20.05.2020rss_feed

Bundeskabinett beschließt Verbot von Werkverträgen ab 2021

Das Bundeskabinett hat heute ein sogenanntes „Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft“ beschlossen.

Das Bundeskabinett hat heute ein sogenanntes „Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft“ beschlossen.

Das Bundeskabinett hat heute ein sogenanntes Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft beschlossen. Demnach sollen Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassungen in der Fleischwirtschaft ab dem kommenden Jahr verboten werden. Ausnahmen soll es für das Fleischerhandwerk geben. Eine entsprechende Gesetzesänderung muss aber für die Umsetzung noch folgen.

ISN: Das Thema Werkverträge in der Fleischwirtschaft ist nicht neu. Klar ist, Missstände müssen ohne Zweifel endlich abgestellt werden. Klar ist aber auch: Hygiene ist keine Frage des Arbeitsverhältnisses, wie auch die nun überwiegend ohne Beanstandungen gelaufenen Kontrollen bei den Werksmitarbeitern gezeigt haben. Wurde vielmehr die Corona-Krise im Bundeskabinett missbraucht, um nun schnell alte Rechnungen zu begleichen? In jedem Fall ist ein Gesetzes-Schnellschuss, der sich mit dem Verbot der Werkverträge allein auf die Fleischbranche stürzt und diese ebenso wie die Arbeitsgrundlage ihrer Werkmitarbeiter beschädigt, aus unserer Sicht verfassungsrechtlich bedenklich.

 

Nun geht es auf den Gesetzesweg

Im Vorfeld des Kabinettsbeschlusses hatte bereits Arbeitsminister Hubertus Heil angekündigt, in der Fleischwirtschaft aufräumen zu wollen. Auch die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat dem Kabinettsbeschluss zugestimmt, der nun noch in eine Gesetz bzw. eine Gesetzesänderung gegossen werden muss. Es gibt Zustände in der Fleischindustrie, die sind nicht haltbar. Die Betriebe müssen Verantwortung für ihre Arbeitnehmer übernehmen. Sie können diese nicht einfach auslagern und sich hinter Subunternehmen wegducken. Die Delegation von Verantwortung an Subunternehmen geht zulasten vieler Arbeiter. Hier gibt es ganz offensichtlichen Anpassungsbedarf. Deshalb haben wir als Bundesregierung heute einen klaren Beschluss gefasst, der Ausnahmen für die Betriebe des Fleischerhandwerks ermöglicht. Es liegt nun beim Bundesarbeitsminister, ein Gesetz vorzulegen, das die bestehenden Missstände abstellt und rechtssicher ist, so die Ministerin.

 

Ist ein Verbot nur für die Fleischwirtschaft verfassungskonform?

Kritik kam schon vor dem Beschluss des Kabinetts aus der Fleischbranche. So hat der größte deutsche Schlachter, die Tönnies-Unternehmensgruppe klargestellt, dass eine Pauschalkritik des Werkvertrags nicht gerechtfertigt sei, schließlich sei die arbeitsteilige Produktion in Deutschland ein Rückgrat der Wirtschaft. Stattdessen legte das Unternehmen ein 5-Punkte-Programm für die Fleischwirtschaft vor und forderte: Zur Wettbewerbsgleichheit brauchen wir klare Regeln für die gesamte deutsche Wirtschaft, im Bauwesen, dem Online-Versandhandel, der Logistik oder dem Schiffsbau. Da Werkverträge quasi überall angewendet werden, brauchen wir hier einen gesetzgeberischen Standard.

Der Präsident des Zentralverbands der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG), Friedrich-Otto Ripke, nannte das Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie gegenüber dem rbb sogar verfassungswidrig. Auch er verwies darauf, dass solche Werksverträge auch in anderen Branchen zulässig seien. Ein einseitiges Verbot würde also die Fleischbranche benachteiligen und diskriminieren.

 

Die ISN meint:

Es ist selbstverständlich, dass Missstände – so sie auftreten – abgestellt werden müssen. Natürlich müssen im Sinne der Mitarbeiter Mindeststandards in Gesundheitsschutz, Arbeitsschutz, Bezahlung usw. eingehalten werden. Das Thema ist aber bestimmt nicht neu und obwohl die aktuellen Kontrollen z.B. in den Wohnungen der Werkmitarbeiter überwiegend in Ordnung waren, wurde von Seiten der Politik immer weiter verbal aufgerüstet. Dabei ist doch Hygiene keine Frage der Form des Anstellungsverhältnisses. Ging es hier tatsächlich noch um die Verhinderung der Ausbreitung von Corona oder vielleicht doch eher um das Begleichen alter Rechnungen unter dem Deckmantel der Corona-Krise. Genau das hat nämlich NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann vor wenigen Tagen gegenüber dem WDR mit folgendem Satz angedeutet: Wir müssen jetzt diesen Sumpf austrocknen. Die Pandemie gibt uns die Möglichkeit, das zu tun. Und auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil spricht ähnlich polemisch von aufräumen. Wollte die Bundesregierung also die Gelegenheit nutzen, ein lange diskutiertes Thema im Schnellschuss zu erledigen? So kann es doch wohl nicht laufen. Statt mit der Branche gemeinsam die Mindeststandards zu besprechen und abzustimmen, will man scheinbar Eckpfeiler setzen, die hierzulande die ganze Branche und auch die Grundlage der hier arbeitenden Werkmitarbeiter beschädigen. Leider haut auch die Bundeslandwirtschaftsministerin in die gleiche Kerbe und schiebt ihre Verantwortung auf den Bundesarbeitsminister ab. Noch ist das notwendige Gesetz nicht geschrieben und verabschiedet – sollte sich das Verbot der Werkverträge aber allein auf die Fleischbranche beziehen, wird es aufgrund der von ZDG-Präsident Friedrich-Otto Ripke bereits angeführten verfassungsrechtlichen Bedenken wohl zu erheblichen Rechtsstreitigkeiten und einer Klagewelle kommen.


Details zu den heute beschlossenen Maßnahmen vom Bundesarbeitsministerium

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