11.05.2018rss_feed

Neue Vorgaben für die Sauenhaltung: Ja mit einem großen Aber!

Christian Schulze Bremer, Sauenhalter und stellvertretender ISN-Vorsitzender

Christian Schulze Bremer, Sauenhalter und stellvertretender ISN-Vorsitzender

Die Tierschutznutztierhaltungsverordnung soll hinsichtlich der Vorgaben für die Haltung von Sauen novelliert werden. Wie ist die Sicht der ISN darauf? Dazu haben wir den stellvertretenden ISN-Vorsitzenden Christian Schulze Bremer befragt.

 

Herr Schulze Bremer, die Agrarminister der Länder haben das Bundeslandwirtschaftsministerium aufgefordert eine novellierte Tierschutznutztierhaltungsverordnung zu erarbeiten. Dabei geht es neben der Haltung der Sauen im Deckzentrum auch um die Abferkelbucht. Unterstützt die ISN dieses Vorhaben?

Grundsätzlich ja, denn der momentane Schwebezustand ist für uns Ferkelerzeuger unerträglich. Wir müssen wissen, wie die Sauen mittel und langfristig im Deckzentrum gehalten werden dürfen. Wir brauchen endlich Planungssicherheit für die bestehenden Gebäude und auch für Neu- und Umbauten. Insofern geht kein Weg an einer Neuregelung vorbei – das gilt sehr akut für das Deckzentrum, aber im Prinzip genauso auch für den Abferkelbereich. Deshalb ist es sinnvoll nun auch gleich die Novelle für beide Haltungsbereiche anzugehen.

 

Mit gleichen Übergangszeiten, wie es die Spatzen derzeit von den Dächern pfeifen?

Damit kommen wir zum großen Aber: Die Abferkelbucht jetzt neu zu regeln ist richtig, aber hierfür müssen deutlich längere Übergangszeiten als die für das Deckzentrum diskutierten 17 Jahre gelten. Natürlich können die Neuregelungen für alle Neu- und gravierenden Umbauten in den besagten Bereichen direkt ab dem Inkrafttreten der Novelle gelten. Jeder Landwirt, der die Bereiche neu- oder umbaut würde dann ohnehin aus eigenem Interesse die neuen Vorgaben umsetzen, weil er sonst in wenigen Jahren wieder neu umbauen müsste.

 

Aber sind diese Vorgaben für die Ferkelerzeuger finanziell überhaupt zu stemmen?

Genau das ist der Punkt: Das wird sehr schwierig werden, und nahezu unmöglich, wenn beide Baustellen gleichzeitig bezahlt werden müssten. Nach den Berechnungen der ISN würden die neuen Vorgaben für die beiden genannten Bereiche rund 2.000€ bezogen auf alle Sauenplätze kosten. Auf Deutschland bezogen sind das rund 3,5 Mrd. Euro. Diese Mehrkosten am Markt zu erwirtschaften ist kaum möglich. Damit aber nicht genug, kommen noch weitere bürokratische und genehmigungstechnische Hürden hinzu, wenn Ferkelerzeuger umbauen wollen. Es ist klar, dass nahezu alle Ferkelerzeuger in Deutschland massiv in die Struktur ihrer Gebäude bis hin zum Güllesystem eingreifen müssen, wenn sie die Neuvorgaben umsetzen wollen. In der Regel wird sogar zusätzlich umbauter Raum geschaffen werden müssen, wenn die Sauenzahl gehalten werden soll. Abstocken wird ökonomisch in den seltensten Fällen sinnvoll sein.

 

Das heißt?

Auch wenn für uns als ISN nach wie vor der Markt die Erzeugung tragen muss: An dieser Stelle brauchen die Ferkelerzeuger für den Umbau der Gebäude substanzielle finanzielle Unterstützung von staatlicher Seite. Und nicht nur die – sie brauchen auch Hilfe bei der Bewältigung der bürokratischen und genehmigungstechnischen Hürden. Selbst wenn die Umbaumaßnahmen zu finanzieren wären, nützt es dem Ferkelerzeuger nichts wenn er aufgrund der Hürden gar nicht umbauen kann. Zusammengefasst heißt das: Kommt die beschriebene Unterstützung nicht, werden wir mit Ablauf der Fristen ein Ausmaß des Sterbens der Ferkelerzeugung in Deutschland haben, wie wir es bislang noch nicht erlebt haben.

 

Kommen wir zurück zu den Regelungen – welche Knackpunkte sehen Sie bei den diskutierten Regelungen?

Damit sind wir beim nächsten Aber. Neuregelungen machen nur Sinn, wenn die Regelungen auch praktikabel sind. Und genau hier habe ich an verschiedenen Punkten große Bauchschmerzen. Ganz besonders kritisch sehe ich die Maße, die in dem Eckpunktepapier des BMEL festgelegt sind. Die Kastenstandbreiten, so wie sie dort in den Klassen festgelegt sind, sind eindeutig zu breit und nicht praktikabel. Die Sauen werden sich in hohen Anteilen umdrehen und dabei verletzen. Damit machen wir eine unnötige neue Baustelle auf. Aus meiner Sicht muss es möglich sein, bei der sehr verkürzten Zeit im Kastenstand auch mit praktikablen Breiten zu arbeiten. Auch bei anderen Maßen sind die diskutierten Werte recht happig. So führt eine aus meiner Sicht übertriebene Mindestlänge der Kastenstände von 2,20 m dazu, dass die Achsmaße in den Ställen endgültig nicht mehr passen. Auch eine Mindestvorgabe für die Abferkelbucht über 6 m² hinaus (Österreich liegt bei 5,5 m²) ist zu hoch. Gut ist, dass man scheinbar eingesehen hat, dass eine Fixierung der Sauen im Abferkelbereich für wenige Tage möglich sein muss. Es geht also jetzt um die kleinen, aber äußerst wichtigen Details, bei der mehr Praxis als Theorie gehört werden muss.


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