EU-Chefökonom: Strukturwandel lässt sich nicht aufhalten
Man kann es sich kaum noch vorstellen: In den 50er Jahren gab es über 2,5 Millionen Schweinehalter in Deutschland. 65 Jahre später sind gerade noch 25.700 übrig. Auch in der Europäischen Union ist in den vergangenen zehn Jahren fast die Hälfte aller Schweinehalter aus der Produktion ausgestiegen.
Wie aus kürzlich veröffentlichten Zahlen des Statistikamtes der Europäischen Union (Eurostat) hervorgeht, nahm die Zahl der Schweine haltenden Betriebe in den Mitgliedsländern von 2005 bis 2013 um rund 1,65 Millionen oder 43 % auf 2,17 Millionen ab. Die durchschnittliche Zahl der Schweine auf einem Hof erhöhte sich dadurch im EU-Mittel um 65 % auf 67 Tiere.
Der Strukturwandel lasse sich nicht aufhalten, kommentierte der Chefökonom der Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Dr. Anastassios Haniotis, die Zahlen von Eurostat. Man dürfe deshalb nicht den naiven Eindruck erwecken, dass sich die Zahl der Landwirte irgendwann wieder erhöhen werde, erklärte er Mitte Dezember vor dem Europaparlament.
Preiskrise könnte Strukturwandel beschleunigen
Und doch ist das Thema Strukturwandel aktueller denn je. Drastische Rückgänge bei den Einkommen treffen die Schweinehalter in vielen Regionen in Deutschland bis ins Mark. Hält die Preiskrise für Schweinefleisch an, droht ein massiver und zudem beschleunigter Strukturwandel, der vor allem Familienbetriebe treffen könnte.
Diese Entwicklung hätte allerdings Folgen: Giorgios Tzimurtas, Redakteur bei der Oldenburgischen Volkszeitung (OV), entwickelt folgendes Szenario für das schweinereiche
Oldenburger Münsterland: Der Konzentrationsprozess verschärft sich – immer mehr Produktion ist in weniger Händen. Aus freien landwirtschaftlichen Unternehmern könnten in der anhaltenden Krise völlig abhängige Selbständige werden, auf Wohl und Weh dem Preisdiktat der Konzerne ausgeliefert. Die sozialen Folgen für das Oldenburger Münsterland wären gravierend. Soll das die Zukunft des Ernährerstandes sein, fragt er provokant.
Die ISN hat sich in dieser Frage immer für ein System der Schweinehaltung ausgesprochen, in dem der Landwirt Herr auf seiner eigenen Scholle ist und bestimmt, was er einkauft und an wen er vermarktet.
Hintergrund: Strukturwandel in der EU
Hinsichtlich der Intensität des Strukturwandels und der Größe der Schweinehaltungen sind in der EU-Gemeinschaft beträchtliche Unterschiede zu erkennen. Vor allem in den östlichen Beitrittsländern stiegen überdurchschnittlich viele Schweinehalter aus der Produktion aus. Vielfach handelte es sich dabei um Kleinerzeuger. So verringerte sich im Betrachtungszeitraum die Zahl der Schweinebetriebe in Bulgarien, Estland und der Slowakei um jeweils mehr als 70 %. In Polen, Ungarn, Litauen und Lettland waren es über 60 %.
In den alten EU-Ländern wies den Luxemburger Statistikern nur Italien mit 77 % eine solch hohe Abnahmerate aus. Es folgten unter den größeren Produzentenländern Spanien, Frankreich und Dänemark mit einem Minus von jeweils etwa 55 %. Der Anteil der Betriebe, die die Schweinehaltung aufgaben, lag in den Niederlanden, Österreich und Deutschland in einer Spanne von 43 % bis 45 % und glich damit in etwa dem EU-Durchschnitt.
Relativ gebremst verlief der Strukturwandel dagegen im Vereinigten Königreich, wo zwischen 2005 und 2013 lediglich 11 % der Schweinehalter ausstiegen. Allerdings hatten dort zuvor bereits viele Betriebe wegen des Ausbruchs der Maul- und Klauenseuche (MKS) die Segel gestrichen. Einziges Land mit einer Zunahme der Schweinehalter war laut Eurostat Irland.