01.12.2015rss_feed

Sauerei beim Schweinepreis: Wer verdient eigentlich am Fleisch?

Insgesamt zahlte der Verbraucher 2015 im Vergleich zu 2010 rund 70 Cent mehr pro Kilo Schweinefleisch. Gleichzeitig machen die Landwirte einen Cent Verlust. Wer steckt sich die Marge ein?

Insgesamt zahlte der Verbraucher 2015 im Vergleich zu 2010 rund 70 Cent mehr pro Kilo Schweinefleisch. Gleichzeitig machen die Landwirte einen Cent Verlust. Wer steckt sich die Marge ein?

Schweinehalter wirtschaften marktorientiert und wissen, Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Derzeit ist das Angebot hoch, die Nachfrage schwächelt – soweit ist das allen klar. Die Landwirtschaft wäre aktuell jedoch nicht in einer solchen Preiskrise, wenn vom erzielten Erlös an der Ladentheke nicht nur mickrige 20% bei den Erzeugern ankommen würden.

Preisschwankungen allein können die Schweinehalter im Rahmen der freien Marktwirtschaft abfangen, die derzeitige Einkaufs- und Preispolitik des Lebensmitteleinzelhandels führt jedoch zu einem Preiskampf, der die Landwirte angesichts immer weiter steigender Kosten in den Ruin treibt.

 

Wer macht sich die Taschen voll? Wirtschaftet der LEH auf Kosten der Landwirte?

Während die Schweinehalter mit ruinösen Schweinepreisen zu kämpfen haben, steigt die Spanne zwischen den Erzeugerpreisen und dem Preis für Schweinefleisch immer weiter an. Dies sollte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt bei seinem anstehenden Lebensmittelgipfel unbedingt deutlich ansprechen. Minister Schmidt hat nämlich für den kommenden Donnerstag rund 30 Vertreter der gesamten Wertschöpfungskette, von der Erzeugerstufe über die Verarbeitung und den Handel bis zur Ebene der Verbraucher zu einem Lebensmittelgipfel eingeladen.

 

70 Cent zusätzliche Spanne zu Lasten der Landwirte

Es gehe darum, sich über die Verantwortung jeder einzelnen Stufe und deren Beitrag zu einzelnen Fragestellungen auszutauschen, heißt es im Ministerium. Bei dem Treffen soll es in der Tat auch um die derzeitige Misere bei den Erzeugerpreisen für Schweinefleisch gehen. Daher begrüßt die ISN den Gipfel ausdrücklich.

Matthias Quaing, Marktexperte der ISN, stellt die Verantwortung des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) heraus: Ein Blick auf die Ladenpreise von Fleisch und Wurst zeigt, dass der LEH die gesunkenen Einkaufspreise mit Ausnahme von einigen Lockvogelangeboten, mit denen das Fleisch mit Preisnachlässen von 50 % und mehr quasi verramscht wird, kaum an die Kunden weiter gibt. Noch schlimmer: Nach unseren Berechnungen ist die Schere zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen in den vergangenen fünf Jahren um mehr als 70 Cent je kg Schweinefleisch gestiegen, so Quaing.


Steigende Kosten, sinkende Erlöse

Bei einem Schweinepreis von 1,25 €/kg liegt der Erzeugeranteil am Ladenpreis aktuell bei deutlich unter 20%. Im Klartext: Mehr als 80% der Wertschöpfung vereinnahmen die nachgelagerten Stufen. Und das, obwohl insbesondere die Landwirtschaft in den letzten Jahren angesichts von zahlreichen Gesetzesverschärfungen und Auflagen mit deutlich gestiegenen Kosten zu kämpfen hat.

Selbst das Kartellamt entpuppt sich angesichts der jüngsten Gerichtsurteile immer mehr als stumpfes Schwert gegenüber den marktmächtigen Lebensmitteleinzelhändlern. Auch wenn die ISN marktregulierende Eingriffe seitens der Politik ganz deutlich ablehnt, muss eine Diskussion über die Verteilung der Wertschöpfung in der Kette auch auf politischer Ebene geführt werden.

 

Politik und Branche müssen sich Diskussionen stellen

Ein Blick auf den europäischen Schweinepreisvergleich der ISN zeigt, dass die deutschen Schweinepreise im europäischen Wettbewerb immer mehr den Anschluss verlieren. Auch die Schlachtunternehmen beklagen, dass die zusätzliche Wertschöpfung, die insbesondere durch die Vermarktung des sogenannten 5. Viertels im Drittlandsexport möglich war, durch den enormen Preisdruck im Inlandsgeschäft wieder zunichte gemacht wird. Langfristig kann diese Rechnung nicht aufgehen.

Mit Nachhaltigkeit hat dies nichts zu tun, denn die deutschen Schweinehalter bleiben dabei auf der Strecke. Es müssen neue Strategien her, um die Preis- und Vertrauenskrise in Deutschland zu überwinden. Dafür bedarf es jedoch nicht nur eines einmaligen Lebensmittelgipfels, sondern eines intensiven Diskussions- und Dialogprozesses über alle Stufen. Hier ist die Moderation seitens der Politik gefordert – Schmidts Lebensmittelgipfel ist ein guter Anfang.


Lebensmittel zu Ramschpreisen

Schweinemarkt: Preissturz in Europa

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