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Ein Masterplan für die niedersächsische Nutztierhaltung – Vorbild für andere Bundesländer und Berlin?

Ende Oktober hat sich eine Unternehmergruppe des Agrar- und Ernährungsforums Oldenburger Münsterland (AEF) mit dem Niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil und dessen Agrarminister Christian Meyer in einem Gespräch darauf verständigt, einen Masterplan für nachhaltige Nutztierhaltung in Niedersachsen zu erarbeiten.


Schweinehalter und ISN-Vorsitzender Heinrich Dierkes

Schweinehalter und ISN-Vorsitzender Heinrich Dierkes

Der ISN-Vorsitzende, Heinrich Dierkes, war bei dem Gespräch dabei. Wir haben ihm einige Fragen zum Masterplan gestellt:

Herr Dierkes, was genau steckt hinter dem geplanten Masterplan für die niedersächsische Nutztierhaltung?

Die Tierhaltung in Deutschland – und vor allem in Niedersachsen - konnte sich in der Vergangenheit vor allem deshalb gut entwickeln, weil es ein gutes Zusammenspiel zwischen Wirtschaft und Behörden gab. Gezeigt hat sich das vor allem darin, dass es klare rechtliche Vorgaben gab, die so ausgestaltet waren, dass sie themenübergreifend, also im Bereich Umwelt, Tierschutz, Lebensmittelsicherheit, Wirtschaft usw. weitgehend zueinander passten. Natürlich war auch früher nicht alles gut, aber es gab einen guten Dialog zwischen der Wirtschaft und den Behörden. Das hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Das Zusammenspiel ist durch die verschiedenen Gesetzes- und Kontrollverschärfungen erheblich aus dem Lot gekommen. Heute haben wir eine Reihe von gesetzlichen Vorgaben, die sich je nach Fachrichtung beißen. Diese schlechte jüngste Entwicklung soll der Masterplan umkehren.

 

Das heißt?

Das heißt, die Entscheider müssen an einen Tisch und einen gemeinsamen Weg formulieren. Die jeweils zuständigen Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Wirtschaft – genauso wie die Landwirte und die Agrarwirtschaft. Gelingt dies nicht wird Niedersachsen langfristig definitiv nicht seinen Status als Agrarland Nr.1 halten können.

 

Wie würden Sie die momentanen Rahmenbedingungen skizzieren?

Sehr hohe bürokratische Hürden und stetig steigende Kontrollkosten belasten uns Landwirte und letztendlich die gesamte niedersächsische Agrarwirtschaft. Das gilt im Übrigen natürlich auch für andere Bundesländer wie NRW o.ä. Der derzeitige Weg, höhere Standards per Ordnungsrecht und mit viel Kontrolle zu erreichen, bremst Weiterentwicklungen und schränkt den unternehmerischen Freiraum ein. Innovationen sind kaum noch möglich, weil nahezu immer aus irgendeinem formalen Blickwinkel etwas dagegen spricht. Wir Landwirte können keine Veränderungen – egal ob in Bezug auf Tierwohl oder in welche Richtung auch immer - einleiten, weil derzeit fast immer gute Ideen und gut gemeinte Veränderungen von behördlicher Seite schnell blockiert werden. Wir brauchen Abwägungsprozesse, bei denen Vor- und Nachteile nebeneinander gestellt und bewertet werden. Der Masterplan soll helfen, diese bürokratischen Hürden abzubauen.

 

Haben Sie Beispiele dafür, wo es hakt und wo ein Masterplan helfen könnte?

Da gibt es einige - hier nur vier aus verschiedenen Bereichen :

- Reizthema Antibiotika: Hier werden unsinnige pauschale Reduktionsziele festgelegt und ein riesiger Kontrollapparat aufgebaut, statt zielgenau das Thema anzugehen. Man könnte bei guter Zusammenarbeit mehr erreichen und dabei Bürokratie und Kosten reduzieren. Das QS-Antibiotikamonitoring ist ein gutes Beispiel für die Bereitschaft und die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft.

- Luftfilter: Strohhaltungen oder Außenklimaställe sind zwar politisch gern gesehen, werden in der Praxis aber i.d.R. nicht genehmigt, weil es dafür entweder keine oder keine für den Einsatzzweck zertifizierte Filtertechnik zum Immissionsschutz gibt. In den jeweiligen Erlassen setzt man ausschließlich auf Filtertechnik. Stallinterne Maßnahmen zur Emissionsminderung finden gar nicht erst Berücksichtigung.

- Güllemanagement: Es wird ein flächendeckendes Güllemanagement gefordert und gleichzeitig werden keine Anreize für den Bau von notwendigem Güllelagerraum in veredlungsarmen Regionen gegeben. Mindestens eine einfachere Genehmigungspraxis müsste endlich kommen.

- Platzerweiterung: Wenn eine Stallhülle erweitert werden soll, um den Tieren mehr Platz zur Verfügung zu stellen, wird – auch ohne Ausdehnung der Tierzahl – der gesamte Genehmigungsprozess neu aufgerollt. Kein Wunder, wenn er dann beim Status Quo bleibt. Und Stillstand ist Rückschritt!

 

Wie soll der Masterplan nun helfen?

Wie schon beschrieben – mit Dialog. Indem die Entscheider aus den relevanten Disziplinen – also Tier-, Umwelt-, Verbraucherschutz, Wirtschaft usw. an einen Tisch geholt werden. Es gilt dann: Im Dialog bürokratische Hürden identifizieren und dann Ziele definieren, um so - so unbürokratisch wie möglich - Lösungsansätze zuzulassen.

 

Kritiker sehen in dem Masterplan einen politischen Alleingang der zu höheren Kosten führt. Sie fürchten, dass niedersächsische Agrarprodukte zukünftig nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Wie sehen Sie das?

Genau das darf es nicht sein. Es geht doch darum, den notwendigen Freiraum und die notwendigen Impulse für Innovationen und Unternehmertum zu schaffen. Wir haben einen europäischen Markt, dem wir uns stellen müssen und in dem die Standards gesetzt werden. Es muss beim Masterplan primär darum gehen, die bürokratischen Hürden abzubauen, die bei uns - bei Umsetzung der europäischen Vorgaben - zusätzliche Kosten zur Folge haben. Genau das schwächt unsere Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Markt und genau das gilt es schnell zu beseitigen. Nationale Alleingänge lehnen wir als ISN ebenso ab, wie staatliche Eingriffe in den Markt.

Ich bin davon überzeugt, dass wir die Schweinehaltung ökonomisch nur weiterentwickeln können, wenn wir den vielen Ideen meiner Berufskollegen aber auch der Agrarwirtschaft insgesamt den Weg zur Umsetzung und Erprobung ebnen. Innovation und Fachkompetenz war und ist die Stärke unserer Region.

 

Sie sehen im Masterplan also eine Chance?

Ganz klar ja. Ich sehe eine Vorreiterrolle, die nicht politisch aufgezwungen ist, sich also aus der eigenen Kraft der Wirtschaft entwickelt, als Chance und weniger als Bedrohung. Und: Dialog, weniger Bürokratie und Offenheit gegenüber Neuem ist immer positiv zu bewerten. Natürlich spielt nun die genaue Ausgestaltung des Masterplans eine entscheidende Rolle. Wird der Masterplan gut angegangen, kann er beispielgebend für andere Regionen werden.


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