10.11.2020rss_feed

Handelsabkommen für Schweinefleisch mit Drittstaaten – Ein Fall für die Kanzlerin

Seit dem Auftreten der Afrikanischen Schweinepest (ASP) bei Wildschweinen in Brandenburg Anfang September, wurde Deutschland für die Einfuhr von Schweinefleisch in wichtigen Drittlandsmärkten, darunter China, Südkorea und Japan, gesperrt. Dies führte in Kombination mit der Corona-Pandemie zu erheblichen Verwerfungen am Schweinemarkt mit einem heftigen Preisrückgang. Viel Hoffnung wurde in die schnell eingeleiteten Verhandlungen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit wichtigen Drittländern um die Anerkennung eines Regionalisierungskonzepts gesetzt. Wie die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) nun berichtet, sollen sich die Verhandlungen schwierig gestalten und ein Erfolg nicht in Sicht sein .

ISN: Wir brauchen dringend die Anerkennung des Regionalisierungskonzeptes für den Export von Schweinefleisch in Drittlandsmärkte. Damit es mit den Verhandlungen weiter geht, müssen diese nun eine Ebene höher angesiedelt werden. Es braucht die Unterstützung des Kanzleramtes und der Bundeskanzlerin.


Die Auswirkungen der Corona-Pandemie und der Ausbruch der ASP in Deutschland führten zu einem massiven Presiverfall am deutschen Schweinemarkt.

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie und der Ausbruch der ASP in Deutschland führten zu einem massiven Presiverfall am deutschen Schweinemarkt.

Nach dem erfreulich guten Preisniveau am Schweine- und Ferkelmarkt am Anfang diesen Jahres war es durch Corona-Infektionen bei Mitarbeitern in verschiedenen deutschen Schlacht- und Zerlegebetrieben und seit September durch den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) bei Wildschweinen in Deutschland erstens zu einem Stau an schlachtreifen Schweinen und zweitens auch zu einem deutlichen Absatzrückgang von Schweinefleisch gekommen. Dies zog einen massiven Preisrückgang am deutschen Schweinemarkt von über 2 € je kg zu Beginn der Corona-Pandemie auf heute 1,27 € je kg bzw. von ca. 80 € je Ferkel auf 27 € je Ferkel nach sich. Das bedeutet, den Ferkelerzeugern und Schweinemästern fehlen aktuell ca. 50 € am Schwein, allein um die Kosten zu decken. Wegen Corona-Infektionen bei Schlachthofmitarbeitern waren nur einzelne Betriebe von China für den Import von Schweinefleisch gesperrt worden. Nach den ASP-Ausbrüchen bei Wildschweinen in Brandenburg und Sachsen kann Deutschland aktuell so gut wie gar kein Schweinefleisch mehr in Drittländer exportieren.

 

Großer Anteil der deutschen Schweinefleischexporte geht in Drittländer

Wie verheerend das für den deutschen Schweinemarkt ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen. Seit 2018 haben die Exporte in Drittländer an Bedeutung gewonnen. Dies ist vor allem auf die Steigerungen der Exporte Richtung China zurückzuführen, wo infolge der ASP ein riesiger Importbedarf entstanden ist. Im ersten Halbjahr 2020 exportierte Deutschland ca. 544.000 t Schweinefleisch in Drittländer, was etwa 38 % der gesamten deutschen Schweinefleischexport entspricht. Davon gingen ca. 380.000 t Schweinefleisch inklusive Schlachtnebenerzeugnissen nach China, also knapp 70 % der gesamten Drittlandsexporte. Weitere wichtige Ziele außerhalb der EU sind Südkorea, Japan oder Argentinien.

Aktuell haben fast alle wichtigen Zielländer für deutsches Schweinefleisch, die außerhalb der EU liegen, Einfuhrsperren verhängt. Daher müssen fast alle Mengen auf dem europäischen Binnenmarkt untergebracht werden. Angesichts des zunehmenden Drucks auf dem EU-Marktes durch den (wieder) Corona- bedingten rückläufigen Absatz im Außer-Haus-Bereich und auch Sperren von Schweinefleischexporten aus Dänemark Richtung China wären Kompromisse bei der Erzielung von Regionalisierungsabkommen eine große Hilfe für die deutsche Schweinefleischbranche.

 

Intensive Gespräche zur Regionalisierung beim Export in Drittstaaten

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) schaltete sich schnell ein und teilte nur wenige Tage nach dem ersten Fund eines an ASP verendeten Wildschweins in Brandenburg mit, dass es sich in intensiven Gesprächen mit den relevanten Drittstaaten befände, um mittels eines Regionalisierungskonzepts den Handel aus Nicht-Restriktionsgebieten in diese Länder zu ermöglichen. Dadurch könne deutsches Schweinefleisch und Schweinefleischerzeugnisse weiterhin gehandelt werden - mit Ausnahme definierter Seuchengebiete. Innerhalb der EU wird das Regionalisierungskonzept anerkannt, für Drittländer gilt dies nicht.

 

BMEL gibt schwierige Verhandlungen zu

Das BMEL ist sich dieser Tatsache bewusst und lies immer wieder – auch in den verschiedenen Gesprächsrunden – verlauten, dass die Gespräche zu einem Regionalisierungsabkommen auf höchster Ebene laufen und ein Kompromiss angestrebt werde. Eine Antwort des BMEL auf eine Anfrage der FDP scheint nach Angaben der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) nun allerdings zu zeigen, dass die Verhandlungen bisher keinesfalls von Erfolg gekrönt seien. Demnach soll das BMEL erklären, dass bisher insbesondere die asiatischen Behörden auf die Vorschläge noch nicht eingegangen seien. Auf politischer und fachlicher Ebene würde man die Gespräche mit Nachdruck fortsetzen, allerdings sei mit schwierigen Verhandlungen zu rechnen. Weiter zitiert die NOZ das Agrarministerium, dass es bei den Gesprächen derzeit vor allem darum gehe, das Vertrauen in das deutsche Krisenmanagement zu erreichen, bevor eine konkrete Regionalisierung greifbar werde und sich auch die EU-Kommission eingeschaltet habe.

Die ISN meint:

Bei allen Bemühungen des Bundeslandwirtschaftsministeriums, die Anerkennung des Regionalisierungskonzeptes für den Export von Schweinefleisch in Drittlandsmärkten zu erreichen, sind die Erfolge bislang ernüchternd. Dabei wird gerade der Drittlandsexport als Ventil dringend gebraucht. Denn einmal abgesehen von der katastrophalen Preissituation wird neben dem Nadelöhr der Schlachtung und Zerlegung auch das zweite Nadelöhr – der Fleischabsatz – immer wichtiger, um den aktuellen Schweinestau aufzulösen. Die Verhandlungen sind hoch politisch und entziehen sich somit in weiten Teilen dem Einflussbereich der Landwirtschaft. Deshalb müssen diese nun auch auf höchster politischer Ebene angesiedelt werden. Es braucht also die Unterstützung des Bundeskanzleramtes und der Bundeskanzlerin Angela Merkel.


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