Düngeverordnung: Neue Verschärfungen bedeuten Raubbau am Boden
Die Bundesregierung hat in einer Nacht- und Nebel-Aktion beschlossen, die Düngeverordnung erneut drastisch zu verschärfen. Experten kritisieren die anvisierten Maßnahmen als kontraproduktiv und fachlich nicht nachvollziehbar. Derweil gießt Brüssel mit weiteren Nachforderungen Öl ins Feuer.
ISN: Die Bundesregierung reagiert auf den Druck aus Brüssel wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen. Die nun geforderten Maßnahmen sind nicht nur für die Betriebe existenzbedrohend, sie sind auch rein fachlich völlig daneben und führen in Teilen sogar zum Raubbau am Boden. Berlin muss endlich besonnen reagieren und die Fachleute zu Wort kommen lassen.
EU-Kommission erweitert Forderungskatalog erneut
Aufgrund der Androhung von hohen Strafgeldern aus Brüssel hat die Bundesregierung Ende Januar Vorschläge für eine erneute Verschärfung der jungen Düngeverordnung von 2017 vorgelegt.
Mit den geplanten Maßnahmen zeigt sich die Europäische Kommission einverstanden, verlangt aber noch weitergehende Regelungen. In einem Schreiben an die zuständigen Bundesministerinnen Svenja Schulze und Julia Klöckner, das Agra Europe vorliegt, verlangt EU-Umweltkommissar Karmenu Vella zusätzliche Vorschriften im Hinblick auf Sperrzeiten und die Ausbringung von Düngemitteln auf stark geneigten Böden. Zudem kritisiert der Kommissar die von der Bundesregierung in Aussicht gestellte Verabschiedung der verschärften Düngeverordnung bis Mai 2020 als nicht ehrgeizig genug. Bis Ende März dieses Jahres soll die Bundesregierung nun einen weitergehenden Entwurf für eine Änderung der Düngeverordnung in Brüssel vorlegen, in dem die genannten Forderungen aufgegriffen werden.
Zuordnung der roten Gebiete fragwürdig
Doch schon die aktuell diskutierten zusätzlichen Vorgaben bedeuten eine große zusätzliche Belastung für die Betriebe. Am schwersten wiegen die Maßnahmen für die mit Nitrat belasteten sogenannten roten Gebiete. Dabei ist aus Sicht der ISN schon die Zuordnung der roten Gebiete über das in Deutschland bestehende Belastungs-Messstellennetzwerk fragwürdig. Ohne Frage ist der Schutz des Grundwassers ein wichtiges Ziel, dass es zu erreichen gilt. Es kann aber nicht sein, dass hohe Belastungswerte an einzelnen Messpunkten dazu führen, das ganze Gebiete auf rot gestellt
werden. Und wenn dann an diesen Messpunkten (Brunnen) auch noch von Messung zu Messung kaum nachvollziehbare hohe Schwankungen in den ermittelten Werten auftreten, dann ist dieses Vorgehen doppelt fragwürdig. Hier besteht dringender Handlungsbedarf hinsichtlich der Einteilung der roten Gebiete.
Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen hat die nun geplanten neuen Maßnahmen fachlich bewertet. Dabei zeigt sich, welcher Irrsinn hier von Berlin aus angeschoben wird. Im Folgenden sind drei ausgewählte Bewertungen dargestellt:
- Verbot der Herbstdüngung im Spätsommer bei Winterraps, Wintergerste und Zwischenfrüchten ohne Futternutzung.
Diese Maßnahme schränkt die bedarfsgerechte Düngung sehr stark ein, mit der Folge, dass sich z.B. ausreichende Zwischenfruchtbestände für den Erosionsschutz oder den Humusaufbau unter Umständen nicht mehr etabliert werden können. Die LWK Niedersachsen befürchtet darüber hinaus eine Verschärfung der Lagerraumproblematik. Statt dieser Generalisierung sollte wie bisher die zuständige Länderdienststelle entscheiden können, standort- und bewirtschaftungsbedingte Differenzierungen vorzunehmen.
ISN-Klartext: Sinnvolle Umweltmaßnahmen werden durch das Pauschalverbot behindert. Auch Zwischenfrüchte können nicht von Luft und Liebe leben – sie brauchen Nährstoffe. Dass sich die Ausbringung der Wirtschaftsdünger auf immer enger gefasste Zeiträume fokussiert, kann im Sinne der Nährstoffausnutzung und damit des Umweltschutzes wohl nicht sinnvoll sein.
- Der für jede Kultur nach strengen Vorgaben ermittelte Stickstoffdüngebedarf wird pauschal um 20 % abgesenkt. Der sich ergebende verringerte Düngebedarf darf bei der Düngungsmaßnahme nicht überschritten werden.
Auch diese Maßnahme stellt nach Ansicht der Landwirtschaftskammer Niedersachsen eine sehr starke Einschränkung der bedarfsgerechten Düngung dar und ist aus Sicht einer bedarfsgerechten Pflanzenernährung nicht vertretbar. Ertrags- und Qualitätsverluste wären unvermeidbar. Hinzukommt, dass die Mehrzahl der vorliegenden Versuchsergebnisse bei dieser Maßnahme keine nennenswerte Minderung der auswaschungsgefährdeten Nitratmengen im Boden zeigt.
ISN-Klartext: Die Bundesregierun befördert sinkende Erträge, schlechte Qualitäten und befeuert einen Teufelskreislauf, der bis zum Raubbau am Boden führt – und das durch eine Maßnahme, die nicht einmal Verbesserung der Grundwasserqualität verspricht.
- Die bisher nur im Betriebsdurchschnitt geltende Obergrenze von 170 kg Stickstoff pro Hektar für organische und organisch-mineralische Düngemittel, einschließlich Wirtschaftsdüngern darf zukünftig je Schlag, je Bewirtschaftungseinheit 170 Kilogramm Gesamtstickstoff je Hektar und Jahr nicht überschreiten. Den Ländern wird die Möglichkeit eröffnet, die Obergrenze auf für Ackerland auf 130 kg Stickstoff abzusenken.
Reicht die aktuelle Begrenzung der P-Zufuhr nicht aus, hinterfragt die LWK Niedersachsen diese Vorgabe? Auf Böden mit mehr als 20 mg CAL-P2O5/100g Boden darf Phosphor maximal in Höhe der P-Abfuhr zugeführt werden. Bei den in der Geflügel- und Schweinhaltung anfallenden organischen Düngern wird i. d. R. Phosphat begrenzend sein, so dass die 170 kg N je ha gar nicht erreicht werden. Nicht genutzte Nährstoffe aus den organischen Düngern müssten dann durch Mineraldünger ersetzt werden, insbesondere bei einer Absenkung auf 130 kg Stickstoff.
ISN-Klartext: Die Maßnahme fördert den Einsatz mineralischer Dünger - wirtschaftseigene Dünger aus der Tierhaltung werden benachteiligt. Das ist kontraproduktiv für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft und verschärft den Nährstoffüberschuss in den Veredlungsregionen.
Die ISN meint:
Die EU-Kommission gießt mit massiven Nachforderungen Öl ins Feuer. Das ist wenig verwunderlich, denn das Fundament für alle Bewertungen ist schließlich das Belastungsmessnetz, welches nicht repräsentativ ist und von der Bundesregierung fehlerhaft zusammengestellt wurde. Hier muss angesetzt werden. Doch die Bundesregierung reagiert auf den Druck aus Brüssel wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen. Diese Panikreaktion verschlimmert die Situation. Tierhalter und Ackerbauern sollen mit Maßnahmen drangsaliert werden, die dem Grundwasser wohl kaum helfen, der Umwelt aber massiv schaden werden. Da ist es verständlich, dass sie Wut bei den Landwirten den Siedepunkt überschreitet.
Die Bundesregierung muss unbedingt zur Besonnenheit zurückkehren und die Nährstoffproblematik gemeinsam mit den Bundesländern fachlich sinnvoll angehen. Das bedeutet, zunächst der Wirkung der noch jungen Düngeverordnung zeitlichen Raum zu geben, sich die kritischen Messstellenpunkte genau anzusehen und die Einordnung der roten Gebiete auf die wirklichen Belastungsbereiche einzugrenzen.