26.09.2011rss_feed

Fokus Schwein in Vechta – Schweinehalter in der Klemme?

Personen v.l.n.r.: Detlef Breuer, Dr. Dietmar Weiß, Josef Batke, Christoph Hoffrogge, Frank Ehlers, Dr. Christian Bickert, Dr. Sebastian Schwarz, Herbert Heger, Björn Markus, Norbert Stärk, Rudolf Diegruber

Personen v.l.n.r.: Detlef Breuer, Dr. Dietmar Weiß, Josef Batke, Christoph Hoffrogge, Frank Ehlers, Dr. Christian Bickert, Dr. Sebastian Schwarz, Herbert Heger, Björn Markus, Norbert Stärk, Rudolf Diegruber

Magerfleischanteile und Schinkengröße – sind die neuen Abrechnungsmodelle gut für die Landwirte, schlecht oder einfach nur verwirrend? Wer bekommt noch Geld von der Bank und warum sind hohe Futterpreise vielleicht sogar ein Vorteil? Vor einem voll besetzten Saal präsentierten und diskutierten die Referenten der Veranstaltung Fokus Schwein Weser-Ems am 21.09.2011 die Themen, die den Schweinehaltern aktuell unter den Nägeln brennen. Bereits zum fünften Mal hatten die Bröring Unternehmensgruppe und die Boehringer Ingelheim Vetmedica GmbH zu Fokus Schwein eingeladen. Zum ersten Mal fand die Tagung in der Justus-von-Liebig-Schule in Vechta statt. Weit über 500 Teilnehmer zählten die Veranstalter – ein voller Erfolg! Das große Interesse zeigt, dass die Veranstalter mit Fokus Schwein erneut die wichtigen Themen getroffen haben.

 

Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit in der Schweineproduktion behalten, betonte Josef Batke, Koordinator Agrarwirtschaft an der Justus-von-Liebig Schule in seinen einleitenden Worten: Hähnchen machen aus nur anderthalb Kilo Futter ein Kilo Hähnchen. Das ist die Konkurrenz. Neben der biologischen Leistungsfähigkeit sind aber auch andere Dinge entscheidend, um sich am Markt zu behaupten. Das präsentierten die Referenten mit durchaus provokanten Thesen: Deutsche Schweinehalter brauchen hohe Futterpreise und je höher die sind, umso besser ist das! sagte Dr. Christian Bickert, stellvertretender Chefredakteur der DLG-Mitteilungen, gleich zu Beginn. Selbst Leiter zweier Ackerbaubetriebe – einer in Hessen, der andere in Rumänien – zieht der Agrarjournalist aus seiner langjährigen Beobachtung der Märkte den Schluss, dass die Ernte 2011 so schlecht gar nicht gewesen ist: Ich behaupte, Weizen – da können sie hingucken wo sie wollen – EU-weit, weltweit – gibt es genug. Der Blick müsse heutzutage sehr weit über den Tellerrand hinausgehen, um die wirklich am Markt vorhandenen Getreidemengen zu beurteilen: Wir merken, dass die so genannte Missernte gar nicht so schlimm war wie angenommen: Die Russen exportieren wie verrückt.

 

Know-how als Wettbewerbsvorteil ausbauen

Spekulation und Wirtschaftskrisen, die die Kaufkraft der Konsumenten senken, drücken seiner Ansicht nach mittelfristig die Preise und es besteht die Gefahr, das Investoren ihr Kapital nicht mehr in Europa sondern in Schwellenländern einbringen: Was diesen Ländern fehlt, ist Kapital und das schaffen wir dorthin. In anderen Ländern der Erde seien Tier- und Umweltschutz teils noch Fremdworte und hohe Futterkosten wären ein Vorteil für Europa, denn wer die Nase vorn hat bei der Futterverwertung und seien es nur ein paar hundert Gramm, der überrundet bei hohen Futterpreisen die Anbieter in anderen Ländern, die deutlich mehr füttern müssen als deutsche Landwirte. Die Probleme vom Tierschutz bis zur Gülleentsorgung sind gewaltig. Das sind Nachteile, die zu beseitigen geht nur mit Know-how: mit höherer Ferkelleistung, besserer Futtermittelverwertung. Da müssen Sie besser sein als die Konkurrenz. Niedrige Futterpreise verhindern außerdem eine Marktbereinigung: Bei niedrigen Futterpreisen gibt keiner auf und es müssen welche raus gehen, damit die mit dem Know How überleben ist sich Bickert sicher.

 

Der tatsächliche Gewinn zählt

Gute Betriebe zu fördern, ist auch das Anliegen von Christoph Hoffrogge. Der Fachberater für Landwirtschaft bei der OLB erläuterte, wie betriebliches Wachstum aus Sicht der Bank aussehen kann, denn Fremdkapitaleinsatz ist in der Landwirtschaft in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Früher kam der Kunde zur Bank, verpfändete seinen Grund und ging mit dem Geld wieder raus. Heute ist das etwas komplizierter, erläutert Hoffrogge, es geht darum, ob sich das Projekt rechnet, wenn nicht, gibt es sowieso keinen Kredit. Anhand der aktuellen Betriebsdaten und den Betriebszweigauswertungen der Landwirtschafskammer gruppiert die Bank den Kunden ein. Wichtig ist dabei, was hinten rauskommt: Nicht die Zahl der geborenen Ferkel, sondern ob mit den verkauften Tieren wirklich Gewinn erzielt wird, ist entscheidend. Auch Liquiditätsplanung wird aufgrund der bewegten Märkte immer wichtiger. Im Grunde, so beobachtet Hoffrogge, haben in den letzten Jahren nur die guten Betriebe Eigenkapital bilden können und sind gut zurecht gekommen. In unseren Augen können nur die Guten in Zukunft bestehen, selbst der Durchschnitt hat es schwer. Und kleine Familienbetriebe werden es in meinen Augen sehr schwer haben.

 

Von allen Seiten wächst der Druck

Weichen die Kleinen? Dr. Dietmar Weiß, Bereichsleiter Fleischwirtschaft bei der Agrarmarkt Informationsgesellschaft (AMI) in Bonn beleuchtete die verschärften Bedingungen unter denen der Mastschweine- und Ferkelmarkt aktuell steht. Wir werden die Hälfte aller Kleinbetriebe verlieren, ist seine Prognose. Zwischen steigenden Pachten, Futter- und Energiekosten einerseits, steigender Marktmacht der immer größeren Schlachtbetriebe, sowie wachsenden Anforderungen durch Umwelt- und Tierschutzauflagen sieht er die Landwirte in der Klemme. Schärfere Bestimmungen im Schweinebereich bedrohen den Selbstversorgungsgrad mit Schweinefleisch. Deutschland kennt den Effekt aus dem Geflügelsektor: Die Einführung der Kleingruppenhaltung noch vor den übrigen EU-Staaten hat den Selbstversorgungsgrad mit Eiern von 71 % auf 55 % einbrechen lassen. Die Schweineproduktion in der EU liegt über dem Vorjahresniveau (+ 1,8 % in der ersten Jahreshälfte 2011). Die Mehrproduktion muss irgendwie vermarktet werden, sagt Weiß, der Drittlandsmarkt brummt: Vor allem die Asiatischen Märkte saugen Schweinefleisch, Innereien, Füße und Nebenprodukte an. Es wird Ware benötigt. Auch wenn China bemüht ist, die Produktion auszubauen, gehen wir davon aus, dass hier weitere Exportchancen liegen.

 

Das internationale Preisniveau ist gut und beeinflusst die Inlandspreise positiv: Doch nur 10 % der Ware geht in Drittländer, 90 % werden innerhalb der EU vermarktet und Länder in der Krise haben trotz gleichbleibenden Angebots einen geringeren Verbrauch. Die EU-weite Viehzählung für das laufende Jahr, umfasst bisher 13 Länder, in denen aber 85 % des Gesamtbestandes zu finden sind: Im Schnitt sind es 5,4 % weniger Sauen, bei den Jungsauen 5,7 %, in Osteuropa sind die Rückgänge teils deutlich höher: Tschechien hat bei den Jungsauen ein Minus von 20,6 %). Die Schweineproduktion ist rückläufige, schätzt Weiß die Lage. Übrig bleiben weniger aber leistungsstärkere Betriebe, das belegen die Zahlen schon jetzt: Der Strukturwandel ist in vollem Gange, stellt Weiß klar. Doch weil es eher die Kleinen trifft, bedeuten viele Betriebsaufgaben nicht unbedingt weniger Sauen: 9 % könnten es werden, bei höherer Produktivität bedeutet dass ein Minus von 5 % bei den Ferkeln. Auch in Dänemark und Holland scheiden Betriebe aus ähnlichen Gründen aus wie hier, der Export stagniert. Es wird eine größere Konkurrenz um Ferkel kommen, was die Preise für Ferkel steigen lässt, glaubt Weiß.

 

In 2012 weniger Ferkel

Der Markt wird im kommenden Jahr knapper mit Schweinen versorgt sein. Und die Mäster drückt noch ein anderer Schuh: Die neuen AutoFom und Fom-Masken. Sie erweisen sich als schwer vergleichbar, wie Landwirt Frank Ehlers aus Borwede im niedersächsischen Landkreis Diepholz anschaulich darstellte. Ehlers unterhält 3.200 Mastplätze, davon 400 gepachtet und dazu kommt noch ein gepachteter GbR-Stall mit 800 Plätzen. Seit 2009 mästet er auch Eber. Geschlachtet werden einen Teil seiner Schweine in Rheda-Wiedenbrück. 14 Tage vor der Umstellung sind die neuen Masken wenig transparent und manches steht bisher nicht definitiv fest. Sicher ist: Der Kopfabzug entfällt und durch geänderte Schnittführung verlagert sich die Bewertung der Stücke. Gewichtsgrenzen ändern sich und bei Tönnies wird die Schulter komplett wegfallen: Von den 100 Punkten waren durch die Schulter 13,6 immer fest. Jetzt sind auch die 13,6 Punkte beeinflussbar. Daraus schließt Ehlers: Wir müssen sortieren. Typbetonte Schweine erreichen bei leichteren Schlachtgewichten einen besseren Index.

 

Der optimaler Gewichtsbereich liegt bei 88 bis 102 Kilo: Und das, so Ehlers, sollten wir uns auch mal merken: Wiegen! Sortieren und Wiegen bedeutet aber mehr Aufwand. Ehlers hat die Abrechnungen seiner gelieferten Schweine der letzten Monate (734 Tiere, hauptsächlich sehr typbetonte Sauschweine) nach alter und neuer Maske durchgerechnet: Bei einem Durchschnittsgewicht von 97,15 kg lagen die Tiere im Schnitt bei einem Index von 97,17. Nach neuer Tönnies-Maske werde ich um 0,2 % abgestraft. In der Westfleischmaske wären es minus 0,06 %. Der Grund: Wir hatten zu viele Ausreißer nach oben mit zu schwerem Schinken. Das Hauptproblem sieht Ehlers darin, dass die direkte Vergleichbarkeit der Masken komplett wegfällt: Für uns Landwirte ist das natürlich nicht richtig, keine Vergleiche mehr machen zu können.

 

Rege Podiumsdiskussion

Was kann der Handel für die Landwirte tun? war dann auch eine der Publikumsfragen in der anschließenden Podiumsdiskussion. Neben den Referenten waren hier auch Dr. Sebastian Schwarz, Bereichsleiter Produktion beim Verband der Fleischwirtschaft e.V. (VDF) in Bonn, Norbert Stärk, Gebr. Stärk Viehgroßhandel und stellvertretender Vorsitzender des Vieh- und Fleischhandelsverbandes Weser-Ems sowie Rudolf Diegruber, Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft für Qualitätstiere (EfQ) Syke-Bassum gefragt. Diegruber und Stärk waren sich einig: Die Kundenbeziehung ist wichtig. Wir müssen als Dienstleister auftreten, um das Optimum für den Kunden rauszuholen, betont Stärk, Viehkaufleute sind immer Einzelkämpfer. Wir müssen jetzt über den Tellerrand hinausschauen, um auf Augenhöhe mit den Schlachthöfen sprechen zu können. Diegruber fügt an, das auch der Landwirt etwas tun kann: Nicht erst anrufen, wenn in der Zeitung schon steht, dass die Preise fallen, rät er, dann können wir nämlich auch nicht mehr viel machen.

 

Wie geht es mit den Themen Tiergesundheit und Nachhaltigkeit weiter, kommt da immer mehr? war eine weitere Frage aus dem Publikum. Dr. Schwarz: Nachhaltigkeit ist im Augenblick ein Megathema. Ich persönlich bin der Meinung, dass es nicht ein Trend auf Dauer sein wird. Einzelne Facetten werden ganz gezielt von Behörden und von der Gesellschaft herausgegriffen und hinterfragt werden, so dass daraus in Zukunft Projekte werden. Daraus, dass das Thema Tierwohl in der Gesellschaft angekommen ist, erwachsen verschiedene Probleme: Die Diskussion darum dürfe beim Verbraucher nicht zu einer Entwertung der bisherigen Landwirtschaft führen, die ja alle Kriterien erfüllt.


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