24.02.2016rss_feed

ISN fordert Schluss mit bürokratischem Albtraum – Ministerpräsident Weil: Niedersachsen soll Schweineland Nummer 1 bleiben

Ein bürokratischer Albtraum plagt den Schweinehalter und ISN-Vorsitzenden Heinrich Dierkes seit einiger Zeit – über hundert Ordner stehen bereits in seinem Büro, und es werden stetig mehr.

Mein Vater sagte schon damals, als ich wohlbemerkt nur 12 Ordner im Regal stehen hatte, ‚Junge willst du Bauer werden oder Beamter?‘ Auf einem Rollwagen neben ihm steht dieser alltägliche Albtraum an Ordnern, den alle Berufskollegen nur zu gut kennen – fein säuberlich sortiert, gelocht und abgeheftet. Meine echten Akten sind Zuhause, man muss schließlich täglich mit einer Kontrolle rechnen. Aber Fakt ist: Uns muss endlich diese bürokratische Last von den Schultern genommen werden.

 

Entbürokratisierung für mehr Innovation und Unternehmertum

Mit dieser Forderung traf Dierkes den Nerv der gut 300 ISN-Mitglieder und Gäste, die am Dienstag auf der Mitgliederversammlung in Osnabrück mit der ISN und Gastredner Ministerpräsident Stephan Weil die Aussichten der Branche diskutierten. Was Dierkes derzeit vor allem vermisst, ist ein konstruktiver Dialog zwischen Behörden und Wirtschaft. Da sind zum Beispiel Fachrichtungen, deren verschiedene Anordnungen sich beißen, wie beim Thema Kastenstand, Baurecht oder Nährstoffverwertung. Diese und weitere Reizthemen, Stichwort Antibiotika oder Luftfilter, gilt es, unter anderem mit einem Masterplan für die niedersächsische Nutztierhaltung, zu entbürokratisieren. Es geht darum, Freiraum und Impulse für Innovationen und Unternehmertum zu schaffen. Es muss uns gelingen, bürokratische Hürden abzubauen, denn genau das schwächt unsere Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Markt. Nationale Alleingänge lehnen wir ebenso ab, wie staatliche Eingriffe in den Markt, so Dierkes.


Staack: Schweinehalter wollen keine 'Stütze' vom Staat

ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack schlug mit seinem Jahresbericht in eine ähnliche Kerbe. Schweinehalter wollen keine Stütze vom Staat. Schweinehalter sind landwirtschaftliche Unternehmer und brauchen einen verlässlichen Rechtsrahmen, in dem sie marktorientiert agieren können. Dabei stelle man sich sehr wohl gesellschaftlichen Ansprüchen besonders zum Thema Tierschutz. Hierfür Lösungen zu finden ohne die Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren, das schließt sich keinesfalls aus. Aber eins sollte jedem politischen Akteur klar sein: mehr Tierwohl in den Ställen lässt sich nur realisieren, wenn die Tierhalter auch weiter am Markt bestehen. Und an Minister Weil richtete Staack noch die Frage: Wo ist das Vertrauen der Politik und der ausführenden Behörden?

 

Tierwohl passiert im Stall, nicht auf dem Papier

Kurz vor dem Auftritt von Gastredner Weil machte auch Florian Hollmann, Mitglied des Sprecherteams der Jungen ISN, seinem Ärger über fehlende Perspektiven Luft: Ländliche Entwicklung geht nicht ohne uns Landwirte und das muss auch die Politik verstehen. Schlagworte wie Nachhaltigkeit und Tierschutz sollen von uns Landwirten ausgefüllt werden, aber Tierwohl passiert im Stall und nicht auf dem Papier!


Ministerpräsident Weil macht Agrarpolitik zur Chefsache

In seinem anschließenden Vortrag zeigte Ministerpräsident Stephan Weil Verständnis für die Forderungen der Schweinehalter. Ich verstehe sehr wohl, dass die gesetzlichen Vorgaben und Auflagen auf den Betrieben kumulativ wirken. Die Landesregierung bemühe sich deshalb um pragmatische Lösungen und den Abbau von bürokratischen Hürden, wie bereits im, von Dierkes angesprochenen, Masterplan vorgesehen. Ziel sei es, dass Niedersachsen auch weiterhin das Agrar- und Schweineland Nummer 1 bleibe. Gleichzeitig zeigte Weil großes Verständnis für die derzeitige Zwickmühle der Branche, mit ihrer schwierigen Marktlage und gesteigerten gesellschaftlichen Erwartungen. 1 Kilo Schnitzel kostet weniger als eine Packung Zigaretten – das kann nicht sein. Der Preis von Lebensmitteln spiegelt ganz klar nicht deren Qualität und Arbeitsaufwand wieder. Weil sprach sich für faire Wettbewerbs- und Marktbedingungen aus, bei denen Mehraufwand bezahlt werden müsse, und gesetzliche Vorgaben auch für kleine Betriebe machbar bleiben.

 

Deutliche Kritik an Fachministerien

Eine besondere Chance sieht Weil in der bisherigen konstruktiven Partnerschaft und Dialogbereitschaft, für die er sich auch in Zukunft praktische Anregungen von Seiten der Fachorganisationen erhofft. In der abschließenden Diskussion gab es vor allem in diesem Punkt allerdings auch deutliche Kritik. Denn es gibt derzeit noch eine viel zu große Diskrepanz zwischen Weils Äußerungen und den praktischen Ausführungen in den Fachressorts, wie z.B. dem Umwelt- und dem Landwirtschaftsministerium. Dennoch erntete der niedersächsische Ministerpräsident mit seinem glaubhaften Auftreten und fachlichen Ausführungen durchaus Zustimmung von Seiten des Fachpublikums – schließlich erklärte er das Thema Landwirtschaft damit auch zur Chefsache in Niedersachsen. Fest steht, noch sind bei vielen Themen dicke Bretter zu bohren – es wächst aber die Hoffnung, dass mit Weils Vorstellungen einer starken Agrarwirtschaft tatsächlich perspektivische Lösungen gefunden werden können – mit Strahlkraft für die Schweinehaltung in ganz Deutschland.


arrow_upward