09.12.2020rss_feed

Jahressteuergesetz: Koalition einigt sich bei Umsatzsteuerpauschalierung auf neue Grenze von 600.000 €

Die Europäische Kommission hatte Klage gegen Deutschland beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht, wegen inkorrekter Anwendung der EU-Mehrwertsteuerregelung für Landwirte. (Bildquelle: Gerichtshof der Europäischen Union)

Die Europäische Kommission hatte Klage gegen Deutschland beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht, wegen inkorrekter Anwendung der EU-Mehrwertsteuerregelung für Landwirte. (Bildquelle: Gerichtshof der Europäischen Union)

Die Koalitionsfraktionen haben sich im Rahmen der Beratungen über das Jahressteuergesetz 2020 geeinigt. Mit dem Jahressteuergesetz soll eine neue Umsatzgrenze von 600.000 Euro Eingang ins Steuerrecht finden, ab der landwirtschaftliche Betriebe ab dem 01.01.2022 zur Regelbesteuerung bei der Umsatzsteuer wechseln müssen. Die Gewinngrenze für Investitionsabzugsbeträge soll auf 200.000 Euro steigen, berichtet Agra Europe (AgE).

ISN: Nun müssen die Betriebe individuell kalkulieren, ob Sie die Pauschalierung weiterhin in Anspruch nehmen können oder ob die Änderungen auch Auswirkungen auf ihren Betrieb haben. Für viele Landwirte wird neue Pauschalierungsregelung einen spürbaren Einschnitt und finanzielle Verluste bedeuten und mit einem erheblichen Mehraufwand für die notwendigen Umsatzsteuererklärungen verbunden sein.

 

Neuregelungen zu Investitionsabzugsbeträgen und zur Umsatzsteuerpauschalierung

Die einheitliche Gewinngrenze, bis zu der landwirtschaftliche Betriebe Investitionsabzugsbeträge geltend machen können, soll auf 200.000 Euro angehoben werden. Darauf haben sich die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD bei den Beratungen über das Jahressteuergesetzes 2020 geeinigt. Im Regierungsentwurf ist eine Gewinngrenze von 150.000 Euro vorgesehen.

 

Bleiben soll es bei der vorgesehenen Regelung, dass die Umsatzsteuerpauschalierung ab dem 1. Januar 2022 nur noch bis zu einer Umsetzgrenze von 600.000 Euro in Anspruch genommen werden darf. Das Jahressteuergesetz soll in dieser Woche vom Bundestag beschlossen werden.

Diese Summe bezieht sich auf die Gesamtumsätze des Unternehmers, beinhaltet also beispielsweise auch Einnahmen aus Lohnunternehmerdienstleistungen und der Erzeugung von erneuerbarem Strom. Bundesweit dürfte diese Umsatzschwelle laut AgE von rund 20.000 landwirtschaftlichen Betrieben überschritten werden, von denen nach Schätzung von Steuerexperten derzeit etwa jeder zweite nach Durchschnittsätzen versteuert.

 

Gemäß der bisherigen Regelung können alle landwirtschaftlichen Betriebe für die von ihnen verkauften Produkte und erbrachten Dienstleistungen einen pauschalen Mehrwertsteuerbetrag in Rechnung stellen; dieser beträgt für die landwirtschaftlichen Umsätze 10,7 %. Im Gegenzug dürfen die Landwirte allerdings keinen Vorsteuerabzug geltend machen.

 

Regelung wird von der CDU begrüßt

Der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, zeigte sich erleichtert über die geplante zusätzliche steuerliche Entlastung für land- und forstwirtschaftlichen Betriebe bei der Ausgestaltung der Investitionsabzugsbeträge gemäß § 7g des Einkommenssteuergesetzes (EStG). Mit der Anhebung der einheitlichen Gewinngrenze auf 200.000 Euro würden künftig mehr als 95 % aller landwirtschaftlichen Betriebe den Investitionsabzugsbetrag für Anschaffungen nutzen können, erklärte der CDU-Politiker. Zudem komme es beim § 7g zu weiteren Modifikationen, die den Investitionsabzugsbetrag für landwirtschaftliche Betriebe praxisgerechter machten.

 

Streit mit der EU-Kommission endlich beenden

Die vorgesehene Umsatzgrenze für die Umsatzsteuerpauschalierung in Höhe von 600.000 Euro wertet der zuständige Berichterstatter der Unionsfraktion, MdB Hans-Jürgen Thies als klares Abgrenzungskriterium für die landwirtschaftliche Praxis. Mit diesem Schritt wollen wir endlich einen jahrelangen Streit zwischen Deutschland und der EU-Kommission beenden, betonte der Unionsabgeordnete. Den rechtlichen Vorgaben der EU-Kommission werde damit entsprochen, eine Klage gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit drohenden Rückforderungen rechtswidriger Beihilfen abgewendet. Das Inkrafttreten der Regelung zu Jahresbeginn 2022 gebe den Betrieben Planungssicherheit. Diese könnten bis dahin notwendige Anpassungen vornehmen.

 

Hintergrund

Um Druck gegenüber Deutschland aufzubauen, reichte die EU-Kommission bekanntlich im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens am 4. Februar 2020 Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein. Konkret wirft die Brüsseler Behörde Deutschland vor, die Pauschalregelung in unzulässiger Weise auch Eigentümern großer landwirtschaftlicher Betriebe zu ermöglichen. Der Kommission zufolge ist diese Ausnahmeregelung jedoch vor allem für Kleinbetriebe gedacht, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuervorschriften administrative Schwierigkeiten zur Folge haben könnte.

 

Die ISN meint:

Die neue Umsatzgrenze in Höhe von 600.000 € zu den Möglichkeiten der Umsatzsteuerpauschalierung wird für viele Landwirte einen spürbaren Einschnitt und finanzielle Verluste bedeuten und zudem mit einem erheblichen Mehraufwand für die notwendigen Umsatzsteuererklärungen sowie den dazugehörigen Arbeiten in der Buchhaltung verbunden sein. Der Druck der EU auf die Bundesregierung zu einer Anpassung der Umsatzsteuerpauschalierung war in den vergangenen Monaten immer größer geworden und hatte letztendlich zu diesen neuen Regelungen geführt.

Nun müssen die Betriebe individuell kalkulieren, ob Sie die Pauschalierung weiterhin in Anspruch nehmen können oder ob die Änderungen auch Auswirkungen auf ihren Betrieb haben.


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