Fairer Umgang mit Geschäftspartnern oder Diktat eines Marktführers?
Wie allseits bekannt, war und ist der Schlachtschweinemarkt von einer durchaus flotten Nachfrage nach schlachtreifen Schweinen geprägt. Vermarkter und Erzeugergemeinschaften bemühten sich in den vergangenen Wochen redlich, um die Nachfrage der Schlachtunternehmen decken zu können. Das gelang nicht immer im gewünschten Umfang. Gleichzeitig war der Fleischmarkt - saisonal nicht unüblich - ausgeglichen. In der vergangenen Woche zog der Fleischabsatz nun allmählich an, Frühlingsgefühle machen sich breit und es gelang den Schlachtunternehmen, die moderate Erzeugerpreiserhöhung der vergangenen Woche mehr oder weniger auch im Verkauf umzusetzen.
Moderater Notierungsanstieg wie erwartet
Um der anhaltenden engen Versorgungslage am Lebendmarkt Rechnung zu tragen, bewies die Vereinigung der Erzeugergemeinschaften Fingerspitzengefühl und erhöhte die Notierung für Schlachtschweine gestern (Mittwoch) – wie seit Wochenanfang von allen Marktteilnehmern diskutiert - zum zweiten Mal in Folge in moderater Höhe, plus 3 Cent. Mit Blick auf die Angebotsseite war von einigen Marktteilnehmern sogar eine noch deutlich höhere Preisanhebung erwartet worden.
Tönnies-Hauspreisankündigung zeitlich unpassend
Nachdem ein Großteil der Preismelder am gestrigen späten Vormittag ihre Meldungen bereits abgesetzt hatten und die Marschrichtung der Notierung damit vorgegeben war, ließ der Branchenprimus Tönnies die Katze aus dem Sack und kündigte einen Hauspreis von 1,54 € (=Vorwoche) an. Zu einem Zeitpunkt, an dem die Marktbeteiligten keine Chance mehr hatten, zu reagieren. Zeitlich unpassender und damit unfairer kann eine Hauspreisankündigung kaum sein. Es stellt sich die Frage, warum Tönnies nicht schon eher Farbe bekannt hat und die grüne Seite im Trüben fischen ließ.
Bewusstes Schwächen der Notierung oder der Mitbewerber?
Vor diesem Hintergrund muss man sich die Fragen stellen: Will Tönnies die Notierung der Erzeuger bewusst vor die Wand laufen lassen und mit Hauspreiszahlungen schwächen? Will er Erzeugergemeinschaften und den freien Viehhandel, die in vielen Fällen die Hauspreise aus eigener Tasche ausgleichen müssen, ausbluten lassen? Oder ist der Beweggrund ein ganz anderer? – Will sich Tönnies mit seinem Markteinfluss gegenüber seinen Mitwettbewerbern einen (zeitlichen) Vorteil im Fleischverkauf verschaffen? Die Kritik auch aus der Schlachtbranche am Marktführer ist unüberhörbar.
Möglich ist auch, dass angesichts der derzeitigen Sperrung des Unternehmens für den chinesischen Markt die Verwertung des Schweins im Vergleich zu den Wettbewerbern unterdurchschnittlich ist. Aber auch dieser Umstand dürfte den Entscheidungsträgern im Hause Tönnies nicht erst Mittwochmittag bekannt gewesen sein.
Wird dieser unfaire Umgang abgestraft werden?
Nach der definitiven Bekanntgabe der Hauspreiszahlung durch das Haus Tönnies nutzte dann auch die Vion die Gelegenheit und zahlt als einziges Schlachtunternehmen neben Tönnies nun mit 1,54 € einen Hauspreis.
Die anderen Schlachtunternehmen, namentlich die Westfleisch, Danish Crown und mittelständische Schlachtunternehmen akzeptieren hingegen das neue Notierungsniveau.
Klar sein dürfte: Schweinehalter und Viehvermarkter, denen auch zukünftig an einer neutralen Preisfindung in Deutschland gelegen ist, werden sich Gedanken machen müssen, wie sie ein solch unfaires Verhalten abstrafen!
Freundliche Marktentwicklung erwartet
Und die Marktlage? Das Lebendangebot ist nach wie vor nicht drängend und wird rege von den Schlachtunternehmen nachgefragt. Eine Ausweitung des Angebotes deutet sich nicht an und der Fleischmarkt hätte in den nächsten Wochen sicher an Fahrt aufgenommen. Hauspreise können das zarte Pflänzchen Fleischmarkt allerdings auch etwas schlechter gedeihen lassen.