wie weit sich die Preise im Hinblick auf die Kastrationsalternative differenzieren werden und nicht ein festgesetzter Zuschlagswert. Allein die Abfrage darüber, ob der Zuschlag von 2 € je Ferkel – also ungefähr 4 € je kastriertem männlichen Ferkel nun richtig bemessen ist oder nicht, zeigt sowohl bei Ferkelerzeugern als auch bei Mästern: Ein gesetzter Zuschlag wird nicht einfach unkritisch in den Verhandlungen übernommen, sondern es wird einzelbetrieblich bzw. in der Erzeugerkette entschieden. Der jetzige frühe Zeitpunkt der Notierungsumstellung hat sicherlich für einen Impuls gesorgt, einzelbetrieblich über das weitere Vorgehen nachzudenken. Aber welches Signal wird zudem ausgesendet? Dass die Entscheidung, zukünftig vor allem weiter – und dann unter Betäubung – kastrieren zu müssen, schon gefallen ist? Dämpft das Signal das Weiterkommen in der Frage des Kastrationsverzichts, wie es zahlreiche Kritiker ausführen – oder treibt es sogar diese Verfahren voran?

Fakt ist, es gibt aktuell vier Wege (Jungebermast, Impfung mit Improvac, Kastration unter Betäubung per Inhalationsnarkose, Kastration unter Betäubung per Injektionsverfahren durch den Tierarzt) für den sich der einzelne Schweinehalter in Abstimmung mit den Partnern in der Wertschöpfungskette entscheiden muss. Und die verschiedenen Verfahren sollten auch weiter alle als Alternativen erhalten bleiben. Und sie sind nur dann weiter eine Alternative, wenn sie sich auch finanziell im Vergleich darstellen lassen. Das heißt, sowohl auf der Erlösseite, aber auch auf der Kostenseite muss jeder Betrieb individuell die einzelnen Verfahren kalkulieren. Je nach Erzeugerstufe sind die Unterschiede groß. Deshalb ist es auch nicht unerwartet, dass es je nach Verfahren zu einer Preisdifferenzierung am Ferkelmarkt kommen wird.

Wichtig ist, dass der Druck auf die abnehmende Seite hoch gehalten wird, sich mit allen Verfahren intensiv zu beschäftigen. Nur mit diesem Druck wird sich die nachgelagerte Schlacht- und Fleischverarbeitungsbranche intensiv mit allen Verfahren auseinander setzen. Keinesfalls darf die Verantwortung für Lösungen allein auf die Ferkelerzeuger abgewälzt werden.


Hier sehen Sie die Stimmen zur Notierungsanpassung...

Nadine Henke, Sauenhalterin aus Niedersachsen

Der jetzige Vorschlag der VEZG ist ein falsches Zeichen. Wenn ein Mäster kastrierte Ferkel haben möchte, soll er das nicht über die VEZG Notierung lösen, sondern seinem Ferkelerzeuger das Kastrieren bezahlen. Boni müssen direkt und individuell zwischen Ferkelerzeugern und Mästern ausgehandelt werden. Mit welcher Begründung sind Ferkel aus Partien mit unkastrierten Ebern 2 € weniger wert? Soll etwa der Ausstieg aus der chirurgischen Kastration blockiert werden?

Dagmar Klingelhöller, Sauenhalterin aus Schleswig-Holstein

Diese VEZG-Entscheidung ist strategisch absolut falsch, sowohl was den Zeitpunkt als auch den Inhalt angeht. Sie schadet dem Weg der Immunokastration mit dem wir Sauenhalter uns im nordwestdeutschen Raum im vergangenen dreiviertel Jahr intensiv beschäftigt haben. Aus meiner Sicht ist die VEZG bei dieser Entscheidung vor den Wünschen der Schlachter eingeknickt und setzt damit zum jetzigen Zeitpunkt ein verheerendes Signal gegen den kompletten Verzicht auf die chirurgische Kastration, den wir Ferkelerzeuger – zumindest hier im Norden – unbedingt wollen.

 


Markus Münstermann, Ferkelerzeuger aus Nordrhein-Westfalen

Ohne eine Differenzierung des Marktes wird es nicht gehen, deshalb halte ich es für richtig, dass nun von der VEZG ein konkreter Wert genannt wurde. Ich hätte es für eindeutiger gefunden, wenn da nicht 2 € je Ferkel, sondern 4 € je Kastrat genannt worden wären. Um die Verfahren ohne chirurgische Kastration noch vorzüglicher zu machen, würde ich mir sogar einen noch höheren Zuschlag für Kastraten wünschen.

Guido Tyman, Ferkelerzeuger aus Niedersachsen

Durch die Zweiteilung werde ich als Ferkelerzeuger direkt darauf hingewiesen weiter chirurgisch zu kastrieren. Denn bei dieser Preisdifferenzierung ist der betriebliche Erlösunterschied so groß, dass ich gar keine andere Wahl habe, obwohl ich viel lieber auf die Kastration verzichten würde. Am Ende ist es für die Mäster egal, aus welchem Land die kastrierten Ferkel kommen, so dass unsere Kastraten am Markt in Konkurrenz zu den Ferkeln aus Holland oder Dänemark vermarktet werden.

 


Heinrich Kruthaup, Schweinemäster aus Niedersachsen

Der Zeitpunkt für eine Preisdifferenzierung ist viel zu früh gewählt. Schließlich kommen die Mastferkel, bei denen die betäubungslose Kastration zur Pflicht geworden ist, erst im März kommenden Jahres an den Ferkelmarkt. Auch ist der veröffentlichte Bonus von 2 € je Ferkel deutlich zu hoch angesetzt. Der Markt wird die Höhe der Boni alleine regeln und Ferkelerzeuger und Mäster werden sich die Mehrkosten teilen. Die deutsche Ferkel werden dann auch mit den kastrierten Ferkeln aus Dänemark und Holland gemessen – bei 2 € höheren Ferkelpreisen würden die deutschen Ferkel das Nachsehen haben.

 


Jürgen Dierauff, Schweinemäster aus Bayern

Die Preisdifferenzierung der VEZG sehe ich als Signal an uns Schweinehalter, sich frühzeitig mit den Kastrationsalternativen auseinanderzusetzen. Wichtig ist, dass wir alle Alternativen weiterhin offenhalten. Vor diesem Hintergrund sehe ich den Zuschlag von 2 € für Ferkel in der gemischtgeschlechtliche Partie als zu hoch an. Nach meinem Kenntnisstand sind die Kosten für die Kastration unter Betäubung deutlich geringer. Unabhängig davon bin ich der Meinung, dass nicht ein festgelegter Zuschlag, sondern der Markt regeln wird, in welcher Höhe die Preisdifferenzierung dann tatsächlich stattfindet.

 


Peter Seeger, Ferkelerzeuger aus Hessen

Eine Preisdifferenzierung von 1 € für die Gesamtpartie müsste aus meiner Sicht eher passen. Ein Abschlag für ausländische Ferkel ist zu begrüßen. Die Forderung nach 3 X D sollten dann aber eher vom Lebensmitteleinzelhandel kommen, wie es und die bayerischen Kollegen mit Geprüfte Qualität aus Bayern vormachen.

 

 

Thomas Asmussen, Ferkelerzeuger aus Schleswig-Holstein

Als Ferkelerzeuger haben wir immer auf ein Marktsignal gewartet. Das haben wir nun durch die VEZG bekommen. Jetzt sind die Mäster gefordert, auf dieser Basis des Ferkeleinkaufs ihren Vermarktungsweg für die Mastschweine ab 2021 zu suchen. Die Preisempfehlung ist für mich ein klares Signal an die Mäster, sich mit der Mast unkastrierter Schweine zu beschäftigen. In schwierigen Marktphasen möchte ich unter den heutigen Voraussetzungen hier in Schleswig-Holstein keine unkastrierten Ferkel vermarkten müssen.

 

 

 

 

 


Markus Fiebelkorn, Danske Svineproducenter

Eine preisliche Differenzierung der Ferkelpartien gibt es bereits in Bezug auf viele Kriterien, wie zum Beispiel Partiengröße, Gesundheitsstatus oder Genetik. Durch das Verbot der betäubungslosen Kastration in Deutschland wird das Kriterium Herkunftsland immer wichtiger. Grundsätzlich ist es daher sehr zu begrüßen, dass die Kriterien als Grundlage für eine Notierung genau definiert sind. Wie viel die einzelnen Kriterien allerdings wert sind, wird der Markt bestimmen. Die Erfahrung zeigt, dass politische Preisvorgaben, wie die vorgeschlagenen 2 Euro pro Ferkel, meist eine sehr kurze Haltbarkeit haben. Unserer Einschätzung nach wird der Markt nach einer kurzen Übergangszeit den Gesamtpreis für deutsche und ausländische Ferkel über die Zuschläge regeln. Sollten die Ferkelpreise dann in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig sein, werden mehr dänische Ferkel in andere europäische Länder vermarktet oder in Dänemark gemästet.

 


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