10.02.2021rss_feed

Bundesrat: Baden-Württemberg will Festlegung von Mindestpreisen ermöglichen

© ISN

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Baden-Württemberg will mit einem Bundesratsantrag zur Sitzung am Freitag dieser Woche anerkannten Vereinigungen von Erzeugerorganisationen die Möglichkeit geben, verbindliche Mindestpreise festzusetzen.

ISN: Gut gemeint, aber nicht praktikabel. Das von Baden-Württemberg vorgeschlagene Mindestpreismodell erscheint auf dem ersten Blick zwar sehr verlockend, ist aber nicht zu Ende gedacht. Das Zusammenspiel zwischen Angebot und Nachfrage kann nicht gänzlich ausgehebelt werden - ein erzwungener Mindestpreis wird deshalb nicht funktionieren.

 


Baden-Württemberg hat für die Bundesratssitzung am Freitag dieser Woche, 12.02.2021 einen Antrag zur Änderung des Fleischgesetzes und des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen eingebracht.

Damit soll anerkannten Vereinigungen von Erzeugerorganisationen die Möglichkeit gegeben werden, für ihre zugehörigen Erzeugerorganisationen und deren angeschlossenen Erzeugern verbindliche Mindestpreise pro kg Schlachtgewicht für Fleisch festzusetzen. Dadurch könne dem strukturellen Ungleichgewicht auf den Fleischmärkten besser begegnet werden. Durch die Festlegung eines Mindestverkaufspreises innerhalb einer Erzeugervereinigung werde eine unternehmensinterne Entscheidung gefällt, die andere Wettbewerber, beispielsweise Erzeuger, Verarbeiter des Fleisches oder der Lebensmitteleinzelhandel, nicht binde. Damit die Mindestpreisbindung im Einklang mit dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen erfolgen könne, müsse dort eine Ausnahme für die Preisbindung im Fleischgesetz geregelt werden.

 

Baden-Württemberg begründet den Antrag mit einer strukturellen Schieflage im Spiel zwischen Angebot und Nachfrage, wenn eher heterogene landwirtschaftliche Produktions- und Vermarktungsstrukturen einer oligopolistischen Abnehmerstruktur des deutschen Lebensmitteleinzelhandels gegenüberstehen würden. Vor diesem Hintergrund und auch angesichts der vergleichsweise hohen Produktionsstandards in Deutschland bestehe die Gefahr, dass die von der Gesellschaft geforderten Veränderungen in der Fleischproduktion nicht stattfinden und der erforderliche Investitionsbedarf entlang der Wertschöpfungsketten angesichts des verbundenen Investitionsrisikos nicht getätigt werden.

 

Die ISN meint:

Gut gemeint, aber nicht praktikabel. Das von Baden-Württemberg vorgeschlagene Mindestpreismodell erscheint auf dem ersten Blick gerade in der aktuell desaströsen Lage am Schweinemarkt zwar sehr verlockend, ist aber nicht zu Ende gedacht. Bei näherer Betrachtung muss man feststellen, dass ein einseitig von Erzeugerseite erzwungener Mindestpreis nicht funktionieren und das Zusammenspiel zwischen Angebot und Nachfrage nicht gänzlich ausgehebelt werden kann. Hier gibt es genug Beispiele mit Hauspreisen, die immer dann von den Schlachtunternehmen gemacht werden, wenn die VEZG-Preisempfehlung der Erzeugerseite nach Ansicht der jeweiligen Schlachtunternehmen nicht zur Marktsituation passt, schätzt ISN-Marktexperte Klaus Kessing die Situation ein: Denn bei der Umsetzung in die Praxis wird es erhebliche Schwachstellen geben und die Umsetzung wird kaum akzeptabel funktionieren.

Dazu hier einige Beispiele, anhand derer die Umsetzungsschwächen deutlich werden:

  • Einseitig festgesetzte Mindestpreise funktionieren nur mit Außenschutz
    Wenn die Mindestpreise der Erzeugergemeinschaften oberhalb der erzielbaren Fleisch-Verkaufspreise der Schlachtunternehmen liegen, also eine negative Marge für die Schlachtbetriebe entsteht, werden die Schlachtunternehmen weniger nachfragen oder im Ausland einkaufen. Die Schweinehalter können ihre Schweine dann nicht zum vorgegebenen Mindestpreis vermarkten.

  • Einseitig festgesetzte Mindestpreise funktionieren nur für einen kompletten Markt
    Damit die Mindestpreise von Erzeugervereinigungen eine Wirkung im Markt haben, müssten diese verpflichtend für alle deutschen Landwirte sein. Der Preis darf also nicht von einzelnen Betrieben oder Gruppen umgangen werden können.

  • Einseitig festgesetzte Mindestpreise funktionieren nur mit garantierter Abnahme, z.B. durch den Staat bzw. eine Intervention
    Wenn die Nachfrage angesichts zu hoher Mindestpreise sinkt, bleiben Schweinehalter auf ihren Schweinen sitzen, es entsteht ein Schweinestau

  • Einseitig festgesetzte Mindestpreise funktionieren nur mit Mengenbegrenzung bzw. Quote
    Wenn die Mindestpreise so hoch sind, dass dauerhaft gute Gewinne erzielt werden, werden die Schweinehalter die Bestände aufstocken und die Erzeugung wird gemäß dem Schweinezyklus ansteigen - Auch wenn Aufstockungen aktuell nur sehr schwer möglich sind.

 

Zusammenfassend muss man betonen, dass ein System von Mindestpreisen nur mit einer ganzen Reihe von weiteren strikten Vorgaben und Begrenzungen für alle Marktbeteiligten funktionieren kann. Diese würden die bisher praktizierten freien Handelsaktivitäten am Schweinemarkt sehr deutlich einschränken und teilweise auch im Widerspruch zu einem freien Warenverkehr in der EU stehen. Wenn Mindestpreise greifen sollen, dann können die nur direkt zwischen den Marktpartnern im Einvernehmen vereinbart werden. Dann wird man aber auch das Gesamtangebotspaket und die Preisgestaltung insgesamt vereinbaren müssen, so Kessing.


Gesetzesantrag des Landes Baden-Württemberg

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