10.02.2021rss_feed

Fünf Monate nach dem ersten ASP-Fund bei einem Wildschweinen in Deutschland – wo stehen wir heute?

Karte: ASP in Deutschland seit September 2020, Stand 05.02.2021 © Friedrich-Loeffler-Institut (FLI)

Karte: ASP in Deutschland seit September 2020, Stand 05.02.2021 © Friedrich-Loeffler-Institut (FLI)

Vor genau fünf Monaten wurde die Afrikanische Schweinepest (ASP) in Deutschland bei einem Wildschweinkadaver nahe der deutsch-polnischen Grenze in Brandenburg erstmalig festgestellt. Inzwischen wurden 673 ASP-Fälle bei Wildschweinen in Deutschland gefunden. Nach wie vor kommen wöchentlich noch einige neue Funde dazu. Bei aller geäußerten Kritik an den Bekämpfungsmaßnahmen ist aber positiv festzuhalten, dass es bislang gelungen ist, das Seuchengeschehen sowohl auf die betroffenen Regionen im Osten Deutschlands als auch auf den Wildschweinebestand zu begrenzen. Das zeigt, dass die Biosicherheitsmaßnahmen auf den schweinehaltenden Betrieben greifen. Dennoch ist es wichtig, die Expertise der Schweinehalter aus der betroffenen Regionen vor Ort noch deutlich stärker zu nutzen . Bei den Verhandlungen zur Öffnung von Drittlandsmärkten und der Wiederaufnahme der Schweinefleischexporte sieht es hingegen noch völlig ungenügend aus. Neben den Verhandlungen mit China müssen auch wichtige Absatzmärkte für Schweinefleisch wie beispielsweise Südkorea und Japan ins Zentrum der Bemühungen gestellt werden. Um in diesen Ländern mehr zu erreichen, ist insbesondere auch das Kanzleramt deutlich stärker als bisher gefordert.

Generell ist es existenziell bedeutend für die Schweinehaltung in ganz Deutschland, dass die ASP-Bekämpfungs- und Vorsorgemaßnahmen mit höchster Intensität weiter fortgeführt werden, um eine weitere Verbreitung der Seuche in Deutschland zu verhindern.


Am 10. September 2020 wurde in der Gemarkung Sembten im Landkreis Spree-Neiße (Brandenburg) nahe der deutsch-polnischen Grenze bei einem tot aufgefundenen Wildschwein erstmals die Afrikanische Schweinpest (ASP) in Deutschland amtlich festgestellt. Mithilfe von vorbereiteten Krisenplänen auf Basis der Vorgaben der Schweinepestverordnung wurden Restriktionszonen gebildet und entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen, wie die anhaltende intensive Fallwildsuche, der Bau von mobilen sowie festen Schutzzäunen und die Reduktion der Wildschweinbestände, um das Infektionsgeschehen einzudämmen. Ende Oktober wurde die ASP dann bei einem Wildschwein in der Nähe der polnischen Grenze in der Oberlausitz, Landkreis Görlitz (Sachsen) und damit in einem zweiten Bundesland nachgewiesen.

 

Regionale Konzentration der ASP-Funde

Bei aller Kritik an der Seuchenbekämpfung vor Ort ist es seit dem Erstausbruch der ASP in Deutschland gelungen, die ASP regional auf das grenznahe Gebiet in Ostdeutschland zu begrenzen, auch wenn die Restriktionszonen bereits mehrmals erweitert werden mussten. Nach heutigem Kenntnisstand scheinen die Maßnahmen allerdings weitestgehend zu greifen, denn das Seuchengeschehen beschränkt sich bisher auf die seit längerer Zeit betroffenen Landkreise in Brandenburg und Sachsen.

Krisenmanagement optimieren und Organisationen vor Ort einbinden

Für eine Optimierung der ASP-Bekämpfung sollten die Verantwortlichen vor Ort auch die Aktivitäten vieler engagierter Schweinehalter aus den neuen Bundesländern einbeziehen. Die ostdeutschen Interessengemeinschaften der Schweinehalter (IGS) haben in einem sogenannten Whitepaper die Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) und das Krisenmanagement kritisiert und einen Forderungskatalog mit Gegenmaßnahmen aufgestellt, die zur effektiven Bekämpfung der ASP in den betroffenen Gebieten entlang der deutsch-polnischen Grenze insbesondere in Brandenburg beitragen sollen.

Konkret fordern die IGS die Erweiterung und den Lückenschluss der bisher schon bestehenden festen Zäune, eine konsequentere Wildschweinbejagung und koordinierte Bekämpfungsmaßnahmen in Kooperation mit Polen. In einem Interview mit top agrar entgegnet Anna Heyer-Stuffer, Leiterin des Brandenburger ASP-Krisenstabes, den Kritikern, der Kampf gegen die Seuche sei ein Langstreckenlauf und kein Sprint. Viele Bekämpfungsmaßnahmen seien schnell eingeleitet worden.

Es ist klar, dass Schwachpunkte sofort abgestellt werden müssen. Daher sollten die betroffenen Bundesländer die Kritik und die Forderungen aufgreifen und die Hilfsangebote der Organisationen annehmen und sie in die operativen Abläufe – z.B. über die Krisenstäbe – einbinden. Diese Organisationen haben ihre Augen direkt vor Ort und können so wertvolle Unterstützung bei der Seuchenbekämpfung leisten. Für dieses Hilfsangebot der betroffenen Betriebe muss man ein offenes Ohr haben! Es ist existenziell bedeutend für die Schweinehaltung in ganz Deutschland, die ASP in den betroffenen Regionen optimal zu bekämpfen und eine Ausbreitung in andere Regionen zu verhindern.

Seuchenprävention auch in städtischen Regionen notwendig

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner mahnte kürzlich auch gegenüber dem Land Berlin eine intensivere Seuchenprävention an. Die Ministerin sorgt sich in Anbetracht der Zunahme des Wildschweinbestands im urbanen Großraum von Berlin um das Einschleppungs- und Verbreitungsrisiko durch die unsachgemäße Entsorgung eventuell infizierter Speisereste. Vor diesem Hintergrund rief Klöckner den Berliner Senat dazu auf, Maßnahmen zur Beseitigung der ASP-Risiken im Stadtbereich zu ergreifen.

Drittlandsexporte weiter blockiert – Verhandlungen mit weiteren Exportdestinationen intensivieren

Seit dem Auftreten der ASP in Ostdeutschland verhängten fast alle wichtigen Drittländer Einfuhrsperren für deutsches Schweinefleisch. Fünf Monate nach dem Verlust des Exportstatus ASP-frei ist der Erfolg der Bundesregierung für die Wiederaufnahme der Schweinefleischexporte ausgesprochen dürftig. Derzeit stehen beispielsweise Thailand, Hongkong und der Kongo als Abnehmer zur Verfügung, da deren Importsperren abgelaufen und nicht weiter verlängert wurden.

Die anhaltenden Restriktionen für die Exportdestinationen sind eine große Belastung für den Schweinepreis. Es ist dringend notwendig, dass mehr Anstrengungen von Seiten der Politik unternommen werden, damit der Drittlandsexport endlich wieder in Gang kommt.

Das BMEL hat jüngst in einem Schreiben darauf hingewiesen, dass man speziell in Bezug auf China alles versuchen würde, um die Exportrestriktionen abzubauen, aber China habe vor dem Hintergrund des aktiven ASP-Geschehens vor Ort aktuell die Gespräche verweigert.

Umso wichtiger ist es, dass bei weiteren Aktivitäten nicht nur China im Fokus steht, sondern auch weitere wichtige Märkte wie Südkorea, Japan oder Vietnam ins Auge gefasst werden.

In diesem Zusammenhang ist Ungarn als Positivbeispiel zu nennen. Das Landwirtschaftsministerium in Budapest teilte kürzlich mit, dass es Ungarn als erstes von der ASP betroffenes Land geschafft hat, sich mit Japan auf das Regionalisierungsprinzip zu verständigen. Damit könnten die Exporte aus den ASP-freien Regionen nach Genehmigung der veterinärmedizinischen Ausfuhrzertifikate wieder aufgenommen werden.

Fakt ist: Die Öffnung weiterer Drittlandsmärkte muss gerade jetzt oberste Priorität haben – Wir brauchen dringend mehr Absatzventile für deutsches Schweinefleisch. Das wird man nur dann erreichen können, wenn sich auch die Regierungsspitze – also die Bundeskanzlerin – mit Nachdruck in die Gespräche mit den Drittländern einschaltet.

Bejagungsmöglichkeiten auf Wildschweine erweitert

Die Jagd auf Wildschweine ist ein wichtiger Bestandteil der Bekämpfungsmaßnahmen und muss daher ein besonderes Augenmerk haben.

Positiv zu vermerken ist, dass mehrere Bundesländer mit einer Änderung des jeweiligen Jagdrechts die Möglichkeiten der Seuchenprävention und -bekämpfung optimiert haben. So ist bei der Bejagung von Schwarzwild in einigen Bundesländern nun der Einsatz künstlicher Lichtquellen und Nachtsichtgeräten in Form von Nachtsichtvorsätzen und Nachtsichtaufsätzen zugelassen, damit die Bejagung zur Reduktion der hohen Wildschweinbestände intensiviert werden kann. Die Gefahr der weiteren Ausbreitung des ASP-Seuchengeschehens kann dadurch reduziert werden.

 

Noch kein Durchbruch beim ASP-Impfstoff

In den vergangenen Monaten meldeten mehrere Länder erste Erfolge bei der Erforschung eines Impfstoffs gegen die ASP, darunter China, England und die USA. Dieser Ansatz ist zwar vielversprechend, aber bisher konnte noch kein entscheidender Durchbruch erzielt werden – die Forschungen bis zur Praxisreife werden noch weiter andauern. Zuletzt kündigte Vietnam an, bis zum dritten Quartal 2021 einen Impfstoff gegen die ASP herstellen und vermarkten zu wollen

 

Biosicherheitskonzepte auf Betrieben greifen

Zu betonen ist auch, dass das ASP-Virus bislang aus den deutschen Hausschweinebeständen herausgehalten werden konnte und Deutschland in Bezug auf Hauschweine weiterhin als ASP-frei gilt. Das zeigt, dass die Biosicherheitskonzepte der schweinehaltenden Betriebe greifen. Damit das so bleibt, ist weiterhin höchste Vorsicht geboten denn das Einschleppungsrisiko ist hoch. Die Biosicherheitsmaßnahmen sind mit allerhöchster Konsequenz weiter umzusetzen. Das gilt für Schweinehalter, Jäger und alle anderen Beteiligten gleichermaßen. Mit unserer Checkliste können Schweinehalter ihre Betriebshygiene noch einmal überprüfen und ggf. optimieren.


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