Eine in Beton gegossene Fehlinvestition
? Grüne diskutieren mit Schweinehaltern aus dem Kreis Coesfeld
Die meisten konventionellen Landwirte rufen nicht gleich laut Hurra
, wenn Anton Hofreiter um eine Betriebsbesichtigung bittet. Mehrere Schweinemäster aus dem Kreis Coesfeld sahen darin jedoch ihre Chance, die politische Bühne von Berlin nach Billerbeck zu holen, und einmal auf Augenhöhe mit dem Bundestagsabgeordneten zu diskutieren.
Im Rahmen seiner Sommertour besuchte Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, deshalb diese Woche den konventionellen Schweinemastbetrieb von Theo Schulze Wierling. Gemeinsam mit einigen Berufskollegen empfang Schulze Wierling auch den agrarpolitischen Sprecher der Grünen, Friedrich Ostendorff, sowie die Grünen aus dem Stadtrat Billerbeck und weitere Kommunalpolitiker zur Hofbesichtigung.
Direkter Vergleich von Ställen mit Tierwohl-Maßnahmen
Auf dem Betrieb Schulze Wierling werden Schweine gemästet und Energie mit Hilfe von Wasser, Sonne und Biogas gewonnen. Viele der älteren Ställe wurden im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte mehrfach, den aktuellen Anforderungen (Spaltenböden, Buchtenstrukturierung und Fütterungssystem) entsprechend, umgebaut.
Auch den Unterschied eines Stalls mit und ohne Umsetzung von Maßnahmen der Initiative Tierwohl konnte der Schweinehalter präsentieren. Mit einem Teil des Betriebes hat er sich für die ITW angemeldet und die Ställe für ca. 15.000 Euro umgerüstet. Nach der Verlosung landete er, wie so viele Schweinehalter, auf der Warteliste. Den Grundgedanken der Initiative Tierwohl lobten auch die anwesenden Politiker, allerdings gingen ihnen die Maßnahmen teilweise noch nicht weit genug. Wenn ich schon die Investition für ein wenig mehr Tierwohl nicht bezahlt bekomme, wo sehen Sie dann Chancen auf einen angemessenen Ausgleich für große Veränderungen
, fragte Schulze Wierling Hofreiter und Ostendorff. Damit war die Diskussion für alle Beteiligten eröffnet.
Diskussion um Ringelschwanz, Preise und Vermarktung
Bei einem Stück Fleisch vom Grill traf sich die gesamte Gruppe im Anschluss an den Stallrundgang zur Debatte um die agrarpolitische Ausrichtung der Grünen. Zu dem Stichwort Agrarwende machte Hofreiter deutlich, dass man die Landwirte auf jeden Fall mitnehmen wolle. Wir können nur erfolgreich diskutieren und Änderungen auf den Weg bringen, solange die Landwirte ökonomisch nicht mit dem Rücken an der Wand stehen. Dabei werden wir uns nicht in allen Punkten einigen können, das ist klar, und wir werden auch nicht alles von heute auf morgen ändern. Aber wir wollen Verbesserungen für Tierhaltung und Umweltschutz gemeinsam mit Ihnen voranbringen.
Im Hinblick auf das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats und die von den Grünen angestrebten Änderungen in der Tierhaltung für mehr gesellschaftliche Akzeptanz, möglicherweise bereits in einigen Jahren umzusetzen, bewertete Friedrich Ostendorff den Stallneubau von Schulze Wierling als eine in Beton gegossene Fehlinvestition
. Schulze Wierling hingegen sieht darin einen entscheidenden Schritt, um den über 500 Jahre alten Betrieb auch für die nächste Generation und die weiterhin angespannte wirtschaftliche Lage zu festigen.
Die ISN meint:
Nicht nur übereinander reden, sondern miteinander – ein ausbaufähiger Schritt von Seiten der Grünen-Politiker auf die Schweinehalter zu ist gemacht, und das nicht nur in NRW. Und noch wichtiger, es wird verbal abgerüstet. Nachahmer, beispielweise auf Landesministerebene, sind ausdrücklich erwünscht. Mal sehen, ob die neue Form des Dialogs über den anstehenden Wahlkampf hinaus kultiviert wird. Zu wünschen wärs!